Prüfungspflicht für gelieferte Ware

15.04.1999

HAMBURG: Nicht selten kommt mit der Warenlieferung der Fehlerteufel gleich mit ins Haus. Dieser kann allerdings schnell wieder ausgetrieben werden, wenn Kunden unverzüglich ihrer Verpflichtung, gelieferte Ware genau unter die Lupe zu nehmen, nachkommen. Zu große Lässigkeit kann dabei ins Geld gehen, wie ein Fall aus der Praxis zeigt.An einen Händler wurden 20.000 Disketten geliefert. Kaufpreis: 15.617 Mark. Nach der Lieferung an den Kunden, einen Großabnehmer, stellte sich allerdings heraus, daß ein großer Teil der Disketten fehlerhaft war. Der Händler forderte daraufhin sein Geld zurück. Doch daraus wurde nichts. Nach Paragraph 377 Absatz 2 HGB hatte er nämlich bereits seine kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche verloren. Begründung: Er hat es versäumt, die Ware unverzüglich auf Mängel zu untersuchen, wie es in Absatz 1 des Paragraphen gefordert wird. Die fehlerhafte Ware wurde deshalb erst sechs Wochen nach der Auslieferung beanstandet. Zu spät, wie sich herausstellte. Die gesetzesmäßige Frist war bereits überschritten.

Lieferungen sofort auf Mängel untersuchen

Eine verspätete Mängelrüge unter Kaufleuten hat zur Folge, daß nach Paragraph 377 Absatz 2 HGB die Lieferung als genehmigt gilt und Gewährleistungsansprüche damit ausgeschlossen sind.

Diese Bestimmungen des Handelsgesetzbuches werden nur dann unwirksam, wenn es sich bei fehlerhafter Ware - die Disketten waren zum Teil nicht lesbar - nicht um "offene" Mängel handelt. Dazu zählen zum einen Mängel, die bei der Auslieferung offen zu Tage treten, zum anderen Bugs, die der Käufer erst nach ordnungsgemäßer Überprüfung der Ware entdecken kann.

Wären bei den Disketten Stichproben in ausreichendem Umfang vorgenommen worden, wäre der Produktfehler sofort zu Tage getreten. Als ein Sachverständiger später die Diskettenlieferung überprüfte, stellte er erhebliche Fehlerquoten in verschiedenen Losen fest. Dem Händler waren diese Fehler jedoch verborgen geblieben, da er nur 15 bis 20 Disketten getestet hatte. Diese Anzahl an Stichproben reicht allerdings nicht aus und ist nur wenig aussagekräftig. Bei Massensendungen wie Disketten erfüllt ein Kunde seine Verpflichtung zur Überprüfung gelieferter Ware nur, wenn die Stichproben repräsentativ, das heißt, ausreichend auf die Gesamtstückzahl verteilt sind.

Die Frage, wie viele Stichproben zu machen sind, läßt sich jedoch nicht generell beantworten, sondern hängt jeweils vom Einzelfall ab. Führen allerdings bereits einzelne Stichproben zu dem Ergebnis, daß die Ware fehlerhaft und deshalb unverkäuflich ist, muß nicht die gesamte Lieferung untersucht werden.

Von dieser Befürchtung mußte allerdings im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Um ein repräsentatives Ergebnis zu bekommen, ist es jedoch eindeutig zu wenig, bei einer Stückzahl von 20.000 Disketten nur 15 bis 20 Stichproben zu machen. Der Endabnehmer, der die Mängel schließlich entdeckte, unterzog seinerseits 200 Disketten einem Test. Im Verhältnis zur Gesamtstückzahl ist das ein angemessener Schnitt (Oberlandesgericht Köln, Aktenzeichen

19 U 185/97).

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