PC-Markt im Chaos

23.11.2000

Früher war für die PC-Hersteller hinsichtlich des Wachstums die Welt noch in Ordnung. Da kam man noch auf zweistellige Zahlen, und auf die Prognosen der Analysten war noch richtig Verlass. Verlass war auch auf die zahlungskräftigen Unternehmenskunden. Wie groß war daher die Aufregung, als Anfang des Jahres der Corporate-Sektor wegbrach, das SMB-Segment leise Hoffnungen wachhielt, letztendlich aber nur das Endkundengeschäft den Karren noch halbwegs aus dem Dreck zog. Um Erklärungen nie verlegen, kramten Marktforscher wie Hersteller schnell Ursachen für den Einbruch im Unternehmenssektor hervor. Schuld an der Misere hätten die vorgezogenen Investitionen im Vorfeld der Y2K- und Währungsumstellung, die verfrühte Cebit und der verspätete Erscheinungstermin von Windows 2000. Dabei stand eigentlich schon seit Beginn des Jahres fest, dass den deutschen PC-Markt längst ein gewisses Völlegefühl plagte. Wenn der Markt im letzten Jahr dennoch um mehr als 20 Prozent wachsen konnte, ist das ausschließlich der vorangegangenen Y2K-Sonderkonjunktur zuzuschreiben. Es ist wie mit dem vorübergehenden Boom in der Automobilbranche kurz nach der Wiedervereinigung. Kaum normalisiert sich der Markt, bricht der große Katzenjammer aus.

Statt anzuerkennen, dass dieses Schicksal nun auch den PC-Markt ereilte, verhießen die Analysten weiterhin Besserung. Das Allheilmittel Windows 2000 würde schon alles wieder richten. Doch nichts von alledem ist eingetroffen, nicht im zweiten und erst recht nicht im dritten Quartal, in dem laut Dataquest in Deutschland mit 1,63 Millionen Desktop-PCs, Notebooks und Servern nur knapp 11.000 Systeme mehr als im Sommer des Vorjahres verkauft wurden. Bedenkt man, dass trotz der insgesamt bescheidenen Absätze mobile PCs um knapp 30 Prozent zulegen konnten, ergibt sich für Desktops und Server gar ein sattes Minus von 93.400 Geräten oder 6,7 Prozent.

Am stärksten eingebrochen ist der Markt für professionell genutzte Desktops, während bei Unternehmensservern noch durchaus annehmbare Wachstumszahlen zu verzeichnen sind. Das lässt sich möglicherweise damit erklären, dass viele Unternehmen das teure Windows 2000 zunächst selektiv, sprich vorwiegend in ihrer Serverlandschaft einsetzen, während eine erneute Umrüstung ihrer gesamten PC-Flotte derzeit nicht in Frage kommt. Nicht, nachdem die Preise für Desktops aufgrund der Euro-Schwäche derart angezogen sind.

Hauptleidtragende sind die über 6.800 lokalen Assemblierer. Besonders betroffen sind die vielen kleinen Schrauber, die angesichts der steigenden Komponentenpreise mit den Großen nicht mehr mithalten können. Auch auf den derzeitigen Hoffnungsträger Notebooks können sie nicht ausweichen. Denn die Mobilen lassen sich nun einmal nicht im Hobbykeller zusammenzimmern.

Dass es im finsteren Desktop-Bereich noch durchaus Optimisten gibt, zeigt Sonys mutiger Einstieg in den europäischen PC-Markt - beflügelt durch die aktuellen Erfolge im Notebook-Segment. IBM bewies zumindest, dass man die Dauerflaute im Unternehmenssektor auch umschiffen kann. Viele Aktivitäten der Unternehmen deuten jedenfalls auf eine Verlagerung des reinen Hardwaregeschäfts auf das lukrative Drumherum hin. Im Trend liegt die Full-Service-Company, die sich über Dienstleistungen von der Beratung über Finanzierung, Installation, Wartung und Service ganzheitlich um die Gunst der kapriziösen Unternehmensklientel bemüht.

Last but not least sollten die bisher geltenden Leitsätze den veränderten Marktbedingungen angepasst werden: Etwa "Profitabilität statt Wachstum um jeden Preis". Dahingehend ließen sich auch Compaqs passable Gewinne trotz massiver Absatzeinbußen erklären.

Klaus Hauptfleisch

khauptfleisch@computerpartner.de

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