"Personal als strategischer Erfolgsfaktor"

17.02.2000
Weil Systemhäuser mit dem reinen Produktverkauf keinen Blumentopf mehr gewinnen können, sind hochqualifizierte Spezialisten für sie ein Schlüssel- faktor für den Erfolg, meint Joachim August*.

Lassen mich mit folgender kurzen Geschichte beginnen: In einem Wald fällen zwei Arbeiter Bäume. Der Waldbesitzer kommt vorbei und erkennt schon aus großer Entfernung, dass seine Arbeiter sich mächtig ins Zeug legen. Als er näher kommt, bemerkt er jedoch, dass die Arbeit nur sehr langsam vorangeht, weil die Säge total stumpf ist. Natürlich fragt er die beiden Arbeiter, warum sie die Säge nicht schärfen. Die Arbeiter antworten, dass sie dafür nun wirklich keine Zeit hätten, schließlich seien noch so viele Bäume zu fällen.

Ich meine, dass man mit diesem Beispiel die Zustände in vielen Unternehmen unserer Branche und hier besonders im Bereich der Personalarbeit darstellen kann. Viel Wald, aber oft nicht das richtige Werkzeug, um schnell vorangehen zu können.

Das Thema Erfolg findet sich in der Überschrift zu diesem Vortrag - deshalb lassen Sie mich zum Thema Erfolg kurz etwas von unserem Unternehmen erzählen. Es wurde vor etwas mehr als zehn Jahren gegründet, heute machen wir fast 600 Millionen Mark Umsatz und haben rund 1.350 Mitarbeiter. Da wir gleichzeitig profitabel sind, glaube ich, dass man hier durchaus von Erfolg sprechen darf.

Woher kommt dieser Erfolg? Obwohl ich selber nicht für Personal, sondern für den Vertrieb verantwortlich bin, habe ich fast täglich mit dem Thema Personal zu tun. Bei uns gilt bei Einstellungen das Vier-Augen-Prinzip, und so bin ich bei einer Personaleinstellungsrate von zur Zeit etwa 30 Einstellungen pro Monat und gleichzeitig zirka zehn Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen, auch mit diesem Thema gut beschäftigt.

Dienstleistung und Weiterentwicklung

Warum ist die Entwicklung der Dienstleistungsfähigkeit und die permanente Weiterentwicklung so schrecklich anstrengend und dennoch überlebensnotwendig?

Das globale Dorf wird Realität, und wir bei ADA - wie auch viele andere - wissen, dass man mit den von uns vertriebenen Produkten allein keinen Blumentopf mehr verdienen kann, sondern nur mit den Dienstleistungen um das Produkt herum. Aber genau mit diesen Leistungen um das Produkt ergeben sich viele Geschäftsmöglichkeiten, mit denen wir als ADA weiter wachsen wollen.

Die Welt ändert sich rasant. Bevor das Internet sich verbreitete, war die Welt für den Handel einfacher, ertragreicher und auf jeden Fall ganz anders. Von der Produktion ging die Ware in den Großhandel, von dort zum Einzelhandel, dann in die Präsentation, den Verkauf und die Verteilung hin zum Kunden, jede Handelsstufe verdiente am Produkt. Internet und E-Commerce verändern diesen vereinfacht beschriebenen Prozess, der Umsatz im Internet steigt stetig, die Verteilung wird von großen Logistikunternehmen übernommen werden, Handelsmargen fallen einfach weg.

Heute können Sie Bestellungen daheim von Ihrem Arbeitszimmer aufgeben, morgen werden Sie überall Points of Sales finden, in Ihrem Handy, dem Palmtop oder an der Bushaltestelle, eben da, wo Sie sich gerade aufhalten. Es wird eine totale Integration der Medien geben, Film, Fernsehen, Internet wachsen zusammen. Bei Werbesendungen werden Sie einfach auf das Produkt klicken, das Sie haben möchten, damit sich dann ein Bestellfenster öffnet. Spätestens 24 Stunden später haben Sie dann Ihr Produkt in den Händen, egal von welchem Erdteil sie es bestellt haben.

Nun werden Sie vielleicht einwenden: Das ist doch nur Business to Consumer, was interessiert uns das schon? Aber dieses Verhalten wird auf das Business-to-Business-Geschäft abfärben. Wer zu Hause so einfach beschaffen kann, wird dies im Business-to-Business-Bereich erst recht fordern. Wer überhaupt noch Produkte vermarkten will, wird sich diesem veränderten Käuferverhalten anpassen müssen. Die Prozesse müssen darum einfacher werden, so wie es vom Consumer-Markt verlangt wird.

