Gerichtsort zu weit entfernt?

Rechtsmissbrauch bei Abmahnstreitigkeiten

18.03.2008
Dr. Christian Salzbrunn über ein Urteil zum Ausnutzen des "fliegenenden Gerichtsstands". Hier sollten Beklagte durch zusätzliche Reisekosten geschädigt werden.

Dr. Christian Salzbrunn über ein neues Urteil des KG Berlin, wonach das Ausnutzen des "fliegenden Gerichtsstands" rechtsmissbräuchlich sein kann. Damit sind Fälle gemeint, in denen Streitigkeiten um Abmahnungen vor möglichst weit entfernten Gerichtsorten eingeleitet werden, um die Beklagten zusätzlich durch erhebliche Reisekosten zum Gerichtsort zu schädigen.

"In den meisten Zivilprozessen kann sich der Beklagte darauf einstellen, dass er gemäß dem allgemeinen Gerichtsstand der §§ 12, 13 ZPO an seinem Wohnort bzw. an seinem Geschäftssitz verklagt wird. In Wettbewerbs- und Markenrechtsprozessen sieht dies oftmals jedoch anders aus: häufig werden Schutzrechtsverletzer an Gerichtsorten verklagt, welche von ihrem Geschäftssitz räumlich sehr weit entfernt sind. Damit sind für den Verletzer natürlich höhere Prozesskosten verbunden, schon allein durch eine viel weitere Anfahrt zu den Gerichtsterminen.

Der Grund hierfür liegt in dem so genannten "fliegenden Gerichtsstand" begründet. Nach diesem Grundsatz können Marken- und Wettbewerbsverstöße an jedem Ort gerichtlich geahndet werden, an dem sie begangen werden. Vor allem bei einer rechtswidrigen Werbung oder einer Markenverletzung im Internet ist das neben dem Standort des Servers gleichzeitig auch jeder Computer, mit dem die betreffende Internetseite abgerufen werden kann. Weil aber ein solcher PC an jedem Ort in Deutschland stehen kann, besteht für den Geschädigten, d. h. für den Kläger, die Möglichkeit, den Wettbewerbs- oder Markenverstoß vor jedem deutschen Gericht seiner Wahl ahnden zu lassen.

Das Kammergericht Berlin hatte nun in einem Beschluss vom 25.01.2008 über die Rechtsfrage zu befinden, ob dieser "fliegende Gerichtsstand" auch dann zulässig ist, wenn von dem geschädigten Kläger für ein Gerichtsverfahren ein Gericht ausgewählt wird, welches vom Geschäfts- und Wohnsitz des Verletzers möglichst weit entfernt ist, ohne dass hierfür ein entsprechender Sachgrund ersichtlich ist. In dem zu entscheidenden Fall ließ ein Unternehmen in 268 Fällen gleichlautende Abmahnungen wegen unzutreffender Widerrufsbelehrungen gegenüber seinen Mitbewerbern aussprechen. In den Fällen, in denen die betroffenen Mitbewerber die Abmahnungen nicht sogleich akzeptierten, folgten Gerichtsverfahren. Allerdings wurden diese Verfahren nicht an den Gerichten geführt, welche örtlich den Geschäftssitzen der Mitbewerber am nächsten lagen oder eine für den Kläger günstige Rechtsprechung verfolgten, sondern an Gerichten, die für die Mitbewerber räumlich möglichst weit entfernt waren. So wurde z. B. vor dem LG Köln ein Mitbewerber aus Hamburg in Anspruch genommen, während vor dem LG Hamburg wiederum Mitbewerber aus Bonn und aus der Nähe von Düsseldorf verklagt wurden. Des Weiteren wurde z. B. ein weiterer Mitbewerber aus der Nähe von Würzburg vor dem LG Berlin in Anspruch genommen und ein weiterer Gegner mit Geschäftssitz in Kaiserslautern vor dem LG in Magdeburg.

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