PC-Lautsprecher im Hifi-Segment?

30.11.2000

Die meisten PC-Lautsprecher sind noch reine Mitnahmeprodukte zum Preis von unter 70 Mark. Das erklärt auch den hohen Marktanteil von Interact und Trust, die sich auf das Niedrigpreissegment konzentriert haben. Multimediale Anwendung wie DVD und MP3 schreien jedoch nach höherwertigen Systemen, die auch etwas mehr kosten dürfen. Doch gerade hier beginnt für die Hersteller eine schwierige Gratwanderung zwischen Qualität und einem vertretbaren Preis. Denn je teurer die Lautsprecher angeboten werden müssen, desto geringer die verkauften Stückzahlen. Längst haben manche Surround-Systeme Preispunkte erreicht, wie man sie eigentlich nur von der Unterhaltungselektronik kennt. Kein Wunder, dass es einige Hersteller von IT-Multimediaprodukten wie Creative, Logitech & Co. mit Macht in diesen artfremden Markt drängt. Denn obwohl auch hier die goldenen Zeiten lange vorbei sind, winken in der Braunwarewelt noch richtig Margen und eröffnet sich dort eine viel breitere Käuferschicht. Es fragt sich jedoch, ob die Plastikzwerge, auch wenn sie noch so gut klingen, in der UE-Branche überhaupt akzeptiert werden. Warum in aller Welt soll sich ein UE-Händler mit PC-Lautsprechern eindecken, wenn er bei Hifi viel freier in der Preisgestaltung ist und mithin auch viel mehr verdienen kann?

Hinzu kommt, dass die meisten UE-Fachhändler selbst Hifi-Puristen sind, von denen viele noch nicht einmal das 4.1-Satellitensystem "Acoustimass" von Bose mit bestem Gewissen empfehlen können. Und das kostet immerhin rund 2.000 Mark. Denn Lautsprecher - das ist ein physikalisches Gesetz - müssen nun einmal eine bestimmte Größe haben, um halbwegs anständige Bässe hervorzubringen. Voraussetzung für guten Klang ist auch ein stabiles Gehäuse, bestenfalls aus Holz, Beton oder auch hochwertiger Keramik. Für Kunststoff haben die echten Hifi-Freaks und damit wohl auch die meisten UE-Fachhändler nur ein müdes Lächeln übrig. Die Plastikzwerge können mit einem noch so leistungsstarken Subwoofer ausgeliefert werden, irgendwie klingen sie meist blechern, abgesehen davon, dass viele von ihnen einen so arg begrenzten Frequenzgang haben, dass es einem graust.

Zugegeben: Die Boxen der Multimedia-Anbieter werden besser, auch das Design kann sich sehen lassen, und viele 4.1- oder 5.1-PC-Lautsprechersysteme lassen es bei Filmen wie "Matrix" oder "Jurassic Park" auch ganz ordentlich krachen. Aber ein so richtiges Heimkino-Erlebnis will beim besten Willen nicht aufkommen. Natürlich lässt sich einwenden, dass auch viele Dolby-Surround-Anlagen eher müllig klingen. Die Retail-Ketten sind voll davon, und hier haben die neuen Lifestyle-Apostel aus der IT-Welt wohl auch am ehesten eine Chance, mit ihren Soundsystemen einen Fuß in den UE-Markt zu bekommen. Dabei könnten sie von Bose lernen: Es ist alles nur eine Frage des Marketing und der richtigen Platzierung am Point-of-Sales. Der klassische Hifi-Fachhändler, das hat auch der Fotohandel bei digitalen Kameras gezeigt, wird aber hinsichtlich der Konvergenzgelüste der Multimedia-Branche skeptisch bleiben.

Klaus Hauptfleisch

khauptfleisch@computerpartner.de

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