Neue Dienstleistungen sind gefragt

Wenn Sie aber mit Dienstleistungen am oder um das Produkt Geld verdienen wollen, so müssen Sie diese aktiv suchen, Sie müssen die Leistungen aufspüren, die der Kunde nicht leisten will oder nicht leisten kann.

Ein Beispiel aus unserer Praxis. Lizenz-Management bei den großen Software-Herstellern ist schrecklich, schrecklich komplex. Microsoft zum Beispiel hat für zirka 40 Produkte 650 Lizenzvarianten. Hier ist Beratung nötig, damit der Kunde die richtige Lizenz erwirbt. Allein das Produktnutzungsrecht, wieder im Fall Microsoft, ist 25 Seiten stark. Das werden die wenigsten Kunden durchlesen, Sie aber können den Kunden beraten, um dann gemeinsam mit dem Hersteller die lizenztechnisch günstigste Lösungen zu suchen. Darüber hinaus sind Lizenzierungsprozesse oft langwierig und nur mit Spezialisten durchführbar. Auch hier bieten sich Dienstleistungs- und Beratungsmöglichkeiten.

Sie könnten zum Beispiel ein Lizenzkataster anbieten, um bei jedem geplanten Neuerwerb einer Lizenz zu überprüfen, ob der Kunde nicht schon irgendwo in seinem Unternehmen über ein Update-fähiges Produkt verfügt. Natürlich brauchen Sie für den Aufbau einer solchen Leistung hochqualifizierte Mitarbeiter. Asset-Verwaltung ist ein weiteres Beispiel für eine "neue" Dienstleistung. Wir sehen häufig, dass großen Endanwendern die Zuordnung von Räumen, Gebäuden, ihren Menschen und der dazugehörigen Hard und Software in ausreichender Genauigkeit schwer fällt. Mit "ausreichender Genauigkeit" meine ich: so genau, dass aus dieser Kenntnis heraus alle betriebswirtschaftlich notwendigen Entscheidungen ableitbar wären. Hier können Sie viele Aufgaben übernehmen und wieder Dienstleistungsumsätze generieren. Wenn Sie das Vertrauen des Kunden gewonnen haben und die Asset-Pflege übernehmen, dann können Sie Prozessketten beschreiben und diese in Ihre Liefer- und Serviceprozesse integrieren. Viele Unternehmen haben im Bereich der Asset-Verwaltung EDV-Systeme, die keine Bewegungsdaten kennen, Sie sollten eines haben, wenn Sie sich ernsthaft mit einer solchen Dienstleistung beschäftigen wollen.

Entsprechendes Personal erforderlich

Um solche Services anbieten zu können, brauchen wir hochqualifizierte Mitarbeiter. Für die Lizenzfragen haben wir zum Beispiel einen Mitarbeiter gewonnen, der nach seinem Studium rund zehn Jahre in leitender Position in der Logistik einer unserer Mitbewerber tätig war.

Wenn Sie Dienstleister sind oder werden wollen, wird sich Ihr Erfolg über Ihr Personal entscheiden. Ich denke, wir alle haben früher und heute mit relativ vielen Menschen mittlerer Qualifikation gearbeitet, wirkliche Spezialisten waren nur wenige an Bord. Dieser Trend wird sich, so glaube ich, allgemein in der Wirtschaft wenden. Dazu wieder einige einfach nachvollziehbare Beispiele:

Bei McDonald’s reduziert sich der Kochvorgang auf das Einsperren einer Bullette zwischen zwei heiße Blechscheiben. Ein simpler Vorgang, der von ungelernten Mitarbeitern nach wenigen Minuten Einweisung beherrscht wird. Auf der anderen Seite gibt es sicher in diesem Unternehmen extrem qualifizierte Mitarbeiter, zum Beispiel im Marketing und in der Logistik. Das Unternehmen ist damit sehr erfolgreich.

Ein anderes Beispiel aus Service und Installation in unserem Haus: Wir haben für die vielen tausend PCs, die wir jedes Jahr für unsere Kunden installieren, natürlich Installationsroutinen entwickelt, um die Software kundenspezifisch, einfach und schnell auf die Maschinen zu bringen. Für die Erstellung dieser Installationsroutinen brauchen wir extreme Spezialisten, die Masse der Installationen kann nun von wenigen hochqualifizierten Technikern durchgeführt werden. Den normalen Techniker finden Sie in diesem Bereich nur noch bei den individuell konfigurierten Systemen.

