PCM-Chef Reithmann: Groß oder klein - dazwischen wird's für Systemhäuser eng

08.08.1997
FELDKIRCHEN: Wie andere deutsche Systemhäusler auch, stand PCM-Vorstand Norbert Reithmann vor der einfachen Wahl: Wachstum oder Siechtum. Das nötige Geld besorgte er sich vor gut einem Jahr durch eine Fusion mit der Debis Systemhaus DCS GmbH. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Lothar Derichs erklärt der Bayer, wie er profitabel expandieren will.

FELDKIRCHEN: Wie andere deutsche Systemhäusler auch, stand PCM-Vorstand Norbert Reithmann vor der einfachen Wahl: Wachstum oder Siechtum. Das nötige Geld besorgte er sich vor gut einem Jahr durch eine Fusion mit der Debis Systemhaus DCS GmbH. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Lothar Derichs erklärt der Bayer, wie er profitabel expandieren will.

?Die Fusion mit der Debis Systemhaus DCS GmbH ist jetzt gut ein Jahr her. Was waren Ihre konkreten Erwartungen an das Zusammengehen mit Debis? Sind diese erfüllt worden?

REITHMANN: Die Intention mit Debis zusammenzugehen war zuerst einmal deutschlandweite Präsenz. Nachdem DCS starke Niederlassungen hatte in Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt, und wir das zusammengefügt haben, können wir unsere Kunden jetzt deutschlandweit bedienen. Diesbezüglich sind unsere Erwartungen also voll erfüllt worden.

Meine Erwartungen hinsichtlich des Namens Debis, und was das bei deutschen Kunden heißt, sind weit übertroffen worden. Der Name erzeugt eine noch stärkere Wirkung, als ich mir vorgestellt hatte. Der Name Debis schafft Vertrauen und bedeutet auch, daß hier neben Leistung Deutschlands größter Konzern dahintersteht. Auch meine Erwartungen, was die Finanzierung angeht, sind erfüllt worden.

Allerdings habe ich mir die Integration in einem kürzeren Abstand vorgestellt. Wir sind immer noch dabei zu integrieren. Wir haben zum Beispiel vier EDV-Systeme zu einem zusammengeführt. Und das dauert. Das ist nicht in drei Monaten zu schaffen.

?Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen? Sind Sie auf Debis zugegangen oder war es umgekehrt?

REITHMANN: Der Kontakt kam zustande über den damaligen Geschäftsführer von DCS, den Herrn Streibich. Wir haben einfach mal ein Gespräch geführt, wie DCS das Geschäft betreibt und wie wir das Geschäft betreiben. Und bei diesen ein, zwei Gesprächen sind wir dann auf die Idee gekommen, ob es nicht Sinn macht, beide Unternehmen zusammenzulegen. So ist die Idee entstanden. Ich hatte zwei Gesellschafter hier im Unternehmen, die Interesse hatten, ihre Anteile von je 25 Prozent zu verkaufen. Ich selber habe nur 25 Prozent verkauft.

?Sie sagen, die Integration sei noch nicht ganz abgeschlossen. Sind das eher organisatorische Probleme oder auch Schwierigkeiten mit der jeweiligen Unternehmenskultur?

REITHMANN: Im wesentlichen sind es organisatorische Probleme: Eine Logistik, eine Datenverarbeitung - sämtliche Prozesse sind auf ein Unternehmen zu trimmen, das deutschlandweit agiert und nicht mehr nur an einem Standort. Wir führen gerade SAP ein. Auch das ist massive Arbeit. Wir haben vorher ein kleineres Warenwirtschaftssystem auf einer AS/400 gehabt und die DCS zwei andere Systeme. Und zugegeben: Deutschlandweit eine einheitliche Unternehmenskultur, etwas Neues zu schaffen, und zwar aus den guten Teilen bei DCS und den guten Teilen bei PCM, auch das ist harte Arbeit.

?Sie waren lange Jahre ein freier, selbständiger Unternehmer. Seit einem Jahr sind Sie Teil eines Riesenkonzerns, sprich Daimler Benz. Wieviel Entscheidungsfreiheit haben Sie da noch?

