RAID 1.5 mit IDE: Mehrwert oder Hokuspokus?

16.10.2003
Nach JBOD (Just a Bunch of Drives) kommt nun ein neuer RAID-Level; RAID 1.5. Was sind die Vorteile, was sind die Nachteile?

Immer häufiger greifen Anwender auf ein RAID-Array anstelle einer einfachen Festplatte zurück. Gründe für diese Entscheidung sind im privaten Bereich die deutlich höheren Transferraten; im professionellen Einsatz ist es die Absicherung gegenüber eines Laufwerksdefektes.

Aus diesem Grund sind RAID-Controller eine beliebte und auch sinnvolle Zugabe, die Motherboard-Hersteller ihren Produkten spendieren. Der Kunde erhält somit im einfachsten Fall einen zusätzlichen IDE-Controller, der den Anschluss zusätzlicher Laufwerke ermöglicht. Anspruchsvollere Anwender erstellen sich damit ihre eigenen RAID-Arrays aus zwei oder vier Festplatten.

Nun gibt es zwei RAID-Modi, die beim Heimanwender sowie bei einfachen Serversystemen beliebt sind: RAID 0, das so genannte Striping zur Steigerung des Datentransfers, sowie RAID 1, auch Mirroring genannt, das den Inhalt einer Festplatte ständig mit einer zweiten abgleicht (spiegelt). 50% der Kapazität ist für den Anwender somit nicht nutzbar.

RAID 0 ist zweifelsohne die schnellste Methode, RAID 1 die sicherste. Der Nutzen von RAID 1 wird meist erst im Falle eines Festplattendefektes deutlich - dann nämlich, wenn das System weiterhin funktioniert und das RAID nach dem Austausch des defekten Laufwerks wieder in einen sicheren Zustand gebracht werden kann. RAID 0 dagegen opfert jegliche Sicherheit zugunsten von Kapazität und Performance, denn die Wahrscheinlichkeit eines Systemausfalls durch Laufwerksdefekt vervielfacht sich mit der Anzahl der Laufwerke.

Ideal wäre daher ein RAID-Modus, der sowohl hohe Datensicherheit gewährleistet, als auch höhere Performance bietet als eine einzelne Festplatte. In aller Regel ist dies heute RAID 5, der Daten und Paritätsinformationen auf mindestens drei Festplatten verteilt. Dieser verlangt jedoch nach einem potenten Controller, denn für die Berechnung der Paritätsdaten (XOR) ist ein kleiner RISC-Chip erforderlich. Eine günstigere Alternative ist ein RAID 01 oder 10, welches mit vier Festplatten arbeitet und zwei RAID-0-Arrays abermals spiegelt (0+1) - oder umgekehrt (1+0).

RAID 5 gibt es nicht als On-Board-Lösung, RAID 01 bzw. 10 dagegen schon.

Der Aufwand ist jedoch noch recht hoch. Für kleine Systeme würde sich etwas zwischen RAID 1 und RAID 5 am besten eignen - und genau hier setzen DFI und HighPoint an: Der HPT372N beherrscht laut Handbuch der aktuellen Hauptplatinen der LANParty-Serie auch RAID 1.5 mit zwei Festplatten. Mal sehen, was das bringt.

HighPoint HPT 372 N

Wir fanden diesen Controller auf zwei Hauptplatinen des Herstellers DFI. Die Modelle LANParty 875 Pro und LANParty KT400A besitzen beide diesen Chip.

Der HPT 372 ist sozusagen HighPoints Standardmodell. Während der große Bruder HPT374 mit der aktuellen Firmware-Version inzwischen auch RAID 5 (ohne XOR-Engine) beherrscht, hat HighPoint dem einfachen Controllerchip eine Kombination aus RAID 0 und 1 verpasst. Das Resultat wird RAID 1.5 genannt, welches in einer derartigen Konfiguration mit nur zwei Laufwerken unseres Wissens noch nicht eingesetzt wurde.

RAID 15 und RAID 1.5 im Detail

Eines lässt sich im Vorfeld schon feststellen: "Echtes" RAID 15 wird von HighPoint nicht betrieben. Wie sich schon aus der Bezeichnung herleiten lässt, besteht ein RAID-15-Array aus mehreren logischen Laufwerken, die ihrerseits aus RAID-1-Arrays bestehen. Wir sprechen dabei schon von Nested-RAID, d.h. verschachtelte RAID-Setups (siehe Grafik links).

RAID 15 besteht aus mindestens drei logischen Elementen (Mindestvoraussetzung für RAID 5), die ihrerseits aus RAID-1-Arrays bestehen. RAID 51 ist das Gegenteil: Zwei RAID-5-Arrays werden noch einmal gespiegelt.

