RAID-Systeme: Technische Filetstücke in Datensicherungskonzepten

09.05.1997
MÜNCHEN: Seit spätestens zwei Jahren ist die gesamte IT-Branche im wesentlichen darum bemüht, ein Problem in den Griff zu bekommen: Die Datenberge der Informationsgesellschaft wachsen schneller als die Weltbevölkerung. Abhilfe und Sicherheit vor dem Verlust unternehmenskritischer Daten sollen in Paketen zusammengefaßte Festplatten-Systeme bieten.Speicherintensive Technologien wie Dokument-Management- und Workflow-Systeme oder die Vernetzung von Internet- und Intranet-Lösungen sorgen nach Auskunft von Experten für einen jährlichen Datenzuwachs von bis zu 50 Prozent in Unternehmen. Selbst Multimedia sorgt für verstopfte Datenautobahnen samt seiner Auf- und Abfahrten. Allerdings sind hier weniger CD-ROMs, bunte Bildchen und 3D-Animationen gemeint, hier geht es um die flächendeckende Digitalisierung unserer bisher in der Regel analogen Kommunikationsstrukturen. Plastischer ausgedrückt: Als Seagate die Festplatten-Serie Elite mit bis zu neun Gigabyte Kapazität entwickelte, war man von einer Bestellung der Warner-Gruppe leicht beflügelt. Der Medien-Konzern bestellte eine ganze Lagerhalle dieser Festplatten, um mit Video-On-Demand die ersten Schritte zu machen.

MÜNCHEN: Seit spätestens zwei Jahren ist die gesamte IT-Branche im wesentlichen darum bemüht, ein Problem in den Griff zu bekommen: Die Datenberge der Informationsgesellschaft wachsen schneller als die Weltbevölkerung. Abhilfe und Sicherheit vor dem Verlust unternehmenskritischer Daten sollen in Paketen zusammengefaßte Festplatten-Systeme bieten.Speicherintensive Technologien wie Dokument-Management- und Workflow-Systeme oder die Vernetzung von Internet- und Intranet-Lösungen sorgen nach Auskunft von Experten für einen jährlichen Datenzuwachs von bis zu 50 Prozent in Unternehmen. Selbst Multimedia sorgt für verstopfte Datenautobahnen samt seiner Auf- und Abfahrten. Allerdings sind hier weniger CD-ROMs, bunte Bildchen und 3D-Animationen gemeint, hier geht es um die flächendeckende Digitalisierung unserer bisher in der Regel analogen Kommunikationsstrukturen. Plastischer ausgedrückt: Als Seagate die Festplatten-Serie Elite mit bis zu neun Gigabyte Kapazität entwickelte, war man von einer Bestellung der Warner-Gruppe leicht beflügelt. Der Medien-Konzern bestellte eine ganze Lagerhalle dieser Festplatten, um mit Video-On-Demand die ersten Schritte zu machen.

Die globale Vernetzung und ihre Folgen

Zudem sind die Anforderungen an die heutigen Netz-Topologien bereits größer, als diese - eine gewisse Rentabilität vorausgesetzt - zu verkraften in der Lage wären. Da ist es billiger, die Informationen an mehreren Stellen innerhalb eines Netzes zur Verfügung zu stellen - was selbstredend eine entsprechende Erhöhung der Speicherkapazitäten zur Folge hat.

Nun ist der Systemadministrator an einem Punkt, wo er auf einem Berg von Festplatten thront und mehr unmittelbare Macht über sein Unternehmen hat als jeder seiner Chefs.

Einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner Group zufolge halten US-Unternehmen 56 Prozent ihrer Daten für unternehmens-kritisch. Etwa drei Viertel davon lagert in Rechenzentren, die andere auf den Systemen der Firma. In beiden Fällen müssen die Daten in Ermangelung alternativer Speichersysteme auf Festplatten gesichert werden. Diese stellen seit ihrer Existenz jedoch einen Kompromiß aus Kapazität, Geschwindigkeit und Datensicherheit dar.

RAID-Technologie ist fast zwanzig Jahre alt

Anfang der siebziger Jahre kamen Entwickler schnell auf die Idee, diesen Kompromiß durch Einsatz mehrerer Festplatten deutlich in Richtung Sicherheit zu verschieben. Durch das gleichzeitige Schreiben auf zwei Festplatten - die Daten sind somit redundant vorhanden - sollte sichergestellt werden, daß im Falle des Ausfalls einer der beiden Massenspeicher die andere Harddisk immer noch die gültigen Daten enthält. Dieses Verfahren hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Es senkt die Kapazität des Arrays - dem Festplatten-Verband - um 50 Prozent.

Eine weitere Idee aus der "Steinzeit der Informations-Technik" versprach dann Ende der Achtziger Jahre Abhilfe. Ohne Abstriche bei der Redundanz konnte mit Parity-Verfahren die Kapazität deutlich erhöht werden.

