Rechtliche Probleme bei der Verwendung von Programmsperren

28.11.1997
MÜNCHEN: Zur Sicherung ihrer hohen Investitionen in die Entwicklung von Software versuchen die Softwarehersteller mit verschiedenen Mitteln, die Weiterverbreitung der Programme durch die Nutzer zu verhindern. So wird versucht, das Kopieren oder Weitergeben der Programme oder die Verwendung auf anderer Hardware als der festgelegten vertraglich auszuschließen. Welche rechtlichen Probleme sich dabei ergeben können, beschreibt Rechtsanwalt Matthias Hartmann*.Häufig bedienen sich Softwarehersteller software- oder hardwareseitig realisierter Programmschutzmechanismen.

MÜNCHEN: Zur Sicherung ihrer hohen Investitionen in die Entwicklung von Software versuchen die Softwarehersteller mit verschiedenen Mitteln, die Weiterverbreitung der Programme durch die Nutzer zu verhindern. So wird versucht, das Kopieren oder Weitergeben der Programme oder die Verwendung auf anderer Hardware als der festgelegten vertraglich auszuschließen. Welche rechtlichen Probleme sich dabei ergeben können, beschreibt Rechtsanwalt Matthias Hartmann*.Häufig bedienen sich Softwarehersteller software- oder hardwareseitig realisierter Programmschutzmechanismen.

Diese zielen entweder darauf, das Ziehen von Kopien technisch zu verhindern oder aber die Nutzbarkeit von Kopien unmöglich zu machen. Beispielsweise wird durch Softwareabfragen sichergestellt, daß die Programme nur mit einem Dongle oder nur auf der festgelegten CPU laufen. In anderen Fällen muß in regelmäßigen Abständen vom Hersteller ein Codewort angefordert werden, ohne das die Software ab einem festgelegten Datum nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar ist ("expiration date").

Anhand einer neueren Entscheidung des OLG Bremen vom 13.02.1997 sollen die juristischen Fallstricke aufgezeigt werden, welche in der Verwendung von Programmsperren liegen können.

Softwarehersteller: Recht auf Schutz ihrer Programme

Grundsätzlich ist jeder Softwarehersteller berechtigt, seine Investitionen durch Programmschutz-Mechanismen zu sichern. Der BGH hat das Recht der Softwarehersteller auf Schutz ihrer Programme - notfalls auch durch Sperren - anerkannt ("Programmsperre I" - Entscheidung vom 03.06.1981). Auch der Gesetzgeber hat in der Urheberrechtsnovelle von 1993, die vor allem dem Rechtsschutz der Computerprogramme diente, ausdrücklich hardware- oder softwaremäßige Schutzmechanismen erwähnt, § 69 f Abs. 2 UrhG.

Folgendes sollte jedoch sichergestellt sein:

1) Der Kunde soll Gelegenheit haben, ausreichend Sicherheitskopien zu erlangen.

2) Der Programmschutz-Mechanismus soll ausdrücklich vor Vertragsschluß mitgeteilt worden sein.

3) Es soll für Hard- und Software sowie für die Datenbestände des Kunden keine Gefahr drohen.

Gerade eine Zugriffssperre für den Nutzer auf seine Daten erscheint aber vielen Herstellern als der effektivste Weg, Nutzungsbeschränkungen oder Lizenzgebühren durchzusetzen. Werden jedoch Programmsperren verwendet, ohne die juristischen Vorgaben genau zu beachten, drohen erhebliche Konsequenzen.

Das Verschweigen vor Vertragsschluß oder gar der spätere heimliche Einbau eines "expiration date" kann - und das macht das OLG Bremen deutlich - schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Neben der Rückgängigmachung des Vertrags und Schadensersatzpflichtigkeit kommen sogar strafrechtliche Konsequenzen in Betracht.

Das OLG Bremen hat die Verwendung eines "expiration date" ohne vorherige Information als eine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" eines Zweiterwerbers der Software beurteilt und diesem einen Anspruch auf Schadensersatz zuerkannt.

