"Pssst ... - willst Du ein 'A' kaufen?"

14.03.2002
Eine Glosse von Tobias Groten*

Ich weiß nicht, warum ich schon als kleiner Junge so eine Abneigung gegen diesen Dealer hatte, der dem kleinen, unschuldigen Ernie von der Sesamstraße irgendwelche Buchstaben verhökern wollte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bis jetzt. Jetzt aber geht es auch dieser Spezies endlich an den Kragen.

Von wegen "ihhbääh"

Wenn Michael Jackson Geld braucht, geht er zu Sotheby's und versteigert zum Beispiel sein Sauerstoffzelt oder irgendwelche Körperteile, die er nicht mehr braucht. Versteigern ist die bessere Art des Verkaufens, denn im Rausch des Haben-Wollens überbieten sich übereifrige, minderbemittelte Bieter schon einmal selbst. Auch wenn sie sich dabei um Haus und Hof bringen. Im großen Stil haben wir das zuletzt bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen erleben dürfen.

Dank Internet kann heute jedermann all das versteigern, für das er selbst keine Verwendung mehr hat. Ob Schaukelstuhl oder Sofa, Boxershorts oder Büstenhalter: Alles findet man bei Ebay, Ricardo und Co. Und weil auf jeden Pott ein Deckel passt, ist das ein lukratives Geschäft für alle. Auch für Ebay selbst: 42,2 Millionen Menschen versetzten allein im vergangenen Quartal Waren im Wert von 2,7 Milliarden Dollar. Schon heute kommen die Jungs aus San José bei einem Gewinn von über 130 Millionen Dollar im Jahr 2001 vor Lachen kaum noch in den Schlaf. Da sag noch jemand, Dotcoms seien grundsätzlich eine Seifenblase.

Schrott wird flott

Man findet, was man sucht. Bis zur Sucht. Versteigern und Ersteigern ist längst zum Volkssport geworden, zum globalen Gambling. Aber die weltweiten Online-Marktplätze sind viel mehr als Spielerei und Hobby: Sie verändern die gesamte Volkswirtschaft. Schneller, als manche wahrhaben wollen. Heimlich, still und leise. Hallo wach!

Das Gute daran: Der Grüne Punkt ist ernsthaft in Gefahr. Stellte man sich bislang noch die Frage, ob der alte Flötenkessel auf den Schrottplatz oder in den Restmüll gehört, ist der Fall heute glasklar: Ins Ebay mit dem Ding! Das schont die Umwelt und füllt den eigenen Geldbeutel. Man kann es sogar sehen: Wann haben wir zuletzt Sperrmüll auf den Gehsteigen gesehen? Bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn wenn nichts mehr weggeworfen wird, sondern selbst ein alter Kochtopf sieben Leben entwickelt, wird kaum noch etwas neu gekauft. Wenn nichts mehr neu gekauft wird, wird nichts mehr produziert.

Tod eines Handlungsreisenden

Aber es ist noch komplizierter: Denn wenn Privatleute untereinander Geschäfte machen, dann heißt es für Finanzminister Eichel, dass er sich von der Mehrwertsteuer in Zukunft nicht mehr allzu viel versprechen sollte. Geschäfte zwischen Hans und Franz sind steuerfrei. "Hans im Pech" braucht also keinen Blauen Brief. Sondern eine E-Mail, die ihm mitteilt: Hier solltest Du Deine Steuerpolitik einmal an das wahre Leben anpassen.

Und es kommt noch schlimmer. Diesmal für den Arbeitsminister: Wenn Käufer und Verkäufer selbst zueinander finden, was passiert dann mit dem freundlichen Autoverkäufer von nebenan? Wer damals in der Schule nicht gut genug aufgepasst hat und deshalb seinen Lebensunterhalt damit verdient, Dinge zu verkaufen, von denen er keine Ahnung hat, muss sich was einfallen lassen. "Im Handel liegt der Segen", erklärten uns unsere Eltern. Unseren Kindern sollten wir sagen: "Im Handel gibt's bald Regen".

"A" wie Arbeitsamt

Angebot und Nachfrage aber spielen nicht nur beim Handel von Waren eine Rolle: Auch das Vermitteln von Arbeitsplätzen ist im Grunde nichts anderes; Es gibt Menschen, die suchen einen Job. Und hoffentlich auch Unternehmen, die Arbeitsplätze bieten. Es gilt also nur, diese beiden Parteien zu verbinden. Auf einem Online-Marktplatz zum Beispiel.

Aber warum nur will Vater Staat das Monopol der Arbeitsvermittlung nicht wirklich vollkommen freigeben? Weil es dann keine klaren Statistiken mehr gibt, die man manipulieren und "saisonbereinigen" kann? Oder weil unsere Politiker über mehr Weitsicht verfügen, als wir bislang glaubten: Haben sie etwa gesehen, dass dann eine weitere Berufsgruppe auf der Straße steht: die Arbeitsvermittler?

*Tobias Groten ist Gründer und Vorstand der Tobit Software AG in Ahaus.

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