"PC-Händler werden sich auf die Hinterfüße stellen müssen"

19.01.1996
STADE: Der Unterhaltungselektronik-Fachhandel leidet unter sich stetig nach unten bewegenden Umsätzen. Deshalb satteln viele UE-Händler auf den Handel mit Computerprodukten um. Ihren Einstieg inszenieren sie mit dem werbewirksamen Etikett Multimedia. Die Kluft zwischen UE- und PC-Markt soll damit geschlossen werden.Für Ulrich Behnke, Besitzer von Radio Behnke und seit Juni dieses Jahres PC-Händler, steht fest: "Ich würde sofort wieder in den PC-Handel einsteigen!" Denn er macht in seinem UE-Fachgeschäft, das inmitten der malerischen, von Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen geprägten Altstadt von Stade liegt, mit PCs zirka 60.000 Mark Umsatz im Monat, fast acht Prozent seines Gesamtumsatzes. Mit steigender Tendenz. Nächstes Jahr soll der PC-Handel bereits 12 Prozent vom Gesamtumsatz einbringen.

STADE: Der Unterhaltungselektronik-Fachhandel leidet unter sich stetig nach unten bewegenden Umsätzen. Deshalb satteln viele UE-Händler auf den Handel mit Computerprodukten um. Ihren Einstieg inszenieren sie mit dem werbewirksamen Etikett Multimedia. Die Kluft zwischen UE- und PC-Markt soll damit geschlossen werden.Für Ulrich Behnke, Besitzer von Radio Behnke und seit Juni dieses Jahres PC-Händler, steht fest: "Ich würde sofort wieder in den PC-Handel einsteigen!" Denn er macht in seinem UE-Fachgeschäft, das inmitten der malerischen, von Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen geprägten Altstadt von Stade liegt, mit PCs zirka 60.000 Mark Umsatz im Monat, fast acht Prozent seines Gesamtumsatzes. Mit steigender Tendenz. Nächstes Jahr soll der PC-Handel bereits 12 Prozent vom Gesamtumsatz einbringen.

Dafür wird er nach dem Weihnachtsgeschäft in dem 250 Quadratmeter großen Laden über die zwölf Quadratmeter große Verkaufsfläche erweitern. "In Stade hat sich schnell herumgesprochen, daß wir PCs verkaufen. Darauf muß ich reagieren", meint er. Die zwei Regale mit den PCs von Compaq, Peacock, Schadt und dem Multimedia Modell "Scenic" von Siemens reichen dann nicht mehr aus.

Multimedia - mit diesem Stichwort brachte auch die Interfunk Fachhandelsgruppe Unterhaltungselektronik, Kommunikationselektronik und Haustechnik eG in Ditzingen ihr langjähriges Mitglied Behnke vor einem dreiviertel Jahr dazu, ins PC-Geschäft einzusteigen. Das erklärte Ziel: Die seit Jahren an dramatischen Umsatzrückgängen und Margenverfall leidenden UE-Händler sollen ein zweites - PC-Standbein erhalten. Und dafür, so die Interfunk-Strategen, bietet Multimedia einen werbewirksamen Erstauftritt. "Als Unterhaltungselektronik-Fachhändler habe ich Beratungs- und Servicekompetenz bei Video und Animation", zeigt sich Behnke selbstbewußt.

Damit allein war es zwar nicht getan, Markterwartung, Investitionen, Technikkompetenz und Multimedia-Marktauftritt waren weitere Komponenten, die Behnke prüfte, bevor er sich den Einstieg ins PC-Geschäft zutraute. Zuerst sondierte er mit der Bedarfsanalyse, die Interfunk seinen PC-willigen Mitgliedern anbietet, den Markt. Er stellte bei der Standortanalyse fest, daß trotz der zwei PC-Konkurrenten vor Ort ein Einzugsgebiet von etwa 120.000 Personen auf ihn wartete. "Das sind fast 50.000 mehr als bei TV und HiFi", rechnet Behnke vor.

Dann war das Investitionsprogramm für Einsteiger an der Reihe. Es ermöglichte Behnke, daß er auch mit geringem Risiko das PC-Neuland betreten konnte: Bei einem sicheren Anteil von sechs bis acht Prozent am Gesamtumsatz im ersten Jahr konnte er keinen finanziellen Schiffbruch erleiden. "Da war ich bereits fast an Bord", erinnert sich Behnke. Das

"fast" räumten die Interfunk-Berater vor Ort aus, indem sie Behnke an seine unternehmerische Initiative erinnerten. Gemäß der Devise von Interfunk-Vorstand Werner Winkelmann: "Ohne unternehmerische Eigeninitiative kann niemand in den PC-Markt gehen. Das muß unseren Mitglieder klar sein."

