PC-Assemblierung: Des Herstellers Freud - des Händlers Leid

28.05.1998

MÜNCHEN: Die Assemblierung von PCs wird, darüber sind sich Branchenkenner einig, immer mehr an Bedeutung zunehmen. Die kleinen "Schrauber" jedoch, die in der heimischen Garage PCs nach Kundenwünsche zusammenbasteln, fühlen sich zunehmend in die Enge getrieben: IBM-Lizenzgebühr, CE-Norm und Handwerksverordnung, aber auch Final-Assembly durch Distributoren bereiten dem Fachhandel Kopfzerbrechen. Unterkriegen aber lassen sich die "Minis" davon nach lange nicht.

Mit der CE-Geschichte machen die uns kleinen Schrauber kaputt," bringt ein Händler aus dem Raum Hannover den Frust seiner Kollegen auf den Punkt. "Die vielen Fußangeln nerven einfach, vor allem weil man nicht weiß, was als Nächstes kommt", fügt er hinzu. Auch Frank Garrelts, Geschäftsführer des Distributionsunternehmens Microteam, und Tilo Hildebrandt, Chef der Datura Computer Marketing GmbH, sind sich einig: "PC-Assemblierung kann man heute dem Händler nun wirklich nicht mehr mit gutem Gewissen empfehlen."

In der Tat werden den kleinen "Schraubern", wie die selbstassemblierenden Fachhändler oftmals etwas despektierlich genannt werden, immer mehr Stolpersteine in den Weg gelegt. Vor allem die "Killer-Norm" CE bereitet den kleinen PC-Bauern Kopfzerbrechen. Seit dem 1. Januar 1996 in Kraft, verlangt der Gesetzgeber, daß alle "in Verkehr gebrachten Systeme" das CE-Zeichen tragen müssen. Damit bestätigt der Hersteller, daß der zusammengebaute PC die festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Verträglichkeit einhält und damit zum Beispiel ein Funktelefongespräch nicht stört. Erreicht wird diese Verträglichkeit vor allem durch Abschirmungen elektromagnetischer Felder, die unweigerlich beim Betrieb eines Computers entstehen.

Doch die Messung dieser Felder ist keine leichte Angelegenheit und erfordert zudem ausgebildete Spezialisten und eine immens teure Meßausrüstung, die sich vor allem kleine Assemblierer nicht leisten können. "Wir möchten eigentlich sauber arbeiten und uns rechtlich absichern, aber eine komplette Überprüfung der von uns gefertigten PCs können wir nicht bezahlen", beschreibt denn auch der Händler aus Niedersachsen die Misere. Namentlich genannt werden möchte er nicht - der Gesetzgeber sitzt im Nacken. "Durch die CE-Norm entsteht für den Fachhändler ständig ein nichtkalkulierbares Risiko", bestätigt Microteam-Chef Garrelts. "Es passiert schon mal, daß das Bundesamt für Post und Telekommunikation ins Haus kommt und die Rechnungen für die verwendeten Bauteile überprüft. Und dann gibt es Ärger", warnt er. Zwar bieten mittlerweile viele Distributoren die Möglichkeit an, einzelne Bauteile per Internet auf ihre CE-Tauglichkeit überprüfen zu lassen. Für den Komplett-PC jedoch ist weiterhin Unsicherheit angesagt.

Das Thema IBM-Lizenzen ist noch nicht vom Tisch

Doch die CE-Prüfung ist nur die Spitze des Eisberges: So gab es im Sommer des vergangenen Jahres eine weitere Hiobsbotschaft für PC-Assemblierer: Computergigant IBM fordert von den Schraubern PC-Patentlizengebühren (siehe ComputerPartner Nr. 12/97, Seite 1). Zwar hatte sich die Aufregung relativ schnell wieder gelegt, doch vom Tisch ist das Problem damit noch lange nicht. So glaubt zum Beispiel Händlerkooperationschef Garrelts zu wissen: "Keiner weiß, wann die IBM das nächste Mal das Thema Lizenzen anschneidet." Und auch in puncto Meistertitel im DV-Fachhandel - die Diskussion darum flammte ebenfalls im vergangenen Jahr wieder auf - scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Was dem Händler ein Dorn im Auge ist, wird dagegen von anderer Seite begrüßt. So meint beispielsweise Macrotron-Vorstandschef Michael Kaack: "Normen und Verordnungen sind für den Assemblierer-Markt eher von Vorteil. Ansonsten könnte ja jeder Unerfahrene PCs zusammenbasteln, was zu großen Risiken für den Verbraucher führen würde." Auch Dorothee Stolzenberg, Leiterin der Business Unit Components Desks bei der Computer 2000 GmbH, findet die Diskussion um den Meistertitel recht sinnvoll. Ihre Beobachtung: "Ohne jemandem nahe treten zu wollen: Es gibt durchaus Händler, die technisch eben nicht so versiert sind."

