Persilschein für Internet-Kunden

27.04.2000
Nächster Schlag gegen Fachhändler und Internet-Shops.

Ab Juni brechen wieder härtere Zeiten im Internet an. Online-Einkäufe werden dann von einer EG-Richtlinie aus dem letzten Jahrtausend geregelt. Vor drei Jahren wollten die Obereuropäer den Verbraucher vor Telefonverkäufern, dubiosen Katalogversendern, der Gewinnspielmafia und Drückerkolonnen schützen und forderten die Mitgliedstaaten zur Umsetzung auf. Herausgekommen ist das neue Fernabsatzgesetz vom 13. April 2000, das ausdrücklich den Online-Handel mit einschließt. Nichts spricht gegen Regelungen für Rücksendekosten bei ungewollter oder Falschlieferung, aber ein Widerrufsrecht von vier Monaten nach Lieferung von Waren oder Vertragsabschluss bei Dienstleistungen öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Die Befürchtung eines unverhältnismäßig großen Verlustrisikos haben vor allem die kleinen Internet-Shops. Während beim Versandhaus X die reklamierte Kiste einfach in den nächsten Laster geschoben wird, muss der Minishop sehen, wo er bleibt. Beispielsweise kreiere ich für einen Unternehmensgründer eine Internet-Präsenz mit allem Schnickschnack, und nach knapp zwei Wochen Arbeit hat er keine Lust mehr und widerruft den Auftrag. Wer kommt für den Schaden auf? Andererseits, wenn wir warten wollten, bis die Widerspruchsfrist vorüber ist, wer kauft dann noch. Und wo soll da die Förderung des E-Business sein? Wer im Web verkauft, spielt ab Juni mit seiner Existenz. Schon jetzt wundern sich die großen Versandhäuser über den hohen Rücklauf von Brautkleidern und anderer Festkleidung. Na klar, bestellen, heiraten, zurückgeben, billiger geht es wirklich nicht, denn nach dem neuen Fernab-aller-Realität-Gesetz muss für die Rücksendung auch noch der Verkäufer zahlen. Tolles Gesetz, wenn man kein Händler ist. Telearbeit wird zum Va-banque-Spiel, E-Dienstleister wie Webdesigner, Werbetexter oder andere freie Webworker müssen hoffen und bangen, dass der Kunde willig bleibt. Dagegen hilft entweder eine gute Versicherung, wenn es eine gegen stornierte Aufträge gibt, oder Kaufverträge nur im Laden abzuschließen. Letzteres würde zwar uns Fachhändlern helfen, doch wenn Sie per Versandkauf mehr Rechte erhalten als im Geschäft um die Ecke, wo würden Sie kaufen? Jedenfalls sehen die Gartner Group und auch Forrester Research schon das Ende der meisten Online-Händler kommen, dabei ging es noch gar nicht richtig los, und die Auswirkungen des Gesetzes sind bestimmt noch nicht berücksichtigt. Für uns heißt es: warm anziehen!

Mein Fazit: Pacta sunt servanta, wer bestellt, bezahlt, nur noch Floskeln aus einer Zeit, in der Strom noch keine Farbe hatte und ein Geschäft ein Geschäft war.

Bis demnächst, Euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist ein Fachhändler aus Rheinland-Pfalz.

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