So klappt's

Raspberry Pi für Videokonferenzen nutzen

07.12.2021
Von Stephan Lamprecht
Die Pandemie hat viele Menschen ins Homeoffice verbannt. Die Kommunikation mit den Kollegen muss dann notgedrungen über Videokonferenzen erfolgen, aber nicht jeder hat Lust darauf, dafür sein privates Notebook zu benutzen.
Microsoft Teams funktioniert auf der ARM-Plattform sehr gut – entweder direkt im Browser oder mit der Hilfe eines nicht offiziellen Clients.
Microsoft Teams funktioniert auf der ARM-Plattform sehr gut – entweder direkt im Browser oder mit der Hilfe eines nicht offiziellen Clients.

Menschen, denen ihre Privatsphäre wichtig ist, kleben ja gern die Optik der im Notebook eingebauten Webcam bei Nichtbenutzung ab. So landen keine unerwünschten Bilder im Netz, falls das System durch eine Sicherheitslücke kompromittiert ist (oder der Nutzer schlicht vergessen hat, seine Videosoftware zu beenden). Wieder andere haben es generell nicht gern, für Videogespräche den privaten Rechner zu nutzen. Ein Raspberry Pi lässt sich kostengünstig als reines System für Videokonferenzen einsetzen. Bei unserem Test konzentrieren wir uns auf die populärsten Softwarekandidaten. Der Markt ist aber nach wie vor unübersichtlich, so dass wir nicht alle Lösungen testen konnten, die in Unternehmen im Einsatz sind.

Mit Gehäuse und handelsüblicher Kamera

Die Codierung der Video- und Audiosignale sowie deren Übertragung per Internet sind ein Anwendungsfall, der dem Prozessor des Raspberry viel Arbeit beschert und gerade beim 4er-Modell auch ordentlich Abwärme produziert. Die Hersteller von Videolösungen bekleckern sich in Hinblick auf die Unterstützung von Linux und dem ARM-Prozessor des Raspberry leider nicht gerade mit Ruhm. So müssen die Konferenzen dann per Browser geführt werden, was zusätzlich Ressourcen kostet. Deswegen empfehlen wir für solchen Einsatz, dem Raspberry ein ordentliches Gehäuse zu spendieren, das über eine vernünftige passive Kühlung verfügt. Ein idealer Kandidat für den Einsatz als Videosystem ist auch der Raspberry Pi 400, denn mit der integrierten Tastatur bleibt der Arbeitsplatz auch noch schön aufgeräumt.

Zweiter Tipp: Bevor Sie daran gehen, sich eine Halterung für die offizielle Kamera für den Raspberry zu bauen, nutzen Sie lieber etwas anderes. Das kleine Kameramodul passt mit seinem Anschluss zwar perfekt zur Platine, aber bei Echtzeitkommunikation ist die Bildqualität nicht überzeugend. Vertrauen Sie besser auf die Dienste einer Webcam, die zu Ihren Wünschen und Ihrem Budget passt. Überraschungen beim Anschluss sind keine zu erwarten, somit sollten alle halbwegs aktuellen Modelle am USB-Anschluss funktionieren. Für die Tonausgabe könnten Sie externe Lautsprecher verwenden. Fein raus sind Sie, wenn Sie mittels HDMI-Kabel einen Monitor anschließen, der bereits eingebaute Lautsprecher besitzt. Diese Technik bringen auch kleine TV-Geräte mit.

Check der Kamera

Beim Anschluss einer handelsüblichen Webcam via USB sollte es keine Überraschungen geben. Mit dem kleinen Tools fswebcam überprüfen Sie die Funktionsfähigkeit.
Beim Anschluss einer handelsüblichen Webcam via USB sollte es keine Überraschungen geben. Mit dem kleinen Tools fswebcam überprüfen Sie die Funktionsfähigkeit.

Sofern Sie Ihren Raspberry schon längere Zeit benutzen, aber seit einer Weile kein Update mehr vorgenommen haben, holen Sie das jetzt nach ( sudo apt update und sudo apt upgrade). Denn im Update von Raspberry-Pi-OS wurde soeben die Qualität beim Streaming von Audio und Video verbessert. Sobald Sie eine handelsübliche Webcam per USB an den Raspberry anschließen, sollte das System die Hardware problemlos erkennen. Ob das geklappt hat, können Sie schnell überprüfen. Installieren Sie mittels

sudo apt install fswebcam

das Paket „fswebcam“. Eine Einrichtung ist nicht notwendig. In einem Terminal führen Sie dann den Befehl

fswebcam image.jpg

aus. Wurde die Kamera erkannt, liefert Ihnen die Software nicht nur eine Rückmeldung, sondern legt eine aktuelle Aufnahme unter dem Dateinamen „image.jpg“ im aktuellen Benutzerordner ab.