Das OLG Bremen entschied, daß die Unverkäuflichkeit der Software aufgrund des "expiration date" ein Schaden sei, der nach § 826 BGB ersetzt werden könne. Auf dem Weg zu diesem Ergebnis behandelte das OLG Bremen einige häufig von Herstellern nicht beachtete juristische Problemfelder.

Weiterverkaufsrecht

Immer wieder findet sich in AGB der Hinweis, daß die Weitergabe der Programme an Dritte ausgeschlossen sein soll. So auch im vom Bremer Gericht entschiedenen Fall. Nach ñ 17 und 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG ist das Verbreitungsrecht nach Veräußerung der Software an den Kunden "erschöpft". Das heißt, daß es dem Käufer einer Software grundsätzlich frei steht, diese weiterzugeben. Das bezieht sich aber nur auf das eine Vervielfältigungsstück, welches der Käufer erworben hat. Weitere Kopien darf er hiervon nicht ziehen, außer der Sicherungskopie für eigene Zwecke.

Zumindest in AGB kann von dem Erschöpfungsgrundsatz nicht wirksam abgewichen werden. Wenn der Kunde die Programme nicht dauerhaft erwirbt, sondern nur für eine bestimmte Zeit als "Mieter" nutzt, tritt jedoch keine Erschöpfung ein; ein Weitergabeverbot könnte dann wirksam vereinbart werden. Im vom OLG entschiedenen Fall hatte der Hersteller in den AGB eine solche Softwaremiete vorgesehen, jedoch wurde dann eine Leasing-Firma eingeschaltet. Durch sie erfolgte die Bezahlung der Software gegenüber dem Hersteller auf einmal. Auch die Überlassung der Software erfolgte aufgrund des Leasing-Vertrags zuerst an die Leasing-Firma und erst von dieser an den Nutzer.

Die Parteien wichen also in der tatsächlichen Durchführung von den in den AGB vorgesehenen Festlegungen ab. Diese häufig zu beobachtende Nachlässigkeit führt regelmäßig dazu, daß die AGB dann insoweit nicht mehr gelten.

Auch das OLG Bremen sah die Überlassung der Software nicht als im Wege der Miete erfolgt, sondern im Wege der Veräußerung im Sinne des § 17 UrhG. Damit wirkte das Weiterveräußerungsverbot, welches in den AGB vorgesehen war, nicht gegenüber dem Zweiterwerber, an den die Software vom Nutzer weitergegeben wurde.

Kein Kopierschutz

Das OLG Bremen erkannte die Programmierung des "expiration date" nicht als Kopierschutz an. Nach Ansicht des Gerichts läge der Zweck allein darin, das Weiterverkaufsrecht des Ersterwerbers entgegen der eben dargelegten Rechtslage außer Kraft zu setzen. Als Kopierschutz sei das "expiration date" ungeeignet, da bis zu dem einprogrammierten Datum Kopien gezogen und genutzt werden könnten. Außerdem hätten andere branchenübliche Sicherungsmittel zur Verfügung gestanden.

Dagegen hat der BGH ein "expiration date" ausdrücklich als Kopierschutz bezeichnet ("Programmsperre I"). Außerdem schützt das "expiration date" gegen Raubkopien nicht mehr und nicht weniger als gegen den Weiterverkauf, weil das Original ebenfalls bis zum "expiration date" genutzt werden kann.

Nach Ansicht des Gerichts hatte der Softwarehersteller auch damit gerechnet, daß der Ersterwerber im Falle eines Weiterverkaufs den Zweiterwerber nicht über die Programmsperre informieren würde. Die Software sei jedoch, ohne die Möglichkeit für den Zweiterwerber an das Codewort zu gelangen, vollkommen wertlos.

Auch diesbezüglich habe das Softwarehaus zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Sein Vorgehen sei schon im Ansatz auf Täuschung ausgerichtet. Das Verhalten des Softwareherstellers sei sittenwidrig. Er habe seine "eigenen Interessen in eigennütziger und sogar strafbarer Weise über die Belange anderer" gestellt.

