Querschläger!

30.09.1999

Transportschiffe im Packeis steckengeblieben?

Eigentlich sollte es die immer wieder auflockernde, halbseidene und profitmäßige Preisregulierung werden, als neulich das Speicherkartell eine Produktionsverminderung vereinbarte. Die Speichermafia jubelte nicht schlecht bei den ersten Anzeichen steigender Preise, und Händler wie unsereins wurden mit Faxangeboten zugemüllt, gerade so als würde Arbeitsspeicher demnächst indiziert. Nachdem Lagerhaltung und Hämorrhoiden gleichermaßen in der Gunst des gewöhnlichen Kleinhändlers stehen, sind - Erfahrungswerte vorausgesetzt - solche Offerten zu entsorgen, da selten so gelogen wird wie im IT-Handel und der Politik. Ich erinnere an die Monitorkrise, als allen Ernstes durch namhafte Hersteller verbreitet wurde, Transportschiffe aus Taiwan und Japan seien im Packeis steckengeblieben. Bei Grafikkarten (Voodoo-Syndrom) war einmal der Zoll daran schuld, daß wochenlang nichts verfügbar schien, und bei der angeblichen Displayknappheit vermuten Insider schon die Aldi-Brüder als Drahtzieher, die gerüchteweise mit einem Billigangebot im November Deutschland überschwemmen wollen. Ein namhafter Speicherspezialist verschickte endlich die Erklärungen für die Verdreifachung der Preise. Außer Geldgier wäre da noch ein Stromausfall, der dem Händler mit den teuren Merkern das Geschäft versaute. Und jetzt auch noch das Erdbeben. So kurz vor der Weihnachtsorderzeit.

Wer die Speicherfirmen kennt, kann sich vorstellen, daß es Prozente nur gegen längerfristige Abnahmeverträge gibt und Großabnehmer auf Preissicherheit bestehen. Während also unsereiner die Mondpreise für Arbeitsspeicher bezahlt, decken die Speicherdistis damit ihre Verluste gegenüber ihren Vertragspartnern ab, ob nun rot oder gelb ist egal, wir zahlen. Zu weit hergeholt, meinen Sie, dann warten Sie mal auf die Kunden, die sich auf Ihr Angebot von letzter Woche beziehen und nun zehn Kisten mit je 128 Megabyte bestellen, oder darauf, wie sich die Stadtverwaltung aufführt, wenn ihre Rechner nicht geliefert werden. Wen interessiert das Verlustgeschäft - pacta sunt servanta. Und das gilt seit den Römern. Mischkalkulation heißt, daß billig eingekaufter Lagerbestand überteuert verkauft wird, um eventuell teure Neueinkäufe zu rechtfertigen. Da aber auch die mit Gewinn gedreht werden, wird keiner der großen Importeure ins Trudeln geraten, außer er hat Verträge mit garantierten Preisen. Der mit den billigsten Rechnern im Programm hat daran verdient. Ein Lob an die Broadliner: Was noch da ist, wird zum alten Preis verkauft. Was bin ich froh, daß ich trotzdem keinen Lagerbestand habe, wenn in knapp hundert Tagen die Computer ihren Geist aufgeben, das Stromnetz wieder einmal zusammenbricht und noch mehr Menschen der Geldgier und Skrupellosigkeit ausgeliefert sind. Das wird eines der spannendsten Weihnachtsgeschäfte des Vorinformationszeitalters.

Mein Fazit: Das Ausnutzen von Naturkatastrophen zur Gewinnschöpfung paßt nicht nur zu unserer Branche, sie lebt geradezu davon.

Bis demnächst, Euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist ein Fachhändler

aus Rheinland-Pfalz.

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