Ein weiterer Punkt kontra Eigenassemblierung ist aus der Sicht von Garrelts der betriebswirtschaftliche Aspekt. Gerade durch das zunehmende Engagement der Distributoren, die sowohl ihre Handelsmarken als auch Brand-PCs anbieten, lohne sich die Computerherstellung durch den Fachhandel nicht mehr. Sein Rat: "Wir müssen wieder hin zur klassischen Arbeitsteilung kommen, und der Handel sollte dabei den Part des Dienstleisters übernehmen."

Dieser Meinung schließt sich auch Hildebrandt von Datura an. Allerdings sieht er in der Diskussion um die Eigenassemblierung nicht alles ganz so schwarz. "Der mittelständische Händler hat schon viele Klippen umschifft. Also wird er sich auch dieses Mal nicht davon abbringen lassen, seine eigenen Computer zusammenzuschrauben. Außerdem ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Eigenassemblierung ein gutes Vehikel zur Kundenbindung ist", erklärt Hildebrandt. Und er fügt hinzu: "Viele Kunden wollen einfach einen umfassenden Service."

Höhere Gewinnverordnung, geringers Lagerrisiko

Neben dem Service bietet die Eigenassemblierung durch den Händler aber noch weitere Vorteile. Actebis-Geschäftsführer Michael Urban sieht vor allem zwei: "Zum einen hat der Händler eine höhere Gewinnerwartung, die sich aus den günstigen Fertigungskosten sowie aus der freien Preisgestaltung errechnet - im Gegensatz zu Marken-PCs, deren Konfigurationen und Preise im Markt weitgehend transparent sind." Dieser Vorteil, so ist Urban sicher, wird sich auch langfristig nicht ändern.

Zum anderen seien die Wunschkonfigurationen des Endkunden sehr schnell lieferbar und würden somit den Vorteil einer hohen Verfügbarkeit sichern. Außerdem geht der Assemblierer nach Meinung von Urban ein geringes Lagerrisiko ein, da er keine Komplettrechner bevorratet, die einem starken Preisverfall unterliegen. Betont der Actebis-Geschäftsführer: "Daneben kann der Fachhändler das eigene Know-how nutzen, denn seine Kenntnisse und sein Fachwissen sind mit das wichtigste Kapital des Assemblierers."

CE-Normierung wirft immer wieder Fragen auf

Um den "Schraubern" hierzulande beizustehen, machen sich unter den Distributoren vor allem Actebis in Soest und Computer 2000 in München für sie stark. Beide Unternehmen haben eine eigene Business-Unit geschaffen, die sich ausschließlich um die Eigenassemblierer unter den deutschen Fachhändlern kümmern soll. "Die Assemblierer benötigen ein ganz spezielles Produktsortiment und eine völlig andere Art von technischem Support als Fachhändler, die nicht selbst PCs konfigurieren", erklärt Urban die Initiative, die sich bei den Westfalen "Actebis Assembler Offensive", kurz: A2O, nennt. Ähnlich hört sich bei Computer 2000 die Begründung für eine eigene Abteilung an: "Wir wollen damit den spezifischen Anforderungen unserer Kunden genügen und vor allem technische Beratung und Preisaktualität anbieten", meint die zuständige Managerin Stolzenberg.