REITHMANN: Ich bin noch mit 25 Prozent beteiligt; wir sind eine Aktiengesellschaft und haben zwei Vorstände. An dieser Konstruktion sehen Sie eigentlich schon, daß eine höchstmögliche Eigenständigkeit gewollt ist, um unser Geschäft optimal betreiben und uns auf unsere Kunden einstellen zu können. Dort, wo wir Synergien haben mit dem Konzern, können wir sie nutzen. Dadurch, daß wir unabhängige Vorstände sind, ist das gewährleistet. Natürlich stimmen wir uns mit dem Aufsichtsrat und mit Debis Systemhaus ganz eng ab. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Nahezu optimal.

?Also redet Ihnen niemand von außen rein?

REITHMANN: Nein. Schwierige Entscheidungen treffen wir natürlich im Aufsichtsrat. Aber das war ja schon vorher so. Wir waren auch früher eine Aktiengesellschaft und hatten Gesellschafter, mit denen wir uns besprechen mußten. Und jetzt heißen halt die Gesellschafter Debis. Also für mich hat sich eigentlich überhaupt nichts geändert.

? Wie liefen die Geschäfte im vergangenen Jahr? Sind Sie zufrieden?

REITHMANN: Wir wachsen momentan zwischen 20 und 30 Prozent. Mit der Umsatzentwicklung sind wir zufrieden. Die Ergebnissituation hängt hinterher. Das kommt einmal durch die hohen Investitionen, die wir haben und die Integrationsaufwendungen. Und das kommt zum anderen durch den starken Margendruck im Handelsbereich. Das ist der Stand für das Jahr 1997.

?Schreiben Sie denn noch schwarze Zahlen?

REITHMANN: Wir schreiben schwarze Zahlen. Aber es ist noch nicht ganz zufriedenstellend.

?Was planen Sie strategisch für die Zukunft? Weitere Expansion? Weitere Niederlassungen?

REITHMANN: Wir wollen uns an den Standorten, wo wir jetzt sind, massiv verstärken. Es ist nicht so, daß wir dort überall schon eine kritische Größe erreicht hätten. Wir müssen weiter wachsen in Düsseldorf, in Hamburg und in Frankfurt. Wir müssen unsere Prozesse und unsere Qualität nochmals verbessern. Wir müssen im Unternehmen noch mehr den Dienstleistungsgedanken "Dienen und Leisten" etablieren. Und wir müssen uns auf die Veränderungen des Markts permanent neu einstellen. Wir haben alle drei Monate eine neue Situation in diesem Markt. Sei es von seiten der Hersteller oder von seiten der Kunden. Sie kennen das: Zum Beispiel die Gerüchte um Compaq momentan. Oder daß die Bayerische Hypothekenbank mit der Vereinsbank zusammengeht.

?Wie wären Sie betroffen, falls Compaq seine Vertriebsstrategie ändern sollte?

REITHMANN: Es wäre ein massiver Eingriff in unser Geschäft. Wenn Compaq, was bis jetzt nur aus Gerüchten bestätigt ist, Kunden direkt angehen sollte.

?Obwohl Sie ja eine breite Palette an Herstellern haben, unter anderem eben auch die Debis-PC-Eigenmarke.

REITHMANN: Trotzdem: Compaq ist nun mal der PC-Hersteller Nummer 1, der wesentliche Hersteller für Server und für Clients. Auch unser NT-Projekt für die Bayerische Vereinsbank wird zur Hälfte mit Compaq ausgestattet. Und sollte Compaq wirklich Pläne haben, Großkunden direkt zu beliefern, wäre das für uns ein massiver Einschnitt. Für mich macht das einfach keinen Sinn. Ich werde Anfang August ein Gespräch mit der neuen Geschäftsführerin, Frau Huy, haben. Und da muß dieser Punkt geklärt werden.

?Wie steht es mit Auslandsaktivitäten? Ist da was geplant?

REITHMANN: Debis-Systemhaus plant momentan eine Europastrategie. Wir sind im Augenblick noch nicht direkt betroffen. Für uns gilt in diesem und im nächsten Jahr erst mal die Devise, die Integration zu beenden und zu konsolidieren.

