Programmierleistungen: Werkvertrag oder Dienstvertrag?

24.04.1998

HAMBURG: In der Praxis ist immer wieder von Bedeutung, welche Rechtsnormen zur Lösung von Streitigkeiten im Rahmen der Erstellung von Software Anwendung finden. Dabei kommen neben den werkvertraglichen Regelungen die Bestimmungen des Dienstvertrags in Betracht.Der grundsätzliche Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen ist die Erfolgshaftung. Während der Werkunternehmer für den Erfolg seiner Leistungen - unabhängig vom Verschulden - gerade stehen muß, haftet der Dienstleister lediglich für verschuldete Fehlleistungen.

Grundsätzliches Abgrenzungskriterium ist, daß sich EDV-Anbieter und Kunde über die Erbringung einer bestimmten Software einigen und diese mehr oder minder genau spezifizieren. Hier schuldet der EDV-Anbieter einen bestimmten Erfolg, so daß "Werkvertragsrecht" mit seinen Bestimmungen zur kostenlosen Mängelbeseitigung Anwendung findet. Werden lediglich Programmierarbeiten und keine individuellen Programme geschuldet, findet mangels Erfolgsorientierung "Dienstvertragsrecht" Anwendung. Dieser Unterschied ist wesentlich.

Voraussetzungen für das Werkvertragsrecht

Da im Wege der Auslegung entschieden wird, welche Vertragsart vorliegt, muß - um Werkvertragsrecht herbeizuführen - im Vertrag genau beschrieben werden, welchen Inhalt die zu erstellende Software haben soll. Ansonsten kann der geschuldete Erfolg nicht nachvollzogen werden. Der EDV-Anbieter wird im Zweifel nicht für einen ausbleibenden Erfolg haftbar gemacht werden können.

Sofern die Parteien die Erbringung einer Individualsoftware mit einem entsprechenden Erfolg vereinbaren möchten, sollte der Leistungsumfang der Software in einem Pflichtenheft genau dokumentiert werden. Diese Erstellung des Pflichtenhefts sollte von den Vertragsparteien gemeinsam durchgeführt werden. Wichtig ist, in diesem Pflichtenheft festzulegen, wer beim Auftreten von Problemen was zu tun hat.

Sofern der Auftragnehmer im vorhinein nicht erkennbare Probleme zu beseitigen hat, sollte bereits im Vertrag bei erheblichem Zusatzaufwand eine gesonderte Vergütung vereinbart werden.

Fehlerhaft oder nicht: Das Pflichtenheft ist maßgebend

Ist Werkvertragsrecht vereinbart und treten Mängel auf, können dem Kunden Mängelbeseitigungs- beziehungsweise Gewährleistungsansprüche zustehen.

Entschieden wird die Frage der Fehlerhaftigkeit unter Einbeziehung des Pflichtenhefts. Maßgebend ist, ob die Ist-Beschaffenheit des Programms von der Soll-Beschaffenheit nach dem Pflichtenheft negativ abweicht.

Findet eine Beschaffenheitsdarstellung im Pflichtenheft nicht statt, ist es erforderlich, daß das Programm nach dem jeweiligen Stand der Technik um gewöhnlichen Gebrauch vergleichbarer Programme geeignet ist. Der Softwarehersteller schuldet insofern Software mittlerer Art und Güte.

Wird festgestellt, daß die Software mangelhaft ist, steht dem Kunden ein Nachbesserungs- beziehungsweise ein Wandelungs- oder Minderungsanspruch zu.

EDV-Anbieter: Benutzerdokumentation ist ein Muß

Neben der Individualsoftware hat der EDV-Anbieter dem Kunden eine vollständige Benutzerdokumentation zu liefern. Nach einer Entscheidung des OLG Hamm muß die Benutzerdokumentation so beschaffen sein, daß sie vom Auftragnehmer und dessen Personal mit dessen EDV-Kenntnissen und einer gegebenenfalls spezifischen Systemschulung verstanden werden kann. Das Fehlen der Benutzerdokumentation hat weitreichende Folgen. Da die Dokumentation als Hauptleistungspflicht gilt, können im Falle ihres Fehlens weder eine Abnahme der gesamten Software erfolgen, noch treten die Verjährungsfristen für die Gewährleistung ein. Auch die Vergütung wird mangels Abnahme nicht fällig.

Der Quellcode ist grundsätzlich nur im Fall der besonderen Vereinbarung zu übergeben. Etwas anderes kann gelten, wenn der EDV-Anbieter dem Kunden sämtliche Rechte am Programm überträgt.

Dr. Stefanie Müller ist Rechtsanwältin der Kanzlei Schubert & Dr. Müller in Hamburg

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