Trotzdem ginge es ohne das Interfunk-PC-Konzept, von dem Behnke seit Juni profitiert, nicht. Es wurde für die zirka 1.200 Mitglieder seit Ende Oktober 1994 entwickelt. "Die Krise in der UE-Branche ist offensichtlich. Da waren wir gefordert, damit unsere Mitglieder nicht total einbrechen", blickt Winkelmann zurück. Seit 1992 ging der Umsatz in der UE-Branche um mehr als fünf Milliarden Mark auf geschätzte 20 Milliarden für 1995 zurück. Und die Branche hat seit Jahren kein neues, attraktives Produkt, womit die Käufer wieder in die UE-Läden gezogen werden könnten.

Die junge Geschichte des PC-Konzept von Interfunk ist folgende: Interfunk schloß zunächst mit dem PC-Hersteller Schadt im Oktober 1994 ein Abkommen, die Proline-PCs über Interfunk-Händler zu vertreiben. Compaq, Olivetti, Peacock und Siemens, seit der Internationalen Funkausstellung (IFA) 1995 auch Vobis, kamen dazu. Mit "Highscreen Computer Studios" sollen die Interfunk-Händler demnächst Furore machen. Dabei kommt Interfunk die geballte Macht seiner Mitglieder zugute: Mit den PC-Herstellern werden Listpreise ausgehandelt, die denen der Retailer in nichts nachstehen. Die Preise werden an die Interfunk-Händler weitergegeben.

Für Fachhändler Behnke bedeutet das, daß er von der Hamburger Konkurrenz, die eine Autostunde oder 40 Kilometer entfernt auf die Käufer wartet, nichts bemerkt. "Unsere Preise sind knallhart kalkuliert" erläutert er die Preisangaben in den bunten Schadt- und Peacock-Flyer. "Unsere Mitglieder haben den Vorteil, zentral einzukaufen. Die dadurch erzielten Vorteile können wir an unsere Mitglieder voll weitergeben", bestätigt Winkelmann.

Trotzdem bedeutete das Neugeschäft für Behnke einen Sprung ins kalte Wasser. Auch wenn er bei Unterhaltungselektronik und Telekommunikation immer noch die erste Adresse in Stade ist. Doch das schlägt beim TV-Umsatz nicht mehr wie früher zu Buche. Den Dumpingpreisen der UE-Megastores kann er trotz Serviceleistungen vor Ort nichts mehr entgegen halten. "Wir müssen mit etwa zwei Stunden Beratungszeit rechnen, um ein 2.000 Mark teures TV-Gerät zu verkaufen. Dann kauft der gut beratene Kunde doch bei einem Billiganbieter", skizziert Behnke seine Verkaufssituation.

Bei den PCs rechnet er anders. "Unsere Berechnung ist: Mehr als 20 Minuten intensive und kundennahe Beratung darf ein PC nicht kosten", erklärt Behnke. Das heißt: Die PCs gehen laut Behnke zu über 80 Prozent an "semiprofessionelle Kunden, die damit arbeiten wollen". Aber auch Freaks sind bei ihm gerne gesehen. Denn "die kommen in Begleitung ihrer Eltern und überreden die dann, einen PC zu kaufen", glaubt Behnke. Bisher können sich seine Mitarbeiter an die Vorgabe halten. Als weitere Voraussetzung nennt Behnke, daß kein PC länger als eine Woche auf dem Regal stehen bleibt. Auch das gelingt ihm nach eigenen Angaben.

So präsentiert Behnke selbstbewußt seine Jahreskalkulation von zirka 30.000 Mark Umsatz pro Quadratmeter: "Die liegt bei zirka acht bis 15 Prozent Spanne um den Faktor drei höher, als ich im TV-Bereich erzielen kann", rechnet Behnke vor. Die Folge: geringere Lagerkosten, weniger Kapitalbindung und geringere Bankverbindlichkeiten.

