3 Tipps für die neue Arbeitswelt

Perfektionismus bringt uns jetzt nicht weiter

Andrea Trapp ist Vice President of Business International bei Dropbox und leitet ihre internationalen Teams aus München heraus. Die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Change-Management war 22 Jahre lang - zeitweise im Ausland - in europaweiten Führungs- oder Vorstandspositionen internationaler Tech- und PropTech-Unternehmen tätig. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte lagen dabei stets auf den Themen digital Leadership und der Optimierung von Transformationsprozessen. Dabei versteht sie sich als Coach und Mentorin ihrer Teams. Bei Dropbox steht sie als Leitfigur in der aktuellen Transformation in ein „Virtual First”-Unternehmen. Wenn Dropbox - sobald die Pandemieumstände es wieder zulassen - sich wieder physisch treffen wird, werden statt klassischer Büros umfunktionierte Räume für Kollaboration, soziale Begegnungen und Meetings mit Kunden auf die Mitarbeiter warten. Schreibtische werden dort nicht mehr zu finden sein. Unterstützung beim Wandel liefert das Virtual-First-Toolkit.
Während der Pandemie arbeiteten viele Menschen fast ausschließlich im Homeoffice, nun kehren sie allmählich wieder in die Büros zurück. Doch die Arbeitswelt 2019 existiert nicht mehr. Wie der ideale hybride Arbeitsplatz in Zukunft aussehen könnte.
Ruhiges konzentriertes Arbeiten im Homeoffice und das "kreative Chaos" im Büro - so könnte der ideale Arbeitsplatz des 21ten Jahrhunderts aussehen.
Ruhiges konzentriertes Arbeiten im Homeoffice und das "kreative Chaos" im Büro - so könnte der ideale Arbeitsplatz des 21ten Jahrhunderts aussehen.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Es überrascht, dass es noch immer Unternehmen gibt, die noch keine endgültige eigene Strategie für die künftige Arbeit in Büros, remote oder in einem Hybridmodus gefunden haben. Die Chefetage scheint die Arbeitsweise eines Betriebs noch abhängig zu machen vom Pandemiegeschehen, aktuell ist allerorts starke Büropräsenz zu verzeichnen. Doch es gibt gute "Hacks", wie Teams von zu Hause oder auch einem anderen Ort ihrer Wahl aus - völlig unabhängig von der Pandemie - konzentriert und ergebnisorientiert arbeiten können. Welche Arbeitsform Sie für die Zukunft Ihres Unternehmens auch wählen - beherzigen Sie die folgenden Ratschläge:

1. Zeitversetzte Teamarbeit

Die Anzahl der virtuellen Meetings hat während der langen Corona-Zeiten extrem zugenommen, wir alle können ein Lied singen von Zoom-Fatigue oder den Auswirkungen, die Dutzende von Wochenstunden vor der Kamera auf unsere mentale und physische Gesundheit haben. Doch von dieser übertriebenen Kultur endlos aneinandergereihter Videokonferenzen sollten wir uns wieder lösen.

Denn synchrone Kommunikation verlangt, dass die Teammitglieder zu festen Terminen alle am Bildschirm gebunden sind. Für Treffen innerhalb derselben Zeitzone mag das okay sein, aber schwieriger wird es, wenn man in globalen oder überregionalen Strukturen arbeitet. Die Umstellung auf einen asynchronen Kommunikationsstil trägt dazu bei, unnötige Besprechungen zu vermeiden und gleichzeitig den Mitarbeitenden zu helfen, eine aktive Rolle bei der Kontrolle ihrer Zeit zu übernehmen.

Unter asynchroner Kommunikation verstehe ich jede Art von Kommunikation, die nicht in Echtzeit erfolgt. Asynchrone Kommunikation kann über alle möglichen Kanäle erfolgen, von E-Mail und Messenger-Apps über Tools für die Zusammenarbeit an Dokumenten bis zu Plattformen zur Organisation komplexer Abläufe. Nur zeitversetzte Kommunikation gewährt Mitarbeitenden die größtmögliche Flexibilität, die ihnen auch erlaubt, hochkonzentriert ihren Beitrag zu den bestmöglichen Arbeitsergebnissen zu ihren eigenen Bedingungen leisten zu können.

Takeaway 1: Der Schwerpunkt wird wieder auf die Arbeit und deren Output verlagert und liegt nicht nur auf die Sitzungen und Meetings!

2. Echte Erledigung statt 24/7-Erreichbarkeit

Wie schwer wir uns tun, dem in Amerika so üblichen Motto "Better done than perfect" nachzukommen, zeigt die aktuelle Situation in vielen Unternehmen und auf deren Führungsebenen. Für uns alle ist es eine große Herausforderung, uns von dem Joch, das der eigene Anspruch des Perfektionismus uns auferlegt, zu verabschieden.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass nicht jede Idee oder Arbeit perfekt sein kann oder muss. Wer immer perfekte Ergebnisse liefern möchte, läuft - ohne das selbst zu bemerken - große Gefahr, in einen Burnout hineinzugeraten und Kritik persönlich bzw. sie anderen übel zu nehmen. Homeoffice und verteiltes Arbeiten haben perfektionistische Züge an uns noch verstärkt, weil getrennt von den anderen im Team noch viel mehr Zeit war, in einer eigenen Blase jeden Pixel, jedes Bild, jede Silbe und jeden Ton zu analysieren und zu interpretieren.