Konferenzen mit populärer Software

Zoom:Mehr oder weniger über Nacht ist es Zoom gelungen, sich während der Pandemie als Standard für Videomeetings zu etablieren. Dazu beigetragen hat natürlich das kostenfreie Angebot. Dessen einzige Einschränkung ist die zeitliche Begrenzung der Versammlungen. Zoom bietet einen offiziellen Client für Linux an, der allerdings nicht unter der ARM-Architektur funktioniert. Sie können aber trotzdem problemlos mit einem Browser (vorzugsweise Chromium) an Besprechungen teilnehmen. Haben Sie eine Einladung erhalten und auf den Link geklickt, taucht in der Regel ein Fenster mit dem Hinweis auf „xdg-open“ auf. Diesen räumen Sie mit „Abbrechen“ aus dem Weg und können dann auf der nachfolgenden Seite mittels des Links per Browser teilnehmen. Das funktioniert weitgehend problemlos.

Google Meet: Zum Konzept von Google Meet gehört, dass es auf nahezu jedem Gerät ohne die Installation einer Software funktioniert. Mit dem Browser Chromium können Sie unmittelbar nach Klick auf einen Einladungslink an einer Besprechung teilnehmen.

Ein eigenes Google-Konto vorausgesetzt, können Sie über die Startseite auch selbst ein Meeting starten.

Skype:An die Anfänge von Skype werden sich am ehesten die Computerveteranen erinnern, schließlich bot der Dienst vor bald 20 Jahren als einer der ersten Telefonate über das Internet an. Dann landete das Unternehmen vor zehn Jahren bei Microsoft und geriet ein wenig aus dem Blick der privaten Nutzer. Auch hier änderte die Pandemie viel, denn auch Microsoft bot kostenlose Optionen an. Zur Teilnahme an einer Konferenz benötigen Sie ein Benutzerkonto und den Browser, da es keine Software für die ARM-Plattform gibt. Die Teilnahme mit einem Raspberry Pi funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Leider sind die Fehlermeldungen (bis hin zum Crash des Browsers) kaum zielführend, sodass sich keine Strategie für einen Workaround aufdrängt.

Jitsi:Jitsi-Meet ist, jedenfalls wenn Sie die Wahl haben, der Favorit der Redaktion. Das liegt auch daran, dass Sie mit etwas Aufwand Ihren eigenen Jitsi-Server auf einem Raspberry betreiben können. Allerdings nicht unter Raspbian, sondern mit der für ARM-Prozessoren verfügbaren Ubuntu-Variante. Der Weg ist zwar weit von einer „Click & Install“-Routine entfernt, aber funktioniert, sofern Sie sich ein wenig mit der Zuweisung von Hostnamen, Letscrypt-Zertifikaten und der Portweiterleitung am Router auskennen. Welche Schritte zu beachten sind, verraten Ihnen einige Anleitungen im Internet. Wenn Sie nur an einem Meeting teilnehmen wollen, ist das mit einem Klick auf den Einladungslink sofort und störungsfrei möglich.

Microsoft Teams: Microsoft wird seit einigen Jahren ja nicht müde, sich zu Linux zu bekennen. So wurde ja sogar ein Linux-Subsystem für Windows vorgestellt. Entsprechend hoch lagen auch die Erwartungen an den Einsatz von Teams auf dem Raspberry. Das funktioniert per Browser oder mit einer eigenen Software, die allerdings nicht offiziell ist. Dieser Client nutzt im Kern ebenfalls die Webanwendung, nutzt aber Electron als Wrapper. Zur Nutzung sind lediglich ein paar Zeilen in einem Terminal nötig. Sie bringen zunächst das System auf den aktuellen Stand, installieren den Daemon für die Snap-Paketverwaltung und starten das System dann neu:

sudo apt install snapd

sudo reboot

Nun können Sie daran gehen, die Kernkomponenten von Snap und den eigentlichen Client zu installieren:

sudo snap install core

sudo snap install teams-for-linux

Danach starten Sie die Software einfach über den neu angelegten Programmeintrag.

Mit allen großen Diensten verbunden

Mit dem Raspberry Pi und einer Webcam können Sie leise und energieeffizient an Videokonferenzen aller großen Anbieter teilnehmen. Dabei müssen Sie lediglich mit eventuellen Einschränkungen von Funktionen leben, die nicht per Browser zur Verfügung stehen.

Das gilt aber für alle Teilnehmer, die sich nicht die offiziellen Clients auf dem System installieren möchten. Dank eines dezidierten Arbeitsplatzes für Videomeetings trennen Sie private und berufliche Daten zuverlässig und sobald der Raspberry vom Netz getrennt wird, ist Ihre Privatsphäre zu hundert Prozent sicher. (PC-Welt)

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