Mit ihrem Engagement haben die beiden Distis anscheinend offene Türen beim Fachhandel eingerannt: "Die Nachfrage nach dem A2O-Programm übersteigt sogar unsere hochgesteckten Erwartungen", freut sich Actebis-Chef Urban. Auch Stolzenberg berichtet von einem großen Interesse der Computer 2000-Händler. Neben dem Vorteil, alle Komponenten zum PC-Bau aus einer Hand zu beziehen, nutzen die Händler vor allem die Möglichkeit der Informationsbeschaffung. Erzählt Urban: "Am häufigsten werden Fragen rund um das Thema CE und zur Verträglichkeit der Komponenten miteinander gestellt." Daneben seien besonders Einbauanleitungen, die übers Internet abgerufen werden können, und Handbücher zu den verschiedenen Komponenten gefragt. Den Händlern des Münchner Broadliners C2000 brennen nach den Worten von Stolzenberg vor allem technisch orientierte Fragen zu Intel und der künftigen Preisentwicklung auf den Nägeln.

Markenhersteller erkennen Marktpotential

Dennoch ist für die Distributoren in diesem Punkt das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Der Fachhandel - darüber sind sich beide Broadliner im klaren - braucht künftig noch mehr Unterstützung. "Wir wollen unsere Händler in Zukunft noch rascher über Lieferengpässe, technische Neuerungen und Preissenkungen informieren", umreißt Urban die eigenen Ansprüche der Soester. Für Stolzenberg steht vor allem Aufklärungsarbeit im Vordergrund. "Wir müssen unsere Händler über die Risiken beim Einkauf von Komponenten aufklären", erklärt sie mit Blick auf die Fälschungen von Intel-Prozessoren, die erst kürzlich wieder im Markt für Unruhe sorgten. "Gerade mit Prozessoren und Speichermodulen wird so oft Schindluder getrieben. Deshalb müssen wir den Fachhandel darauf hinweisen, welche Konsequenzen beispielsweise gefälschte Prozessoren für ihn haben können", so die C2000-Managerin. Zudem bestehe zunehmend mehr Informationsbedarf in puncto Zukunftstechnologien, die aus ihrer Sicht immer komplexer und daher erklärungsbedürftiger werden.

Doch nicht nur die Distributoren zollen den hiesigen Klein- und Kleinstproduzenten immer mehr Beachtung. Das Marktpotential der PC-Assemblierer haben seit einiger Zeit auch große Hersteller erkannt: Zwar ist es schwer, eine genaue Zahl der selbst zusammengeschraubten PCs in Deutschland zu ermitteln. Zumal man berücksichtigen muß, wie viele fertige Computer noch einmal aufgeschraubt und den Kundenwünschen entsprechend verändert werden, wie Macrotron-Chef Kaack bemerkt. Doch immerhin, so schätzt beispielsweise Computer 2000-Geschäftsführer Joachim Prinz, werden pro Quartal in Deutschland rund 400.000 PCs selbst assembliert. Nicht an Stückzahlen, sondern an der Anzahl der Händler macht Actebis den deutschen Markt für eigenassemblierte Rechner fest. Urban geht dabei von rund 2.000 Assemblierern aus. Zudem glaubt er, daß das Verhältnis von Brand-PCs zu Eigenmarken bei 50 zu 50 liegt - ein breites Betätigungsfeld also für Assemblierer.

BTO-Geräte erobern zunehmend den PC-Markt

Einer der Hersteller, der sich schon seit einiger Zeit mit dem Marktpotential der kleinen PC-Schrauber auseinandersetzt, ist Intel. Mit seiner Händlerinitiative "Intel Processor Integrator" (IPI) bietet der Chip-Krösus aus Sicht von C2000-Managerin Stolzenberg ein "sehr gutes Programm". Zertifiziert sind dafür in Deutschland rund 1.500 Intel-Partner, die unter anderen in den Genuß von kostenlosen Schulungen kommen. Auch Actebis-Chef Urban ist von der Unterstützung der Hersteller begeistert: "Die Eigenassemblierung unserer Fachhändler wird von den Komponentenherstellern durchweg sehr positiv aufgenommen", berichtet er. Zudem werde die Zahl der derzeit 16 Lieferanten, die sich im Actebis-A2O-Programm engagieren wollen, weiter anwachsen.

Ein ganz anderer Aspekt der PC-Assemblierung in Deutschland ist das Schrauben der PCs durch Distributoren. Schon vor Jahren hatten Großhändler wie Actebis, Peacock oder Vobis damit begonnen, ihre eigenen Haus- oder Handelsmarken zu fertigen. Daß diese Systeme im Markt gut ankommen, beweist die steigende Zahl der Distributoren, die auf diesen Zug aufspringen. Im Unterschied zu damals heißt heute das Zauberwort "Build-to-Order" (BTO) oder "Build-to-Configure" (BTC). "Der BTO-PC wird nach Auftragseingang kundenindividuell gefertigt. Er erfreut sich wachsender Beliebtheit und wird seinen Marktanteil in absehbarer Zeit auf 40 Prozent ausbauen", glaubt Actebis-Chef Urban.

