Rating im Handel - so beschafft man sich Fremdkapital

01.08.2002
Die mögliche Verschlechterung der Kreditkonditionen zwingt den Fachhandel, sich auf das Rating der Banken einzustellen. Annähernd zwei Drittel der Handelsunternehmen verfügen über eine Eigenkapitalquote, die unter 20 Prozent liegt. Daher ist der Handel nicht nur bei der Finanzierung der Warenströme auf Fremdkapital angewiesen. Insbesondere die verstärkten Zukunftsinvestitionen in die Flächenerweiterung und Filialisierung sind ohne Fremdfinanzierung nicht möglich. Willy Frischel* gibt Praxistipps.

Auslöser der Rating-Diskussion ist das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Der Baseler Ausschuss ist Teil der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel und wurde 1975 mit dem Ziel der Stabilisierung des internationalen Finanzwesens gegründet. Dem Ausschuss gehören Vertreter der Bankenaufsichtsbehörden und Zentralbanken der G10-Länder an.

Im Juni 1999 veröffentlichte der Baseler Ausschuss Vorschläge, welche die bisherigen Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken aus dem Jahr 1988 (Basel I) ersetzen sollen. Die Eigenkapitalunterlegung versetzt die Banken in die Lage, das Ausfallrisiko von Krediten gegebenenfalls mit eigenen Mitteln auszugleichen.

Das zweite Konsultationspapier (Basel II) wurde am 16. Januar 2001 publiziert und im Februar 2001 von der EU-Kommission aufgegriffen. Das Papier dient als Vorlage für eine Änderung der EU-Richtlinien über die Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten und wird anschließend in nationales Recht umgesetzt.

Basel II wird zum 1.1.2006 mit einer einjährigen Einführungsphase in Kraft treten. Während des einjährigen Parallellaufs können die Banken die Eigenkapitalquote weiterhin nach der alten Methode berechnen. Unabhängig von der formellen Inkraftsetzung wenden viele Banken schon heute die geplanten Ratingkriterien bei der Kreditvergabe an.

Was ändert sich konkret?

Nach den zurzeit geltenden Regelungen sind die Banken verpflichtet, Kredite unabhängig von der individuellen Ausfallwahrscheinlichkeit prinzipiell mit acht Prozent Eigenkapital zu unterlegen. Jedes Kreditrisiko hat damit den gleichen Preis. Eine Differenzierung findet lediglich über die jeweiligen Sicherheiten statt.

Die Neuregelung sieht vor, die Eigenkapitalunterlegung künftig risikonäher vorzunehmen. Dabei soll das individuelle Kreditrisiko als Maßstab für die jeweilige Höhe des zu hinterlegenden Eigenkapitals der Banken herangezogen werden. Kredite an Schuldner mit hoher Bonität können also mit weniger Eigenkapital unterlegt werden als bislang. Bei Darlehen an Schuldner mit geringer Bonität ist dagegen mehr Eigenkapital zu unterlegen. Das individuelle Kredit-risiko wird somit der maßgebliche Faktor für die Preiskalkulation der Banken. Dies wird konsequenterweise zu einer differenzierten, am individuellen Risiko orientierten Konditionengestaltung der Kreditinstitute führen. Die Bonität des Unternehmens wirkt sich damit unmittelbar auf die Höhe der Kreditkosten aus.

Was versteht man unter Rating?

Ratings geben Auskunft über die Bonität und damit das Kreditrisiko eines Schuldners. Ein Rating analysiert und beurteilt die zukünftige Fähigkeit eines Unternehmens zur vollständigen und termingerechten Tilgung und Verzinsung seiner Schulden und ermöglicht der Bank damit eine Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit.

Es gibt externe und interne Ratings. Externe Ratings werden von spezialisierten Agenturen, interne Ratings dagegen von der kreditgewährenden Bank durchgeführt. Beide Formen der Bonitätsprüfung sind nach den Vorschlägen des Baseler Ausschusses möglich.