Das gesparte Geld steckt Behnke in Service rund um die PCs. Beispielsweise in Multimedia-Seminare oder Fahrten zur IFA zum Selbstkostenpreis. "So bin ich im Gespräch", schätzt er die werbewirksamen Aktionen ein. Außerdem investierte er in die drei PC-Mitarbeiter, die Serviceleistungen vor Ort abwickeln. Zwei davon hat Behnke aus eigenen Mitarbeitern rekrutiert. "Ich habe im Geschäft gefragt, ob sich einer mit PCs auskennt. Die zwei, die sich gemeldet haben, wurden schnell PC-Verkäufer", verrät er. Daß diesen das Know-how, das sie aus dem Telekommunikationsladen, den Behnke ein paar Blocks weiter in der Altstadt zusätzlich betreibt, zugute kam, verschweigt Behnke nicht. "Das mußte eben umgesetzt werden", erläutert er seine Strategie, die er "garantiert nicht verallgemeinert sehen will. Aber ich kann nicht neue Leute einstellen, wenn es das Geschäft nicht hergibt." Die Schulungen, die seine Mitarbeiter zudem erhielten, und der neue dritte Mitarbeiter, der davor bei IBM in der Hotline tätig war, stellen nun das Pfund dar, mit dem Behnke wuchert - bei Beratung und Service.

So bietet Behnke zum Beispiel bei PCs die aus dem UE-Handel übernommene Wertgarantie an. Für den Kunden bedeutet das gegen 15 Mark im Monat, daß er bei einem Rechnerupdate zirka 500 Mark für den alten PC angerechnet bekommt. Außerdem gibt es gegen Pauschale von 199 Mark neben der Aufstellung des Rechners auch eine Einweisung. Die kommt gut an. "Jeder zweite Kunde macht davon Gebrauch. Das garantiert mir Folgegeschäfte bei Updates oder bei Erweiterungen", erläutert Behnke seine Servicestrategie.

Damit befindet er sich voll auf der Linie von Interfunk-Vorstand Winkelmann. "Service und Beratungskomponenten sind die Schlüsselqualifikationen des traditionellen UE-Fachhändlers überhaupt. Mit Kistenschieben hätten wir nicht antreten können", erklärt Winkelmann. Deshalb hat Interfunk auch seinen Händlern die Kundenstrategie vermittelt, "jeden Kunden als VIP-Kunden zu behandeln", unterstreicht Winkelmann.

In Richtung PC-Fachhandel gerichtet bedeutet das für ihn: "Der Kunde will im PC-Fachhandel keine Schnäppchen machen, sondern optimal beraten werden. Das haben viele PC-Händler verschlafen. Diese Chance wissen unsere UE-Händler zu nutzen", erläutert Winkelmann.

Der Gruppenumsatz, den die derzeit zirka 100 aktiven PC-Händler von Interfunk erzielen, beträgt bereits rund 50 Millionen Mark. 1996 sollen es dann 150 Millionen Mark sein.

Deshalb denkt man bei Interfunk auch voraus. Ein Fachhandelskonzept, das auf den mittelständischen Betrieb abzielt, ist gerade in Arbeit. Es enthält beispielsweise den Vorschlag, in drei Jahren eigene Interfunk-PCs zu vertreiben.

Jetzt geht es noch darum, den Marktauftritt der Interfunkler zu verbessern. Mit den Händlern plant man gezielt vor Ort weitere "Auftritte", wie Winkelmann sie nennt: Werbemaßnahmen, Seminare und Events. Dazu kommen gezielte Informationsmaßnahmen durch die Händler selbst, um wie Behnke sagt, "zu beweisen, daß wir bei PCs in Richtung professionelle Ansprüche, wie sie mittelständische Fachhändlern haben, gehen wollen". Behnke denkt dabei vor allem an PC-Vernetzung. Um in dieser Sparte Fuß zu fassen, genauso wie vor vier Jahren in der Telekommunikation, hat er gerade einen Mitarbeiter zur Schulung geschickt. Heute kann Behnke bei TK-Anlagen 25 Prozent Marktanteil in Stade und im Landkreis für sich verbuchen. "In einem Jahr kann ich auch bei PC-Vernetzung mitreden", zeigt er sich überzeugt.

"Es geht ganz klar in Richtung professionelle Kundenbasis", unterstreicht auch Winkelmann. Und auch bei dieser Strategie ist er sich sicher: "Die PC-Händler haben Multimedia nicht genutzt. Auch bei unserem nächsten Auftritt werden sie sich auf die Hinterfüße stellen müssen."

Zur Startseite