Diese Ausführungen überzeugen nicht. Das OLG unterstellt dem Softwarehersteller, er rechne damit, der Ersterwerber werde den Zweiterwerber nicht auf die Programmsperre hinweisen. Dadurch könne er hoffen, den Zweiterwerber zu einer erneuten Zahlung von Lizenzgebühren bewegen zu können. Normalerweise jedoch kann sich jeder auf rechtmäßiges Verhalten Dritter verlassen. Auch muß bezweifelt werden, daß der Zweiterwerber durch die Sperre seines Zugriffs auf Datenbestände als zufriedener Neukunde gewonnen werden kann.

Schließlich hatte der Softwarehersteller in seinen Verträgen die Weiterveräußerung gerade ausschließen wollen und nach Ansicht des OLG Bremen dient das "expiration date" auch nicht als Kopierschutz, sondern nur zur faktischen Durchsetzung des Weitergabeverbots. Damit ist jedoch nicht in Einklang zu bringen, wenn das Bremer Gericht dem Hersteller unterstellt, durch die Weiterveräußerung erneute Nutzungsgebühren abkassieren zu wollen.

Außerdem hat nach den Maßstäben des OLG Bremen der Ersterwerber selbst durch das Verschweigen der Programmsperre bei Übergabe an den Zweiterwerber sowohl eine sittenwidrige Schädigung als auch eine strafbare Handlung begangen. Diese freiwillige selbständige Tat des Ersterwerbers unterbricht den Ursachenzusammenhang zwischen dem Einbau der Programmsperre und dem Schaden beim Zweiterwerber.

Strafbarkeit

Nach Ansicht des OLG Bremen hat sich das Softwarehaus auch eines zumindest versuchten Vergehens der Computersabotage in Form der zeitweiligen Unterdrückung von Daten nach § 303 b Abs. 1 Nr. 1, § 303 a Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Mit dem Wirksamwerden der rechtswidrigen Programmsperre könne ein Zweiterwerber nicht auf seine eigenen, mit Hilfe der Software aufgebauten Datenbestände zugreifen.

Rückabwicklung

Nebenbei hat das OLG Bremen noch festgestellt, daß das "expiration date" einen Mangel der Software darstellt, wenn der Erwerber von dem Einbau vor Vertragsschluß nichts weiß. Daher könne dieser die Rückgängigmachung des Vertrags im Rahmen der Gewährleistung verlangen. Das wird häufig jedoch wegen der kurzen Verjährungsfrist nicht durchzusetzen sein.

Nach der "Programmsperre II" - Entscheidung des BGH (vom 20.03.1987, CR 1987, 358 ff.) hat der Nutzer ein Recht zur Rückabwicklung des gesamten Software-Überlassungsvertrags aber auch aufgrund einer sogenannten "positiven Vertragsverletzung" des Lizenzgebers durch den Einbau einer Programmsperre. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Lizenzgeber eine Sperre eingebaut, welche die Software immer langsamer ablaufen und schließlich unbrauchbar werden ließ. Dem Nutzer war eine Frist von 14 Tagen bis zum völligen Versagen der Software eingeräumt, um einen Wartungsvertrag mit dem Softwarehersteller nach dessen Vorstellungen abzuschließen.

Ähnlich entschied auch das OLG Düsseldorf (am 30.01.1992, jur-pc 1992, 1580). Hier hatte der Softwarehersteller seine Programme an einen Arzt verkauft, welcher in besonderer Weise auf die Software angewiesen war. Um zahlungsunwilligen Kunden "entgegentreten zu können", hatte der Softwarehersteller eine Programmsperre nachträglich eingebaut. Noch vor Aktivierung hatte er sie jedoch bei dem Arzt wieder entfernt. Dennoch sah das OLG Düsseldorf in dem Einbau einen so schwerwiegenden Verstoß gegen vertragliche Treuepflichten, daß der Arzt sich von dem Vertrag lösen konnte und noch Schadensersatz wegen schwerwiegener Vertragsverletzung zugesprochen bekam.

Dagegen hat das OLG Köln (am 09.08.1995, CR 1996, 285) entschieden, der Einbau einer Programmsperre sei dann kein Grund für eine fristlose Kündigung, wenn der Nutzer durch die Sperre bei vertragsgerechter Nutzung nicht behindert werde. Allerdings hatte das OLG Köln nicht zu entscheiden, ob eine Programmsperre etwa als Mangel des Werkes zu Minderung oder Wandlung berechtigt hätte.