Die Bonitätsprüfung bezieht wie bisher die typischen betriebswirtschaftlichen Kennziffern ein, wird aber durch weiche Faktoren ergänzt. Letztere betreffen etwa die Qualifikation, den Führungsstil und die Motivationsfähigkeit des Unternehmers, die Strategie und Planungsgenauigkeit, die betriebsinterne Organisation und die Nachfolgevorbereitung. In ein Rating fließen also sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren ein, die für die Bewertung gewichtet, verknüpft und zu einer abschließenden Kennzahl verdichtet werden. Sicherheiten spielen bei der Bonitätsprüfung keine Rolle. Bonität und Sicherheiten werden prinzipiell getrennt analysiert.

Zusammenarbeit mit der Bank

Warum muss ich schon jetzt Maßnahmen ergreifen und nicht erst 2006?

Basel II fordert von den Banken eine statistisch gesicherte Datenbasis und Zeitreihen für die im Rahmen des Rating herangezogenen Kriterien. Die Kreditwirtschaft beginnt deshalb schon jetzt, Risiken zu sortieren, und richtet die Kreditvergabe an den neuen Anforderungen aus.

Kann ich mich nicht weiterhin auf die guten Beziehungen zu meiner Hausbank verlassen?

Der persönliche Kontakt zur Hausbank bleibt weiterhin unverzichtbar. Sprechen Sie Ihre Bank deshalb jetzt gezielt auf das Rating an. Dennoch gilt: Mit dem Rating wird eine standardisierte Messbarkeit der Bonität eingeführt. Emotiona-le Faktoren wie langjährige Geschäftsbeziehungen oder die regionale Bedeutung eines Unternehmens verlieren also tendenziell an Bedeutung.

Betrifft das Rating nicht in erster Linie Großunternehmen, während für mich letztlich alles beim Alten bleibt?

Dies trifft zwar auf die externen, nicht aber auf die bankinternen Ratings zu. Letztlich müssen sich Händler aller Unternehmensgrößen auf die neuen Bedingungen bei der Kreditvergabe einstellen.

Erschweren interne Ratings einen Bankwechsel?

Eine neue Bank muss alle Kundeninformationen erneut zusammentragen und eine eigene Bewertung vornehmen. Da sich an der Bewertung vermutlich nichts ändert, liegt die Erschwernis für den Kreditnehmer vornehmlich im Auftreten eines Zeitverzugs.

Wie stelle ich mein Unternehmen bei der Bank möglichst gut dar?

Bereiten Sie sich mit aussagefähigen Unterlagen auf das Bankengespräch vor. Die Informationen müssen möglichst zeitnah sein und ein attraktives Zukunftskonzept des Unternehmens deutlich machen. So sollten Sie die laufende Entwicklung und die Perspektiven mit konkreten Daten untermauern. Darüber hinaus sollten Sie neutrale Informationen über die Branche zur Verfügung stellen.

Welche Unterlagen sind für meine Kreditverhandlungen wichtig?

- Aktuelle Bilanzen

- Laufende statistische Auswertungen (Summen- und Saldenlisten, Betriebswirtschaftliche Auswertung, ggf. Kostenstellenrechnungen)

- Liquiditätsberechnungen

- Informationen und Zahlen zu Investitionsvorhaben

- Rentabilitäts- und Liquiditätsplanungen für die nächsten zwei Jahre

- Vorschläge zur Besicherung der Kredite

- Eigenkapital- bzw. Eigenanteilnachweis.

Die wichtigsten Eckdaten liefern die Handels- und Steuerbilanz, das Warenwirtschaftssystem, der BBE-Branchenreport und der BVT-Marktbericht.

Alles rund um Kreditkosten

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Rating-Einstufung und der Höhe der Kreditzinsen?

Eine schlechte Bonität bedeutet aus Sicht der Bank ein erhöhtes Kreditausfallrisiko. Entsprechend hoch ist der von ihr zu hinterlegende Eigenkapitalanteil, was wiederum zu einer Verschlechterung der Konditionen für den Kreditnehmer führt.

Wie kann ich meine Kreditkosten senken?