?Ihre Selbstdarstellung in Broschüren und anderswo vermittelt den Eindruck, daß Sie sich strategisch stark auf Windows NT ausgerichtet haben.

REITHMANN: Ich würde mal sagen, nicht wir, sondern eher der Markt. Wir folgen dem Markt und unseren Kunden. Und wenn hier früher 20 Systemingenieure für OS/2 waren, dann haben wir jetzt 15 oder 16 umlernen lassen auf NT. Die großen Kunden fragen halt mehr NT nach als OS/2.

?Sie bieten vor allem Client-Server-Lösungen an. Es gibt ja Leute, die sagen, der Client-Server-Markt stagniert eher. Sind etwa die NCs eine Perspektive für Sie?

REITHMANN: Ich glaube, daß der Markt insgesamt nach wie vor stark wachsen wird, auch der Client-Server-Markt. Die Kunden haben einen Riesennachholbedarf an Betriebsführungskonzepten, an Hardware und an Software. Das muß in den nächsten Jahren aufgeholt werden. Auch die Kunden, die von OS/2 auf Windows gehen oder von Macs auf die Windows-Basis umsteigen. Das alles wird zusätzliches Wachstum bringen. Ich sehe keine Stagnation. Und der Network Computer wird ein Bestandteil des Ganzen sein. Dramatische Verschiebungen in diese Richtung wird es aber nicht geben.

?Die meisten deutschen Systemhäuser haben zu wenig Eigenkapital, um weiteres Wachstum zu finanzieren. Genau dieses Problem hatten ja auch Sie vor zwei Jahren.

Deswegen ist die deutsche Systemhaus-Landschaft auch ziemlich in Bewegung. Die einen wachsen durch ständiges Zukaufen, wie Bechtle. Andere gehen an die Börse, wie m+s. Wieder andere lassen sich aufkaufen, zum Beispiel CompuNet oder Sie. Wohin, glauben Sie, geht die Reise für Sie und Ihre Mitbewerber in den nächsten Jahren?

REITHMANN: Wir sind von 1983 bis Ende 1995, als Debis dazukam, aus eigener Kapitalbasis und aus eigener Kraft gewachsen. Es ist äußerst schwierig, 30 Prozent zu wachsen, zu investieren, und das in Größenordnungen von 50 bis 100 Millionen Mark. Auch die nötigen Kredite zu kriegen, mit Banken zu verhandeln und dort Verständnis für das Geschäft zu bekommen, Liquidität zu sichern - das ist alles zeitaufwendig und nicht einfach.

?Hat gerade die IT-Branche da noch immer Probleme bei den Banken?

REITHMANN: Ja, sicher. Das ist sehr schwierig, denn dieses Geschäft entwickelt sich nicht zwölf Monate lang gleich. Da gibt es mal ein gutes Quartal und mal ein schlechtes Quartal. Und wachsen heißt investieren. Bei allen Risiken des Geschäftes. Für uns war ein wesentlicher Grund mit Debis zusammenzugehen, das Wachstum finanzieren zu können. Das ist kein Thema mehr, das ist gelöst. Wenn bei mir früher sehr viel Zeit mit Bankengesprächen draufgegangen ist, so ist das jetzt auf Null gegangen.

Nichtsdestotrotz glaube ich, daß es kritische Größen für Systemhäuser unserer Art gibt. Wenn früher mal die kritische Größe bei 20, 30 Millionen Umsatz war, ist das heute auf 50 Millionen, auf 100 Millionen Mark gewachsen. Und ich glaube, daß diese Summe aus der Margen-Situation heraus sogar auf 300, 400 Millionen und bis zu einer halben Milliarde Mark steigen wird. Für jemanden, der nicht mitwachsen kann und keine Gewinne macht, wird es ganz schwierig werden. Also glaube ich, daß der Konzentrationsprozeß nach wie vor nicht beendet ist, sondern weitergeht. Am Ende werden ein paar wenige große Systemhäuser deutschlandweit, europaweit übrig bleiben. Außerdem wird es natürlich nach wie vor ein paar gute, rein lokale Systemhäuser geben.