Doch eine gewisse Distanz zwischen dem Arbeits- und Privatleben und regelmäßige Perspektivwechsel sind elementar - in der Loslösung liegt eine hohe Kunst. Sich zu lösen, ist nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit oder Faulheit, sondern stellt vielmehr einen Mittelweg zwischen den beiden Extremen "zu viel" und "gar nicht" dar. Pausen und kleine Auszeiten lassen uns einen Schritt zurücktreten und mit frischen und kreativen Sichtweisen an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Damit aus dem Arbeiten von jedem erdenklichen Ort oder dem Homeoffice aus kein Leben am Arbeitsplatz wird, sollten Arbeitgebende und Belegschaft sich unbedingt auch über Nichterreichbarkeit verständigen. Verstärkt zeitversetzt zu arbeiten, fordert Regeln und Übung.

Bei uns haben wir beispielsweise Core Collaboration Hours eingeführt, 4-Stunden-Fenster für Besprechungen, die über Zeitzonen hinweg abgestimmt sind, damit wir sicherstellen können, dass unsere Live-Zusammenarbeit sinnvoll ist. Dies ist ein einfacher und leichter Schritt für Unternehmen, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen, von zu Hause aus zu arbeiten, gleichzeitig aber auch verteilten Teams die Möglichkeit zu geben, sich vor der Belastung einer Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit zu schützen.

Takeaway 2: Das Gleichgewicht zwischen Erledigung und perfektionistischem Anspruch an sich selbst, zwischen einem Übermaß an Arbeit und Loslassen zu finden, gelingt durch bewusste Übung und Achtsamkeit. So lässt sich der bereits von Aristoteles gepriesene goldene Mittelweg (leichter) finden.

3. Revolutionieren von Routinen

Da die Mitarbeitenden selbst für ihr Zeitmanagement, ihre Entscheidungsfindung und ihre Multitasking-Fähigkeiten verantwortlich sind, ist es wichtig zu wissen, wie sie ihre Konzentration erlangen und aufrechterhalten können. Die besten Anpassungen, um sich besser konzentrieren zu können, haben mit intelligentem Arbeiten, einer Neuausrichtung der Arbeitszeiten und der Prioritätensetzung zu tun:

  1. Energielevel nutzen: Jede und jeder von uns arbeitet zu einer anderen Zeit hocheffektiv, manche als "frühe Vögel", manche als "Nachteulen". Asynchrones, verteiltes Arbeiten ermöglicht es jedem Individuum, die Aufgaben genau dann zu erledigen, wenn die Konzentration am höchsten ist. Jeder gute Zeitplan ist individuell und im besten Fall so terminiert, dass die eigenen energievollen Zeiten maximal ausgeschöpft werden können.

  2. Aufgabenlisten straffen: Durch die volle Konzentration auf das jeweilige (Teil)Ziel können die kleinen zeitraubenden Ablenkungen des Alltags ausgeblendet werden. Die Einzelschritte und deren Ausarbeitung richtet sich automatisch eng am Kernprojekt aus, Ergebnisse kommen zielgerichteter und schneller zusammen.

  3. Delegieren mit Vertrauen: Setzen Vorgesetzte volles Vertrauen auf die Kompetenz und das Verantwortungsbewusstsein ihrer Teammitglieder, haben diese die Chance, ihre Aufgaben im eigenen Rhythmus optimal zu erfüllen. Das ist viel besser, als alles immer selbst erledigen zu wollen oder skeptisch zu reagieren, wenn Kolleg*innen und Mitarbeitende eine andere Arbeitsroutine oder -zeit haben. Wichtig ist immer das Gesamtergebnis und nicht die Einzelschritte der Entstehung. Ein vertrauensvolles Abgeben von Aufgaben lässt dem Individuum mehr Möglichkeiten, das eigene volle Potenzial bei der Erarbeitung auszuschöpfen.

Takeaway 3: Intelligentes Arbeiten, eine individuelle Neuausrichtung der Arbeitszeiten und neue Prioritätensetzung verhelfen zu besserer Konzentration und diese zu besseren Arbeitsergebnissen.

Offenheit für asynchrone Arbeitsformen vorleben

Die neue Arbeitswelt hat viele Gesichter. In einer Ära des flexiblen Arbeitens sollten Mitarbeitende ermutigt werden, offen darüber zu sprechen, wo, wann und wie sie am besten arbeiten. Das ermöglicht es Vorgesetzten, zufriedenere und effizientere Arbeitsteams zu führen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmenden wird sich auch in Zukunft für asynchrone Arbeit remote und hybride Arbeitsformen entscheiden. Wenn Sie wissen, welche Hebel Sie betätigen müssen, um Strategien dafür zu optimieren, wird sich dies auf die Leistung Ihres ganzen Unternehmens auswirken.

Auch wenn es kein Patentrezept gibt, seien Sie offen für eigene und die Lernkurven anderer, um den stetigen Anpassungen und Neuausrichtungen dieser flexiblen neuen Arbeitswelt aktiv zu begegnen!

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