Potenziale neuer Technologien nicht ausgeschöpft

19.02.2004
Deutschland schöpft in wichtigen Einsatzbereichen der Informationstechnik und Telekommunikation (ITK) sein Potenzial nicht aus. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Statusbericht "Daten zur Informationsgesellschaft" der Bitkom. Von ComputerPartner-Redakteurin Ulrike Goressen

"Zwar konnten in wichtigen Feldern wie Internetnutzung, Breitbandanschlüssen oder Mobilkommunikation starke Zuwächse erzielt werden. Andere Länder aber waren schneller. So ist Deutschland im internationalen Vergleich zurückgefallen", sagte Bitkom-Präsident Willi Berchtold anlässlich der Vorstellung der Studie "Daten zur Informationsgesellschaft".

Er appellierte an die politischen Entscheidungsträger, sich im Zuge der Innovationsoffensive mit der zentralen Rolle der ITK als Querschnittstechnologie für andere Industriebereiche stärker auseinander zu setzen. Mit rund 750.000 Beschäftigten (einschließlich Systemhäuser und Fachhändler) und 134 Milliarden Euro Umsatz gehöre die Branche zu den absoluten Leistungsträgern der deutschen Wirtschaft. Für 2004 gibt er jedoch nur eine Wachstumsprognose von zwei Prozent ab. Somit liegt Deutschland hinter Europa (drei Prozent) und der Welt (fünf Prozent). Für 2005 zielt Berchtold fünf Prozent an. Das sei auch die Schwelle, an der wieder Arbeitsplätze in der ITK-Branche geschaffen werden können.

Dieses Ziel sollte jedoch keineswegs über Subventionen erreicht werden. Vielmehr müsse man dafür sorgen, dass es keine zusätzlichen Belastungen gebe, wie Urheberabgaben auf Geräte, Einschränkungen des Verlustvortrags oder überzogene Sicherheitsauflagen im neuen TKG. Berchtold: "Die ITK-Branche lässt gerade den Konjunkturmotor wieder an. Wir dürfen ihn nicht abwürgen." Von der Cebit im März erwartet Berchtold einen zusätzlichen Schub.

Im vergangenen Jahr stieg in Deutschland die Zahl der Onliner um 4 Millionen auf 40 Millionen. Bis 2006 rechnet Bitkom mit einem weiteren Plus von zehn Millionen Nutzern. Die Zahl der Breitbandzugänge soll sich in diesem Zeitraum von heute 4,4 Millionen auf etwa 8 Millionen fast verdoppeln. Dabei dominiert die DSL-Technik. Internet-Zugänge über das TV-Kabel oder andere Verfahren bleiben eine Randerscheinung. Noch in den Kinderschuhen stecke die Verbreitung der WLAN-Zugänge: Bisher gibt es laut Berchtold 500 öffentliche Zugänge - vor allem in Hotels, an Bahnhöfen und Flughäfen. Europäischer Spitzenreiter dieser Zukunftstechnik ist Großbritannien mit bereits 3.000 öffentlichen WLAN-Zugängen. Diese Technologie sei vor allem für das mobile Computing wichtig.

Deutlich besser stellt sich die Situation im Mobilfunk dar. Fast 78 Prozent der Deutschen telefonieren bereits per Handy. Die Zahl der mobilen Anschlüsse ist inzwischen höher als die der Festnetzanschlüsse. Aber auch hier gäbe es noch Spielraum nach oben, wie Skandinavien zeigt: Dort telefonieren bis zu 95 Prozent der Menschen mobil. Für einen qualitativen Quantensprung würden die UMTS-Dienste sorgen.

Nach Bitkom-Ansicht hat sich der elektronische Handel kräftig entwickelt. Vergangenes Jahr wurden Waren und Dienstleistungen im Wert von 138 Milliarden Euro über das Internet umgesetzt. Hier hat Deutschland einen Marktanteil von fast 30 Prozent in Europa und ist so groß wie die Märkte von Frankreich und Italien zusammen.

Unbefriedigend ist dagegen aus Sicht von Berchtold immer noch die Situation an den Schulen. Im Schnitt müssen sich 14 Schüler an einem PC abwechseln, was Deutschland auf den zweitletzten Platz in Europa verweist. 25 deutsche Schüler müssen sich einen Internetanschluss teilen, während in dänischen Schulen für jeweils vier Schüler ein Anschluss zur Verfügung steht. Damit sind Schulen praktisch eine computerfreie Zone. "Einen solchen Mangel kann sich eine Wissensgesellschaft nicht erlauben, ohne die eigene Zukunft zu gefährden", beklagt Berchtold. Genauso wichtig sei auch die zeitgemäße Aus- und Weiterbildung der Lehrer: "Was nutzen moderne PCs, wenn deren Nutzungsmöglichkeiten im Unterricht nicht voll ausgeschöpft werden können?"

Insgesamt gaben Bund, Länder und Kommunen im Jahr 2003 knapp 43 Milliarden Euro für die schulische Bildung aus - das sind nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Als weltweit drittgrößte Volkswirtschaft müsse Deutschland die Schlagzahl bei Investitionen in IT und Telekommunikation deutlich erhöhen. "Wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen, wenn wir unser Wohlstandsniveau halten wollen", warnt er. Informationstechnik und Telekommunikation seien Querschnittstechnologien, die unabdingbar sind für die Zukunftsfähigkeit des Landes.

Meinung der Redakteurin

Armes Deutschland. Das ehemalige Land der Denker verkommt zu einem Mitläufer in Sachen IT. Es ist richtig, dass dem absteigenden Trend entgegengetreten werden muss, jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit. Die Hersteller müssen vielmehr Produkte anbieten, die sich den Bedürfnissen der Anwender unterordnen. IT und TK haben keinen Selbstzweck, sie sind vielmehr ein Mittel zum Zweck. Und dieser heißt Wirtschaftsaufschwung.

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