?Wenn Sie Kapital für weiteres Wachstum brauchen: Bekommen Sie es dann ohne Probleme von Ihrem Gesellschafter?

REITHMANN: Ohne Probleme. Wir haben Geschäftspläne. Und was wir dementsprechend brauchen, erhalten wir von Debis beziehungsweise Daimler Benz.

?Ihr Kollege Jost Stollmann von CompuNet hat vor nicht allzu langer Zeit in ComputerPartner erklärt, das Spiel sei hier schon gespielt und kein Systemhaus oder VAR in Deutschland könne im Großkundengeschäft langfristig gegen sie bestehen. Was würden Sie dem denn entgegenhalten?

REITHMANN: Da kann man nichts dagegenhalten. CompuNet ist mit seiner Größe die Nummer 1 und vielen weit voraus, das ist so. Es wird aber noch ein großes Feld an Kunden geben, die einen zweiten Händler brauchen oder woanders kaufen wollen als bei einem amerikanischen Unternehmen.

?Haben Sie keine Ambitionen CompuNet hinterherzueilen oder abzulösen?

REITHMANN: Nein. Überhaupt nicht. Wir wollen Erfolg haben und müssen Profit machen. Und natürlich schaut man auf den größten immer wieder gerne, aber ich habe nicht den Ehrgeiz, unbedingt CompuNet einzuholen. Das kann kein unternehmerisches Ziel für uns sein.

?Die viel beschworene Marktführerschaft ist also kein Wert an sich für Sie?

REITHMANN: Nein. Lieber Zweiter mit sehr viel Profit, das ist auch ein schönes Ziel.

?Gilt das auch für Bayern beziehungsweise den Münchner Raum? Bislang waren Sie dort ja so eine Art Platzhirsch. Konkurrenten wie m+s und Bechtle versuchen jetzt, in diese Regionen einzudringen. Wie wollen Sie darauf reagieren?

REITHMANN: Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schwierig und aufwendig so etwas ist. Beispielsweise haben auch wir vor dem Zusammenschluß mit Debis aufgrund der Anforderungen unserer überregionalen Kunden uns angeschickt, in anderen Standorten als München Geschäfte zu machen. Mit mehr oder weniger Erfolg und Mühe. Die gleichen Erfahrungen wird m+s möglicherweise auch machen.

Wir sind heute, nach dem Zusammenschluß mit Debis, bundesweit vertreten. Wir haben überall unsere Kunden und können uns darauf konzentrieren, neue zu aquirieren. Wir sind nicht gezwungen, unsere ganze Energie in den Aufbau einer regionalen Präsenz zu stecken.

Die spannende Frage ist: Wie werden mittelständische und kleinere Unternehmen profitabel bedient? Kann das mit individuellen Lösungen passieren wie bei Großkunden? Oder geht das eher mit Standards? Darauf habe ich auch noch keine Antwort. Das wird eine spannende Frage der Zukunft sein.

?Aber befürchten Sie da keinen verschärften Konkurrenzkampf zwischen den großen Systemhäusern, die dann halt bundesweit agieren und nicht mehr unbedingt, so wie vor Jahren noch, eher regional?

REITHMANN: Wenn ich mich nicht irre, gab es 1983 in München 40 autorisierte IBM-Händler, an jeder Ecke einen. Davon sind zwei, drei übriggeblieben.

Ich möchte damit sagen: Der Markt wird sich so weit bereinigen wie die Nachfrage der Kunden nach dessen Wertschöpfung ist. Das wird sich einspielen. Keiner kann über Jahre hinweg expandieren, ohne Profit machen zu können. Das ist nicht finanzierbar und macht auch gar keinen Sinn.

?Und Sie sind sich bisher bei Projekten nicht mit Bechtle oder m+s auf die Füße getreten?

REITHMANN: Nein. Absolut nicht.

?Das Umsatzwachstum für die nächsten Jahre: Was haben Sie sich da als Ziel gesetzt?

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