Pinguine mutieren nicht

14.12.2000

Die bunte Vielfalt an Server-Betriebssystemen im Entry- und Midrange-Bereich gehört der Vergangenheit an. Der schleichende Niedergang von SGI und deren Unix-Derivats Irix, IBMs neue Liebe zu Linux sowie die sinkenden Marktanteile von Novells Netware sind nur einige Indizien dafür. Wohl gemerkt ist hier nicht die Rede von Highend-Systemen, wo IBMs und HPs Unix-Derivate noch eine bedeutende Rolle spielen, ansonsten hält auch in diesem Marktsegment Suns Solaris - mit einem 27-Prozent-Anteil allerdings recht knapp - die Führung inne.

In den Entry-Markt drängt dafür Linux auf die Unternehmensserver. Erst nur im Testbetrieb als Webserver-Plattform eingesetzt, entwickelt sich dieses noch junge Betriebssystem zu einer ernst zu nehmenden Alternative zu Windows NT/2000. Das hat auch Microsoft erkannt und in diversen Zeitschriften "lustige" Anzeigen mit mutierten Pinguinen veröffentlicht. Dabei müssten die Redmonder eigentlich wissen, dass die unterschiedlichen Linux-Distributionen (hierfür stehen die genetisch veränderten Pinguine) keinesfalls so unterschiedlich sind. Alle gängigen Linuxe beruhen nämlich auf dem gleichen Kernel und unterstützen deshalb auch die gleichen Anwendungen. Wenn Hersteller behaupten, ihr Programm laufe unter Red Hat Linux, so meinen sie damit, es unter dieser Distribution getestet zu haben. Natürlich werkeln diese Anwendungen unter der Oberaufsicht von Suses Linux genauso gut.

Im mittleren Server-Segment bleibt also nur die Entscheidung zwischen Windows, Linux und Solaris. Will ein Systemhaus auf Nummer sicher gehen, wählt es Solaris. Möchte der Kunde Lizenzkosten sparen, greift er auf Linux zurück oder bleibt auch am Server Microsoft treu. Sonstige Plattformen werden hier erst gar nicht nachgefragt, viele Kunden migrieren gar, etwa von HP-UX auf Linux.

Man mag dies bedauern, aber die Vorteile einer eingeschränkten Auswahl bei Server-Plattformen überwiegen eindeutig. Das ist zum einen gut für die Software-Hersteller: Sie müssen nur noch zwei bis drei Versionen ihrer Anwendungen für den Server entwickeln. Ferner brauchen sie sich nicht mit einem halben Dutzend unterschiedlicher Unix-Versionen herum zu plagen, sondern können sich statt dessen definitiv auf Linux und Solaris konzentrieren. Das gleiche gilt übrigens auch für die Systemhäuser: sie dürfen nun ihre gesamten Unix-Ressourcen auf die verbliebenen zwei Dialekte ausrichten - ohne die Gefahr, etwas zu versäumen.

Hierbei ist Microsofts neues Server-Zugpferd jedoch keinesfalls zu unterschätzen: Die Funktionalität des NT-Nachfolgers Windows 2000 lässt sich wirklich sehen. Experten loben dessen gegenüber NT um bis zu 20 Prozent gestiegene Stabilität und Performance, auch die Skalierbarkeit der neuen Microsoft-Plattform hat merklich zugenommen (siehe Artikel auf Seite 54).

Welches der beiden Lager, ob Windows oder Unix, schlussendlich die Nase vorne haben wird, hängt von vielen Faktoren ab. Endgültig durchsetzen wird sich das Server-Betriebssystem, das außer der selbstverständlichen Ausfallsicherheit und Leistungsfähigkeit auch die nötige Offenheit anderen Plattformen gegenüber zeigt, und nicht zu vergessen, auch die unterschiedlichen Client-Versionen entsprechend bedienen kann. Falls Windows 2000 hier nicht aufholt, wird es in ein paar Jahren die gerade gewonnenen Marktanteile wieder abgeben müssen.

Dr. Ronald Wiltscheck

rwiltscheck@computerpartner.de

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