Razzia: Nokia zeigt TK-Händler an und kündigt Verträge aller Vertriebspartner

03.04.2003
Der finnische Handyhersteller Nokia hat in seiner Partnergemeinde mit einem gründlichen Frühjahrsputz begonnen. AlleVerträge wurden zum 31. Juni 2003 gekündigt. Außerdem haben die Finnen einen ihrer größten Servicepartner vor die Tür gesetzt. Angeblich soll es bei dem TK-Filialisten Bluetel zu Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung gekommen sein.

Die Polizei hat Filialen der Handykette Bluetel in Dänemark und Deutschland durchsucht. Wie Nokia bestätigte, wurde die Razzia aufgrund einer Anzeige der Finnen durchgeführt.

Schon Anfang März hat Nokia die Geschäftsbeziehungen zu Bluetel, einem der größten europäischen Mobilfunk-Filialisten, nach zehnjähriger Zusammenarbeit eingestellt. Das Unternehmen war auf die Reparatur von Nokia-Handys spezialisiert. Betroffen sind Filialen in Deutschland, Dänemark, Italien, Litauen und der Schweiz. Die Kündigung hatte Nokia ziemlich schwammig begründet. Man habe die Entscheidung "nach intensiver Prüfung der Sachlage" wegen "unerwarteter unzufrieden stellender Geschäftbeziehungen im Handy-Servicegeschäft" getroffen.

"Alles, was mit Bluetel zu tun hat, haben wir beendet", erklärte Nokia-Sprecherin Nina Stenberg gegenüber ComputerPartner. Man habe die Angelegenheit den Behörden übergeben. Nokia-Mitarbeiterin Christina Rücken von Nokia bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft Nachforschungen gegen Bluetel anstellt: "Es ist richtig, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die Nokia weitergeleitet hat."

Abrechnungs-Manipulationen im großen Stil vermutet

Laut Brancheninsidern prüft Nokia die Abrechnungen der Vertragswerkstätten seit einiger Zeit intensiver, um Serienfehler schneller zu erkennen. Die Nachrichtenagentur DPA wusste zu berichten, dass aus einer Kopenhagener Bluetel-Filiale angeblich 700 reparierte Handys an einem einzigen Tag gemeldet worden seien. Von Bluetel selbst war auf Anfrage von ComputerPartner keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Versuchung zur Manipulation der Abrechnungen ist dem Online-Dienst Teltarif zufolge in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Nokia habe die Servicepauschalen stark gekürzt, weshalb kostendeckendes Arbeiten fast nicht mehr möglich sei. Auch andere Servicepauschalen seien gekürzt worden. Für ein Software-Update habe man vor drei Jahren etwa 18 Euro erhalten. Heute bekomme man dafür nur mehr rund vier Euro. Aus den Reihen der Nokia-Partner hört man allerdings auch andere Stimmen: "Ob sich eine Reparatur lohnt, hängt davon ab, was ausgetauscht wird", erklärt ein Partner aus dem Ruhrgebiet gegenüber ComputerPartner. "Wir bekommen im Schnitt etwa 20 bis 30 Euro pro Reparatur, und das lohnt sich schon."

Zu leiden haben die Partner laut Teltarif allerdings auch darunter, dass Nokia einige Modelle des unteren Preissegments nun zentral in Fabriken reparieren lässt. Dazu sollen zum Beispiel die Modelle der 3er-Serie zählen. Die Partner haben in diesen Fällen nur mehr die Aufgabe, die reparaturbedürftigen Geräte an die sogenannten "repair factories" zu senden.

Neue Verträge für alle Partner ab Juli 2003

Bei Nokia steht indes ein grundsätzliches Reinemachen in den Reihen der Vertragspartner an. Laut eigenen Angaben wurden alle Verträge zum 30. Juni 2003 gekündigt. Ab Juli soll es neue Verträge geben. Der Handy-Marktführer hat momentan rund 500 "Vor-Ort-Partner" in Deutschland, die in drei Level eingeteilt sind. Nur neun davon haben das Level 1 inne, dürfen also Komponenten-Reparaturen durchführen.

"Die Zahl der Vor-Ort-Partner ist dynamisch, da wir regelmäßige Qualitäts-Audits durchführen", erklärt Stenberg. Auch im Moment sei man intensiv dabei, Audits abzuhalten. "Die absolute Zahl der Partner zum 1. Juli 2003 können wir somit heute noch nicht benennen", sagt Nokia-Sprecherin Stenberg. "Es werden neue Vertragsverhältnisse mit ausgewählten Partnern abgeschlossen. Diese werden bestimmte Kriterien zu Qualität und Reporting beinhalten." Das bedeutet, dass nicht alle Partner wieder einen Vertrag bekommen. Laut Nokia betrifft die Veränderung nicht nur die neun Servicepartner auf Level-Ebene 3. Auch die Partner der Stufen 1 oder 2 könnten vom Frühjahrsputz betroffen sein.

Dass ihre Zusammenarbeit mit Nokia beendet ist, das ist mittlerweile auch bis zu den 116 Filialen und Vertriebspartnern von Bluetel in Deutschland vorgedrungen. Allerdings glaubt man noch nicht, dass dieser Entschluss endgültig ist. "Wir wollen doch mal hoffen, dass wir im Juli neue Verträge bekommen werden", äußerte sich ein Bluetel-Vertriebspartner gegenüber ComputerPartner.

www.bluetel.de

www.nokia.de

ComputerPartner-Meinung

Dass Nokia so rigide alle Partnerverträge gekündigt hat, könnte ein Hinweis darauf sein, dass größere Teile der Verträge nicht mehr zeitgemäß waren. Nokia befindet sich mit dieser Entscheidung in guter Gesellschaft. Auch Siemens ICN hat im Herbst 2002 alle Partnerverträge gekündigt und neu abgeschlossen. Nokias Partner reagieren indes gelassen und warten bis zum Juli ab. (gn)

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