Problem für IT-Aktien liegt eher in der überbordenden Spekulation

13.04.2000
Am Neuen Markt und an der Nasdaq brechen die Kurse ein. Den Neuen scheint die Puste auszugehen, zumindest flacht ihr Aufschwung ab. Geht die Hausse der New-Economy-Papiere zu Ende? Einfach mit ja oder nein beantworten lässt sich die Frage nicht so leicht.

Ganz so neu ist die "Zweiteilung" in Wachstums- und traditionelle Börsenpapiere nicht. Bereits 1972/73 und Mitte der achtziger Jahre galt die hohe Bewertung der damaligen Technologie-Highflyer als nicht so wichtig, weil das rasche Wachstum fast jeden Ansatz rechtfertigte. Allerdings zeigt der Vergleich mit damals auch eine andere Parallele. Die Stars aus der Zeit vor 25 und 15 Jahren kamen noch einige Zeit auf deutlich stärkere Plusraten als der Rest des Marktes - also der "alten" Industrieaktien. Dann reduzierten sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) jedoch vielfach auf weniger als ein Fünftel der vorherigen Kennzahlen. Auf jetzige Nasdaq- und Neuer-Markt-Verhältnisse übertragen, bedeutet dies KGVs von 70 statt 350 wie derzeit. Zwar sind die Rahmenbedingungen von früher mit den heutigen kaum vergleichbar. Doch dürften die Beispiele aufzeigen, dass "eine Neubewertung von Wachstumstiteln im Zuge eines Technologieschubs nicht zum ersten Mal geschieht und zumeist nicht von Dauer ist", wie die BHF-Bank in Frankfurt kürzlich ausführte (www.bhf.bank.com).

Schwerer Kater nach spektakulärer Orgie

Mitte der achtziger Jahre bescheinigte das bei Technologie-Emissionen führende US-Investmenthaus Halmbrecht & Quist der US-Computerindustrie "einen schweren Kater nach einer spektakulären Orgie". Von 3.000 in den Jahren zuvor neu gegründeten Firmen waren nur wenige hundert übriggeblieben. Damalige Stars wie Wang, Commodore und Control Data verschwanden später von der Bildfläche. Andererseits kostete die Microsoft-Aktie damals zehn Cent, heute 100 Dollar.

Außerdem wachsen New und Old Economy zusammen. Internet und klassische Industrien gehen aufeinander zu. Die größte Fusion bisher - die von AOL und Time Warner - ist Beleg dafür. Der Schwenk der Deutschen Bank in Richtung Internet oder der Aufbau eines globalen Internet-Marktplatzes für die Automobilbranche unter der Führung von Daimler Chrysler zeigen deutlich, dass die großen Alten noch lange nicht abgeschrieben sind. Zwischen Alt und Neu findet ein "Differenzausgleich" statt.

Gegenwärtig fürchten viele Experten, dass das Umfeld steigender Zinsen die Technologiepapiere "auszehren" werde. Andere Einwände: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Februar meinte die Expertin der US-Investmentbank Morgan Stanley: "Viele werden ihr Geld verlieren. 70 Prozent aller Neuemissionen landen eines Tages unter ihrem Ausgabepreis." 90 Prozent aller Internet-Werte seien an den Börsen überbewertet. Das hohe Emissionsvolumen an den Wachstumsbörsen führt dort immer wieder zu erheblichen "Verstopfungen". Davon ist der deutsche Neue Markt bedroht. Obendrein werden laut einer Umfrage des Forschungsinstituts Gallup bei 251 Fondsmanagern, die insgesamt 9,7 Billionen Dollar verwalten und den Technologiebereich derzeit noch übergewichten, die hohen Bestände an IT-Papieren im Laufe der Zeit eher abgebaut. Erst dieser Tage publizierte das angesehene US-Anlegermagazin "Barron’s" eine Liste von Internet-Firmen, denen demnächst das Geld ausgehen könnte.

Die riesigen Profite mit IT-Aktien sind Ausdruck der dynamischen New Economy mit dem Internet als globale Plattform. Ob die gegenläufige Entwicklung von Dauer ist, bleibt indessen abzuwarten. Eigentlich steht schon lange fest, dass die virtuellen oder TMT-Papiere (Telekommunikation, Medien, Technologie) viel zu teuer geworden sind. Zu Höchstkursen vor ein paar Wochen betrug der Börsenwert (Anzahl der Aktien multipliziert mit aktuellem Börsenkurs) des Internet-Providers und Online-Merchant Yahoo mehr als der der "Alten" BASF, Metro, Lufthansa, VW und Veba zusammen. Solche Relationen werden neuerdings immer öfter als "absurd" bezeichnet. Aber noch ist es nicht so weit. In der gegenwärtigen "Sektor-Rotation" hielten sich die großen Unternehmen mit Substanz recht gut oder kletterten sogar auf neue Höchstkurse (IBM, Microsoft, Dell, Seagate, Intel, Hewlett-Packard). Der ASE-Internet-Index (American Stock Exchange) behauptete sein Niveau. Die Computerpapiere sind also keineswegs jetzt plötzlich ganz out. In die aggressiven Aktienwachstumsfonds floss allein im Februar die Rekordsumme von 28,1 Milliarden Dollar.

Dass die vielfältigen und ergiebigen Anlagesektoren Hardware, Software, Chips, Internet/Multimedia/Telekommunikation von heute auf morgen ihre große Anziehungskraft verlieren, ist äußerst unwahrscheinlich. Noch über Jahre hinaus werden die Bereiche überdurchschnittlich wachsen. Das Problem für IT-Aktien liegt eher in der überbordenden Spekulation. Unter diesem Aspekt besteht immer wieder die Gefahr einer massiven Kurskorrektur. (kk)

Zur Startseite