Thema Service: Wir pflegen für die Versicherungsgruppe Victoria heute etwa 16.000 PCs und Server, die über ganz Deutschland verteilt sind. Kontrolle der Hardware und Update der Software machen wir hauptsächlich über den Draht. Wenn es im Bayerischen Wald ein Problem mit einem Rechner gibt, schalten wir uns erst einmal re-mote auf die Maschine und sehen, ob es sich nicht um einen Anwenderfehler handelt oder ob das Problem remote gelöst werden kann. Erst wenn wir so nicht weiterkommen, fährt jemand raus und sieht sich das Problem vor Ort an.

Ein weiteres Beispiel aus dem Leben: Ich bin mir nicht sicher, ob so viele Damen am Sparkassen-Schalter in Zukunft noch notwendig sein werden, die den Kunden beim Ausfüllen der Überweisungsformulare helfen. Ich glaube, man wird dies im Internet-Zeitalter nicht bezahlen können, jedenfalls nicht, wenn sie zuvor dreieinhalb Jahre dafür ausgebildet wurden.

Sie erkennen aus diesen wenigen Beispielen, dass der Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitern erheblich zunehmen wird, weil hinter jeder Automatisierung, Standardisierung und Rationalisierung hochqualifizierte Menschen stehen, die diese umsetzen müssen. Auf der anderen Seite wird der Bedarf an mittelqualifizierten Mitarbeitern abnehmen. Für einfache Tätigkeiten wird es bei entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen genügend Nachfrage gerade in der Dienstleistung geben.

Wenn Sie nun bei sich vermuten sollten, dass Sie zu viele mittelqualifizierte Leute beschäftigen, dann müssen Sie überlegen, wie Sie Ihre eigene Nachfrage nach hochqualifizierte Menschen bedienen können. Nach dem Jahr-2000-Problem und der endgültigen Euro-Umstellung werden viele neue Projekte angefangen werden, die momentan noch auf Eis liegen. Es wird einen Run auf hochspezialisierte Mitarbeiter geben, die Lage auf dem Personalmarkt wird sich nicht entspannen, sondern zuspitzen. Ich bin Vertriebler wie viele von Ihnen und kann nur Ihnen nur empfehlen: Machen Sie Personalpolitik genauso intensiv wie Vertrieb. Wenn Sie Dienstleister sind, wird sich der Erfolg über das Personal entscheiden. Nichts ist teurer als ein Personalwechsel. Halten Sie Ihr Personal, sondieren Sie, welche Ausbildungsmaßnahme wer benötigt und bei wem sie Sinn macht.

Ausbildungs-Investitionen sind leider nicht gesichert, wie die Anschaffung einer neuen Maschine, aber trotzdem müssen Sie Ihre vorhandenen Menschen ausbilden. Wir überlegen zur Zeit, ob wir die hochqualifizierten Mitarbeiter für jede Ausbildungsminute extra bezahlen. Das Geld kommt auf ein Sperrkonto, das erst nach drei Jahren zugänglich ist.

Neues Personal schon an der Uni abholen

Wenn Sie sich nicht frühzeitig um Hochschulabgänger kümmern, werden Sie keine mehr bekommen, die Sie einstellen können. Wir probieren es mit Werkstudenten, bieten Praktikumsstellen, Ferienjobs und freies Surfen über das hauseigene Netz. Wir bemühen uns um Diplomarbeiten und stellen schon während dieser Phase ein. Seien Sie insbesondere hier offen für neue Lösungen.

Mein Fazit am Beispiel der eingangs erwähnten Waldarbeiter: Waldbesitzer (Unternehmer), die keine Bäume aus dem Wald bekommen, gehen pleite. Waldarbeiter (Manager), die ihre Säge nicht schärfen (Personal nicht strategisch sehen), haben ihren Job nicht verstanden. Sägen (Mitarbeiter), die sich nicht schärfen lassen, braucht man nicht. Ob man allerdings aus alten Sägen neue machen kann, ist eine Frage des Grundmaterials und der vorhandenen Alternative.

Allen, die Personal nicht als strategischen Erfolgsfaktor ansehen, wünsche ich jemanden, der ihnen den Wald abkauft oder professionell bewirtschaftet oder soviel Geschäft in der Vergangenheit, dass sie ihren Wald in Ruhe genießen können.

*Joachim August ist geschäftsführender Gesellschafter der ADA IT-Management GmbH in Willich. Beim vorliegenden Text handelt es sich um die vom Autor überarbeitete Fassung eines Vortrages, den er auf der 23. Arbeitstagung des "Forum Bürowirtschaft" Anfang September 1999 in Wiesbaden gehalten hat.

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