Es ist nicht schwer ersichtlich, dass die Kombination zweier RAID-Modi eine abermals gesteigerte Datensicherheit mit sich bringt. Im Fall von RAID 15 kann in jedem RAID-1-Block ein Laufwerk ausfallen, ohne dass das System zum erliegen kommt.

Ergo muss HighPoint zwangsläufig etwas ähnliches machen, will man sich allen ernstes auf die Bezeichnung RAID 15 berufen. Im Handbuch der DFI-Hauptplatinen LANParty 875 Pro und LANParty KT400A ist folgende Tabelle enthalten:

Hier wird eindeutig darauf hingewiesen, dass mit RAID 15 die höchste Performance bei gleichzeitiger Datensicherheit (Markierung rechts) erzielt wird. So weit, so gut. Unzureichend ist jedoch die Aussage, dass sowohl Striping als auch Mirroring betrieben wird.

Tatsächlich betreibt der Controller physisches Striping, d.h. Daten werden im Reißverschlussprinzip auf beide Platten abwechselnd gelesen, sodass der Datenstrom durch die Verwendung beider Festplatten deutlich größer ausfällt. Dies allein würde jedoch nicht reichen, denn das entspräche lediglich RAID 0. Die zur Verfügung stehende Kapazität des RAID-1.5-Arrays entspricht der Kapazität einer einzelnen Festplatte, sodass die zweite Hälfte der Bruttokapazität für die Spiegelung des Datenbestandes hergenommen werden muss.

RAID 1.5 von HighPoint: Striping mit Paritätsdaten

Theoretisch sollte dieses Verfahren bei sequenziellem Lesen so schnell sein wie RAID 0, während Schreibvorgänge genauso schnell wie bei RAID 1 werden können.

Fazit: Patt zwischen Vor- und Nachteilen bei RAID 1.5

Das gewünschte Optimum aus Performance und Datensicherheit mit nur zwei Festplatten lässt sich auch mit dem RAID-Controller auf den Motherboards von DFI nicht erreichen. Die Nachteile, die durch eine redundante Datenspeicherung mit RAID 1 entstehen, kann RAID 1.5 nicht abschaffen: Zum einen ist das die geringe nutzbare Nettokapazität, zum anderen das Ausbleiben einer merklichen Performancesteigerung.

Theoretisch konnten wir RAID 1.5 einen Performancevorteil gegenüber RAID 1 bescheinigen, denn sämtliche Zugriffe geschehen im gleichen, reißverschlussartigen Verfahren wie bei RAID 0(Striping). Höhere Transferraten konnten wir bei RAID 1. nicht ermitteln, sehr wohl aber eine geringere CPU-Belastung und in den File- und Webserverbenchmarks ein hervorragendes Ergebnis, wenn I/O-Leistung gefragt ist. Grund hierfür ist vor allen Dingen die niedrigere CPU-Belastung bei RAID 1.5. Positiver Nebeneffekt ist auch eine etwas kürzere Zugriffszeit bei RAID 1.5.

Eindeutiger Nachteil gegenüber RAID 1 ist jedoch die Tatsache, dass jedes Laufwerk für sich nicht unbedingt von einem Standardcontroller lesbar ist - wie auch bei RAID 0. Dennoch ist der Datenbestand aufgrund der auf der zweiten Festplatte vorhandenen, gespiegelten Information wiederherstellbar. Dies wiederum auch nur auf HighPoints HPT372N, denn andere Controller beherrschen RAID 1.5 nicht - und wenn, dann in der vorgesehenen Variante als Nested-RAID 15 (Kombination zweier RAID-Modi).

Abschliessend sind uns die Vorteile für den Heimgebrauch etwas zu gering, um ein RAID nach HighPoints bzw. DFIs RAID 1.5 zu erstellen. Die Gesamtleistung steigt nicht wesentlich, während die Datensicherheit der von RAID 0 entspricht. Der Hauptgrund für ein "sicheres" RAID ist eine optimierte Ausfall- bzw. Datensicherheit, und bieten RAID 1.5 und RAID 1 gleichermassen. Power-User bleiben mit RAID 0 am besten bedient, während wirkliche Sicherheit bei gleichzeitig hoher Performance nach wie vor mit höheren Kosten und damit RAID 10 oder RAID 5 verbunden ist.

Interessant könnte RAID 1.5 dennoch im unteren Serversegment sein (Webserver), denn die Testergebnisse bescheinigen dem Testsystem mit RAID 1.5 sogar höhere I/O-Performance, als wenn nur RAID 0 zum Einsatz kommt. In wie weit IDE-RAID-Controller inzwischen tatsächlich das von SCSI dominierte Segment angreifen können, wird ein ausführlicher Test in Spätsommer zeigen.

Patrick Schmid

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