Zunächst sollten alle Anstrengungen unternommen werden, die eigene Bonität bis 2006 zu verbessern. Denken Sie zudem über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nach: Wechselkredite, Barvorschüsse, Einbeziehung von Bürgschaftsbanken, langfristige Valuten der Lieferanten.

Wie kann ich meine Liquidität verbessern?

Erhöhung der Lagerumschlagsgeschwindigkeit, Verringerung des Lagerbestandes, zeitnahe Belieferung, Verringerung der Privatentnahmen.

Woher weiß ich, ob meine Kreditkonditionen gut oder schlecht sind?

Nutzen Sie zur Orientierung betriebswirtschaftliche Erfa-Tagungen, und suchen Sie das Gespräch mit Ihren Kollegen.

Sind externe Ratings sinnvoll?

Für externe Ratings fallen Kosten zwischen 2.500 und 20.000 Euro an. Nur in Ausnahmefällen dürften die Zinsersparnisse bei der Kreditaufnahme so hoch sein, dass sie die hohen Ratingkosten mindes-tens kompensieren. Externe Ratings spielen daher für mittelständische Betriebe in der Regel keine Rolle.

Bleibt das interne Rating der Banken kostenlos?

Dies ist keinesfalls sicher. Es ist nicht auszuschließen, dass die Banken das Rating über kurz oder lang als eigenes Geschäftsfeld und Profit-Center sehen werden.

Nach welchen Kriterien sollte ich meine Kreditverbindlichkeiten überprüfen?

Ordnen Sie Ihre gesamten Kreditverbindlichkeiten. Stellen Sie Ihrer aktuellen Kredithöhe die Kreditsicherheiten gegenüber. Fordern Sie im Fall der Übersicherung die (Teil-)Übertragung einzelner Sicherheiten von Ihrer Bank. Überlegen Sie, ob bisher variabel verzinste Kredite in Festzinskredite umgewandelt werden sollten. So können Sie sich langfristig das aktuell niedrigere Zinsniveau sichern.

Mit welchen Konsequenzen muss ich bei schlechter Bonität rechnen?

Bei Bankkunden mit schlechter Bonität ist mit einer Verteuerung der ausgereichten Kredite (bei vorhandenen Sicherheiten) oder aber mit einer Ablehnung des Kreditengagements (bei fehlenden Sicherheiten) zu rechnen.

Verschlechtern sich meine Kreditkonditionen auf jeden Fall?

Das Vorurteil "Kleine Unternehmen gleich schlechte Bonität" wird der Thematik nicht gerecht. So sollten eigenkapitalstarke Kreditnehmer mit aussagekräftigen Unterlagen auf jeden Fall über Konditionenverbesserungen verhandeln. Im umgekehrten Fall müssen Unternehmer allerdings tatsächlich mit einer Verschlechterung der Kreditzinsen rechnen. Das folgende Beispiel macht dies deutlich.

Der Einfluss des Rating auf die Kreditkosten

Da die Kreditinstitute zurzeit ihre Ratingkriterien überarbeiten, liegen keine konkreten Angaben zu Zinssätzen und Konditionen vor. Im Einzelfall können Händler mit Konditionenverbesserungen rechnen. Es zeichnet sich allerdings ab, dass aufgrund des Rating - bei unveränderten Rahmenbedingungen - mit einer Verschlechterung der Kreditkonditionen gerechnet werden muss. Das Beispiel macht deutlich, dass sich ein Kredit ohne Veränderung der sonstigen Rahmenbedingungen durch die neuen Kreditvergaberichtlinien um jährlich 0,6 Prozentpunkte verteuern kann.

Ein Unternehmer nimmt einen Kredit über 100.000 Euro zu zehn Prozent Zinsen p. a. auf. Die Übersicht (siehe oben) zeigt, dass sich bei einer Laufzeit von zehn Jahren die Gesamtbelastung um insgesamt 6.000 Euro erhöhen könnte.

www.bvt-ev.de

*Willy Frischel ist Geschäftsführer des Bundesverbands Technik des Einzelhandels e. V. (BVT) in Köln.

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