Ende der achtziger Jahre wurde an der Universität von Kalifornien in Berkeley ein Papier entwickelt, das die unterschiedlichen Array-Varianten erstmals klassifizierte und die RAID Level 1 bis 6 (Redundant Array of Inexpensive Disks) aus der Taufe hob.

Konfusion wird durch Konfusion ersetzt

Diese Klassifizierung hatte zwei entscheidende Nachteile. Zum ersten sind derart vagabundierende Definitionen recht unverbindlich und zum zweiten gaukeln sie eine hierarchische Anordnung nach dem Motto "Je mehr, desto besser" vor.

Für eine gewisse Verbindlichkeit sorgte im August 1992 die Gründung des RAID Advisory Boards (RAB). Dieser Industrieverband aus einstmals acht und jetzt 50 Mitgliedern wacht seither mehr oder minder erfolgreich darüber, daß die definierten RAID-Standards eingehalten werden. Minder erfolgreich deswegen, weil Wildwüchse wie beispielsweise die Marketing-Kreation "RAID 10" kaum zu verhindern sind. RAID 10 gaukelt auf der nach oben offenen RAID-Skala besondere Sicherheit vor, besteht aber letztendlich nur aus der Wortkombination der RAID Level 0 und Level 1. "Bei Anwendern von hochleistungsfähigen Speichersystemen haben die Diskussionen bezüglich der alten RAID-Level eher Verwirrungen hervorgerufen", umreißt denn auch Wolfgang Dembowy, Geschäftsführer der Storage Computer Europe GmbH in Kelkheim, das Szenario.

Im Januar dieses Jahres stellte das RAB schließlich eine Klassifizierung vor, die sich mehr am Nutzen der Sicherheit orientiert, als an den technischen Lösungen. Künftig dürfen zum ersten nur noch Festplatten-Arrays, die den Ausfall mindestens einer Festplatte ohne Datenverlust verkraften können, auch RAID-Arrays genannt werden.

Damit ist der RAID Level 0 beerdigt. Zum zweiten wurden die bisherigen Level durch eine drei- beziehungsweise siebenstufige Klassifizierung ersetzt.

Neue Nomenklatur: FRDS, FTDS, DTDS und Plus

Zunächst unterteilt das RAB Arrays in fehlerresistente (FRDS - Failure Resistant Disk Systems), fehlertolerante (FTDS - Failure Tolerant) und ausfalltolerante Plattenspeichersysteme (DTDS - Disaster Tolerant). Durch Erfüllung bestimmter zusätzlicher Anforderungen kann die Bezeichnung noch um ein (bei FTDS bis zu zwei) Plus erweitert werden. Dazu sind bis zu 22 Kriterien - wie etwa im Betrieb austauschbare Platten (Hot Swapping) - oder eine eigene USV zu erfüllen. Damit ist DTDS+ das obere Ende der Sicherheit. Das gesamte Klassifizierungs-System firmiert unter dem Sammelnamen EDAP (Extended Data Availability and Protection).

Aber ganz so einfach wird es nicht werden. ICP/Vortex, Hersteller von RAID-Controllern und Mitglied des RAB, verspricht wohl, die EDAP-Definitionen mitzutragen, andererseits kündigt man im Technical Bulletin 1/97 - dem hauseignen Newsletter - an, "daß es vor allem im Sinne der Anwender ist, wenn wir zumindest für die nächste Zeit bei den eingeführten Begriffen bleiben."

Genau genommen klammert sich so mancher Hersteller förmlich an die liebgewordenen alten Bezeichnungen, die selten irgendwelche höheren Weihen genossen, sondern eher "Mehr als RAID Level 1 bis 6" meinten. Aber das Spiel kennt die Branche ja etwa von Intels 486DX4, der intern mit dem dreifachen Takt arbeitete. Auch hier fehlte der Zusammenhang völlig.

Stabiles Wachstum

Es ist allerdings keineswegs unlogisch, daß hier mit harten Bandagen gekämpft wird. Alleine den in Europa aufzuteilenden Kuchen schätzt IDC auf 7,4 Milliarden Dollar für das Jahr 1998 bei bisher mäßigen Steigerungsraten. Die rühren daher, daß die Masse der Daten immer noch in Mainframe-Umgebungen anfällt. Die mäßige Skalierbarkeit dieser Umgebungen führt dazu, daß eventuell notwendige Aufstockungen der Kapazitäten schlichtweg nicht stattfinden. Die Migration zu besser skalierbaren Umgebungen verläuft zudem eher stockend, da die Alternativen in puncto Sicherheit bisher wohl nicht ausreichend überzeugend sind. Des weiteren rechnet die Gartner Group vor, daß die zentrale Speicherung von Daten mit etwa 1,18 Dollar pro Megabyte immer noch preiswerter sei als das verteilte Speichern mit etwa 1,46 Dollar pro Megabyte.