Aufgeteilt wird dieser Kuchen auf die Eigenassemblierung durch die Händler, die Assemblierung der Handelsmarken durch den Distributor und seit einiger Zeit auf das sogenannte "Final-Assembly" von Marken-PCs durch "Subunternehmen" wie Distributoren oder große VARs. Gut unterwegs im letztgenannten Bereich scheint vor allem Hewlett-Packard zu sein, die ihre Vectra-PCs von Actebis und die Brio-Geräte von CHS beziehungsweise Frank&Walter fertigen läßt. So ist denn auch Actebis-Vormann Urban voll des Lobes über die Kooperation mit HP: "Das Ecto-Programm ist sehr gut angelaufen. Allein im vergangenen Jahr konnten wir über 40.000 Vectra-PCs in Soest fertigen. Auch in diesem Jahr liegt unsere konservative Prognose bei der gleichen Stückzahl", berichtet er. Die Fachhandelspartner haben das Programm seiner Meinung nach gut angenommen. Betont Urban: "In puncto Lieferung bieten wir unseren Händlern Drop-Shipments zu ihren Endkunden, was einen weiterer Faktor zur Kostensenkung darstellt."

Noch nicht ganz so glücklich ist indes Macrotron mit der Endmontage von IBM-PCs, die Ende vergangenen Jahres vorerst als Pilotversuch startete. "Das AAP-Konzept ist etwas langsamer angelaufen, als wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten", so Vorstandschef Kaack. Big Blue sei zwar in den USA der erfolgreichste Channel-Assembly-Partner, habe aber die dort entwickelten Praktiken zunächst einmal dem europäischen Markt anpassen müssen. Während bisher lediglich rund 3.000 IBM-PCs über Macrotron geschraubt wurden, hofft Kaack nach "Einführung aller Prozesse" im ersten Jahr rund 25.000 Stück fertigen zu können. Bis dahin aber müssen seiner Meinung nach Abläufe wesentlich beschleunigt und Prozesse verbessert werden. "Die IBM sollte in diesem Programm etwas flexibler auf die Wünsche der Kunden eingehen", fordert Kaack.

IBM muß flexibler auf Kundenwünsche eingehen

Im Moment also bleibt IBM weiterhin die Alltagstauglichkeit des neuen Konzeptes schuldig. Letzte Hand an die PCs muß - zumindest vorerst - weiterhin der Fachhandel anlegen. Und auch für den anfangs zitierten Händler aus dem Raum Hannover ist damit klar: "IBM-PCs oder auch andere Markengeräte sind für uns keine Alternative zu unseren eigenassemblierten Rechnern. Und da wir unsere Kunden nicht verlieren wollen und können, heißt das für uns: Wir schrauben trotz CE-Norm, Meistertitel und IBM-Lizenzgebühr weiter." (sn)

Michael Kaack, Vorstandschef der Macrotron AG: "Normen und Verordnungen sind für den Assemblierer-Markt eher von Vorteil, weil sonst jeder Unerfahrene PCs zusammenbasteln könnte."

Frank Garrelts, Geschäftsführer des Distributors Microteam GmbH: "Die Eigenassemblierung von PCs kann man heutzutage nun wirklich nicht mehr empfehlen."

Dorothee Stolzenberg, Leiterin Business Unit Components Desks bei der Computer 2000 GmbH: "Wir müssen die Händler über die Risiken beim Komponenteneinkauf aufklären."

Tilo Hildebrandt, Chef der Datura Computer Marketing GmbH: "Der Händler hat schon so viele Klippen umschifft. Von daher wird er sich nicht davon abbringen lassen, auch künftig weiter zu assemblieren."

Michael Urban, Geschäftsführer der Actebis-Holding: "Das Verhältnis von Brand-Name-PCs zu Eigenmarken wird weiterhin bei 50 zu 50 liegen."

PCs von vielen für viele: Assemblierung ist typisch deutsch,...

...doch für viele Marktkenner ein Konzept mit Zukunft.

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