Interessant für Zwischenhändler ist insbesondere ein Urteil des OLG Celle (vom 03.03.1992). Ein nicht näher bezeichneter "Kryptoschutz" in Verbindung mit einem Paßwort wurden dem Zwischenhändler vorenthalten und sollten erst an den Endkunden herausgegeben werden. Das Gericht wertete die Softwareüberlassung, die im Rahmen eines Händlerlizenzvertrags abgewickelt worden war, als Kaufvertrag und das Vorenthalten von Paßwort und Kryptoschutz als Mangel der Software. Der Zwischenhändler sei darauf angewiesen, die Software prüfen und vorführen zu können. Die Vorenthaltung von Paßwort und Kryptoschutz berechtige den Zwischenhändler daher zur Rückgabe der Programme.

Nach herrschender Meinung kann wirksam vereinbart werden, daß die Programme mit einem Dongle geschützt werden. Eine solche Vereinbarung kann wohl auch im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen getroffen werden. Zur Sicherheit sollte auf die Verwendung des Dongles dennoch deutlich und in schriftlicher Form vor Vertragsschluß hingewiesen werden. Unklar ist die Situation, wenn die Verwendung des Dongles zwischen den Parteien nicht ausdrücklich vereinbart worden ist. Dieser Anspruch auf Rückabwicklung verjährt erst in 30 Jahren. Die Beseitigung von Programmsperren, selbst zum Zwecke der Fehlerkorrektur, wird trotz § 69 d Abs. 1 UrhG von der Rechtsprechung überwiegend als unzulässig angesehen.

Daher wird auch der Vertrieb von Ersatzdongles oder Dongle-Umgehungsprogrammen als Wettbewerbsverstoß qualifiziert (OLG Karlsruhe, 10.01.1996; LG München, 01.02.1994; OLG München, 22.06.1995; BGH, 09.11.1995; zuletzt OLG Düsseldorf, 27.03.1997, anderer Ansicht: LG Mannheim, 20.01.1995).

Wird Standard-Software auf einem Datenträger für unbegrenzte Dauer gegen einmalige Vergütung überlassen, dürfte die Bindung an eine bestimmte CPU wohl unwirksam sein. Insbesondere, wenn ein Hinweis auf die CPU-Bindung nur in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnt wird (s. OLG Frankfurt, 17.01.1991; OLG Frankfurt, 10.03.1994; OLG Nürnberg, 20.06.1989).

Wird die Software nur für eine bestimmte Zeit und gegen wiederkehrende Vergütungsleistungen überlassen, also nach herrschender Ansicht "vermietet", wird von vielen eine CPU-Klausel für wirksam gehalten, die sich nicht auf ein bestimmtes Gerät, sondern etwa auf eine Leistungsklasse von Prozessoren bezieht.

Das OLG Frankfurt hat (in einer Entscheidung vom 10.01.1991) die Bindung des Nutzers, Software nur auf Geräten des Lieferanten zu benutzen, welche in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten enthalten war, für unwirksam angesehen.

Zusammenfassung

Das letzte Wort über den Einsatz eines "expiration date" wird der BGH haben, dem das Urteil des OLG Bremen zur Revision vorgelegt worden ist.

Auch wenn die Entscheidung des OLG Bremen wohl zu weit geht, ist beim Einbau von "expiration date" Vorsicht geboten. Programmsperren können zum Schutz der Software verwendet werden. Unbedingt sollte der Kunde vor Vertragsschluß auf den konkreten Mechanismus hingewiesen werden. Die Erwähnung lediglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist problematisch.

Rückabwicklung, Schadensersatz und strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn der Kunde nicht vor Vertragsschluß über Programmschutzmechanismen informiert worden ist oder wenn die Sicherungsmittel Hardware, Software oder Daten des Kunden zerstören beziehungsweise vorenthalten könnten.

*Der Autor ist Mitglied der Anwaltskanzlei Antoine & Schneider in München.

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