Aus dem oben erwähntem Kompromiß zwischen Netz- und Serverlast beziehungsweise der damit verbundenen Investitionen läßt sich allerdings durchaus schließen, daß die verteilten, kleineren Systeme auf dem Vormarsch sind. Daraus erklärt sich dann das von den Marktauguren der Gartner Group geschätzte Wachstum von etwa 40 Prozent für das abgelaufene Jahr mit steigender Tendenz. Aus diesen Faktoren läßt sich letztendlich ein stabiles längerfristiges Wachstum ableiten, dessen Niveau sich stetig erhöhen wird.

RAID - ohne komplette Lösung nur eine halbe Sache

Die Verlockung, den Kunden hochpreisige RAID-Racks anzubieten, liegt nahe. Die Auswahl an unterschiedlichen Systemen in nahezu jeder Preislage ist groß und so läßt sich in fast jedem Budget ein Treffer landen. Das kann allerdings nicht Sinn und Zweck der Übung sein: RAID-Arrays sind nur ein Glied in einer Kette von Sicherungs-maßnahmen.

Es gilt, Speicher-Strategien für Unternehmen zu entwickeln, die in jedem Glied der Kette plausibel sind und vorhandene Strukturen berücksichtigen. Ein denkbar unsinniger Fall wäre beispielsweise die Synchronisierung von Terabyte-Arrays über eine mickrige 10-MBit-Netzanbindung. Zudem haben auch RAID-Arrays der Oberklasse ihre Grenzen zum Beispiel dort, wo Brände ganze Gebäudeteile bedrohen könnten. Die Notwendigkeit zur Sicherung der Datenbestände entfällt also keineswegs. Die Tetra Computersysteme GmbH, Anbieter für das Sicherungs-Management-System TESS, schätzt etwa, daß nur insgesamt 16 Prozent der Ausfälle und Datenverluste durch defekte Festplatten verursacht werden. Für vier Prozent der Ausfälle zeichnet die Server-Hardware verantwortlich, zehn Prozent werden von Fehlern in Betriebssystemen beziehungsweise für das System nicht definierte Ausnahmezustände verursacht und schließlich fallen 70 Prozent in die Kategorie "Fehler durch Anwender". Welcher Aufwand wo getrieben werden muß, um die zum Budget passende optimale Sicherheit zu erreichen, muß in intensiver Zusammenarbeit mit dem Kunden geklärt werden.

Hohe Anforderungen an Lösungsanbieter

Für die sinnvolle Dimensionierung von RAID-Arrays muß der Lösungsanbieter tief in die Eingeweide des Unternehmens greifen. Fehlplanungen können schwerwiegende Folgeinvestitionen nach sich ziehen, beispielsweise dann, wenn Lösungen nicht mit dem Unternehmen mitwachsen können.

Im einfachsten Falle hat etwa ein mittelständisches Unternehmen genau ein Hausnetzwerk mit genau einem Server. Hier kann es bereits mit einem kleinen Array der Preisklasse ab 20000 Mark nebst Backup-Bandlaufwerk getan sein. Doch selbst diese Lösung kann ihre Tücken haben, wenn die Zugriffe nicht klar geregelt werden. Datensicherungen um 10 Uhr vormittags sind in der Regel nicht tragbar - auch wenn der Administrator hier gerade Zeit hätte. In kleineren Netzwerken kann sich die Systemlast sehr deutlich auf die Gesamtperformance niederschlagen.

Jede Menge Erfahrung erfordern verteilte Netze wie sie etwa in Firmenzentralen mit Filialbetrieben anzutreffen sind. In diesem Falle spielen die lokalen Bandbreiten eine untergeordnete Rolle, wichtig sind die Netzzweige. Zu Zeiten der textbasierenden Terminals war das noch kein Problem, da die Daten auf dem Host bearbeitet wurden und deswegen auch deren Sicherheit zentral überwacht wurde. Diese Philosophie kehrt nach etlichen Jahren jetzt als "Thin Client-Architektur" mit Java und dem Netz-Computer zurück. So gesehen, schadet es keineswegs hier einschätzen zu können, wann und für welche Filialen diese Architektur in Frage kommt. Sind dagegen echte Workstations an mehreren Unternehmensstandorten gewünscht, steht man vor der Wahl zwischen dezentraler Sicherung und bandbreitenschonender Synchronisation der Daten- oder einer Netzanbindung, die auch die höheren Lasten der zentralen Sicherung zuverlässig aushält.

Eines ist sicher: Je umfangreicher die Lösung werden soll, um so komplizierter werden die zu leistenden Vorarbeiten. Unternehmensabläufe, Netzauslastungen und künftige Anforderungen müssen in einer Analyse zusammengefaßt werden, um eine Lösung zu finden, die dem Kunden Sicherheit und Verfügbarkeit seiner Ressourcen bietet. Gerade für VARs eröffnet sich mit RAID-Systemen ein lukratives Geschäftsfeld. (gr)

Zur Startseite