Redaktionshoheit übernehmen

07.10.2004

Die Gestaltung eines Vertrages soll kein Zufallsprodukt sein, sondern das Ergebnis planvollen Vorgehens. Um taktische Vorteile bei Vertragsverhandlungen zu erlangen, sollte ein IT-Fachhändler immer bestrebt sein, die Redaktionshoheit zu übernehmen. Das bedeutet, dass Vertragsverhandlungen auf Basis der eigenen Textvorschläge stattfinden. Ist dies aufgrund der Verhandlungssituation nicht möglich, so ist zumindest für die Beschreibung der Leistung oder die Erstellung des Pflichtenhefts die Redaktionshoheit anzustreben. Auf diesem Weg erhalten auch schwächere Vertragspartner die Möglichkeit, Einfluss auf die Vertragsgestaltung zu nehmen.

"Zugeständnis-Bilanz"

Der Vertragspartner, der die Redaktionshoheit hat, stellt für die weiteren Vertragsverhandlungen einen Vertragsentwurf zur Verfügung. Jede Änderung an dem vorgelegten Entwurf wird von dem Entwurfsverfasser zu Recht als Zugeständnis verstanden. Bereits eine Änderung der Formulierung wird als "Guthaben" in der "Bilanz der Zugeständnisse" verbucht. Die andere Vertragspartei muss um diese Zugeständnisse ringen. Sind Vertragsverhandlungen - wie üblich - ein Geben und Nehmen, so verringern sich mit jedem Zugeständnis die Verhandlungsspielräume zugunsten des Entwurfsverfassers. Ziel muss es sein, "optisch" möglichst viele Zugeständnisse, wenn auch formaler Art, zu erreichen, um sich bei entscheidenden Vertragsregelungen auf die Argumentation zurückziehen zu können, dass bereits erhebliche Zugeständnisse dem Vertragspartner gewährt wurden.

Um die Redaktionshoheit zu erlangen, benötigt ein IT-Fachhändler oder ein IT-Systemhaus einen Fundus an rechtssicheren Vertragsmustern. Es empfiehlt sich, für die wichtigsten Geschäftsbereiche mit anwaltlicher Hilfe solche Vertragsmuster zu erstellen. Dann lässt sich mit geringem Aufwand und entsprechend geringen Kosten für den jeweiligen Einzelfall mit rechtlicher Beratung ein individualisiertes Vertragsmuster erstellen. Insbesondere bei IT-Projekten sind rechtssichere Verträge notwendig. Da rund 50 Prozent der IT-Projekte nicht erfolgreich abgeschlossen werden, kann nur bei vertraglicher Absicherung bei einem gescheiterten IT-Projekt Schaden vom eigenen Unternehmen abgewendet werden.

Rechtsanwalt Thomas Feil

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