Reif fürs Altersheim?

05.02.2004
Eine Welle der Empörung rollte in den vergangenen Tagen durch Deutschland, nachdem bekannt wurde, dass ein Modediscounter sich von älteren Mitarbeitern trennen will, um ein jugendlicheres Image zu bekommen. Dabei handelt es sich hier keinesfalls um einen Einzelfall, sondern um einen bedenklichen Trend.

Ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" sorgte in der vergangenen Woche für eine Welle der Empörung: Wie die Zeitung berichtete, wollte sich ein Modediscounter von Beschäftigten, die älter als 50 Jahre sind, trennen - weil sie optisch nicht in das jung-dynamische Bild des Unternehmen passen.

Ein Blick auf die Stellenanzeigen zeigt, dass es sich hierbei keinesfalls um einen Einzelfall handelt, sondern vielmehr um einen besorgniserregenden Trend auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Denn häufig gehört zum gestellten Anforderungsprofil auch das "richtige" Alter: Der ideale Kandidat, die ideale Kandidatin ist demnach zwischen 30 und 35 Jahre alt, bis Mitte 40 nimmt man manchmal auch noch hin.

Beim Durchlesen dieser Stellenangebote muss man sich mit einem Alter ab 40/45 vorkommen wie jemand, der kurz vor dem Ruhestand steht: alt, verbraucht und nicht mehr zu gebrauchen!

Junge Manager: dynamisch, aber erfolglos

Im Zuge des Booms in der Vergangenheit waren viele Unternehmer der Meinung, dass junge Leute belastbarer, innovativer und dynamischer seien als Menschen jenseits der 40. Sie glaubten auch, hier langfristig Mitarbeiter zu haben und diese weiter aufbauen zu können. Deshalb ist das Pensionsalter fiktiv ständig nach unten gewandert, Vorruhestand mit 55 in großen Betrieben war an der Tagesordnung. Den Gewerkschaften tat man damit insofern sogar einen Gefallen, als wieder ein junger Mensch einen Arbeitsplatz hatte.

Während des Internet-Hype in den Jahren 1995 bis 2000 wurden viele junge Menschen in Vorstands- und Geschäftsführerpositionen gehoben. Was im Endeffekt daraus geworden ist, hat jeder mitbekommen: Die Blase ist geplatzt, man hat sich zu sehr auf die Dynamik der jungen Leute verlassen und ist damit in den meisten Fällen "baden" gegangen.

Welche Konsequenzen hatte dieser Verjüngungsprozess noch? Nun, es ging immer mehr Fachwissen verloren. Die jüngeren Mitarbeiter hatten nicht genügend Erfahrung und waren auch nicht gewohnt, in Krisensituationen zu arbeiten. Dies wirkte sich negativ auf die Arbeitsergebnisse aus: Denn inzwischen haben diverse Untersuchungen belegt, dass ältere Mitarbeiter weniger oft krank werden und ihre Arbeitsleistung auch viel gewissenhafter erbringen.

Die "Alten" bescherten den Firmen Gewinnzuwächse

Bedauerlicherweise haben die meisten Firmen immer noch nicht erkannt, dass sie mit dieser Vorgehensweise sich und dem Staat in vielerlei Hinsicht schaden. Es gibt viele Praxisbeispiele, die zeigen, dass es sich lohnt, Mitarbeiter jenseits der 40/45 einzustellen - egal in welcher Position.

Ein schwäbisches mittelständisches Unternehmen beispielsweise hatte vor drei Jahren Mitarbeiter in der Produktion gesucht und in der Stellenausschreibung gegen den Trend gezielt nach Bewerbern ab 45 Jahren gesucht. Die Antwortflut war groß, und der Unternehmer wählte zehn Bewerber aus, die zwischen 47 und 55 Jahre alt waren. Diese Mitarbeiter erhöhten im ersten Jahr ihrer Anstellung in dem Unternehmen die Produktivität: Das Unternehmen erwirtschaftete zehn Prozent mehr Gewinn, wovon der Firmeninhaber die Hälfte, also fünf Prozent, an die Mitarbeiter ausschüttete. Im Folgejahr wurde das Ganze nochmals um weitere zehn Prozent gesteigert.

In dieser Zeit war keiner der neuen, älteren Mitarbeiter auch nur einmal krank. Nicht nur das Gesamt-Know-how der Firma wuchs weiter an. Auch das gute Arbeitsklima verbesserte sich weiter, weil die "Neuen" das Gefühl hatten, gebraucht zu werden und noch lange nicht zum alten Eisen zu gehören.

Ältere Mitarbeiter sorgen für besseres Arbeitsklima

Unternehmen, die heute nach wie vor auf dem Trip sind, dass sie jüngere Mitarbeiter, vor allem jüngere Manager oder Top-Manager einstellen müssen, sollten bitte eines nicht vergessen: Diese Kandidaten verfügen in der Regel nicht über die Erfahrung eines älteren Mitarbeiters. Die sind in der Vergangenheit nämlich schon durchs Feuer gegangen und wissen, welche Fehler gemacht werden können. Die jüngeren Mitarbeiter werden mit Sicherheit noch den einen oder anderen Fehler begehen.

Dies kann das Unternehmen unter Umständen viel Geld kosten. Ältere Mitarbeiter und Führungskräfte verfügen aufgrund ihrer Erfahrungen meistens auch noch über mehr Sozialkompetenz und schaffen dadurch ein besseres Arbeitsklima, das wiederum meist auch zu besseren Ergebnissen führt.

Bei den jüngeren Mitarbeitern und Führungskräften herrscht heute hingegen sehr häufig ein unmenschlicher, rüder Umgangston, der im Umfeld zur Demotivation führt. Das "Menschsein" in der Firma kommt dann zu kurz. Defizite in der Menschenführung sind gerade bei jüngeren Führungskräften immer wieder auffällig.

Durch die aktuelle Politik der Unternehmen, nach wie vor lieber jüngere Leute einzustellen, werden immer mehr ältere Arbeitskräfte arbeitslos oder müssen in den Ruhestand. Dies belastet den Staat erheblich und führt zwangsweise wiederum zu den aktuellen finanziellen Problemen der Sozialversicherung. Diese Thematik muss sich auch ein verantwortungsbewusster Unternehmer, Vorstand, Geschäftsführer oder Personalchef vergegenwärtigen.

Nachdem die Regierung plant, die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre zu erhöhen, muss man sich doch fragen, wie das mit den aktuellen Einstellungskriterien vieler Firmen überhaupt konform gehen soll.

In den USA gibt es diese Art von Problemen viel weniger. Sicherlich sind die Arbeitsgarantien und Sicherheiten für die dortigen Arbeitnehmer geringer als in Deutschland. Aber man muss anerkennen, dass die US-Arbeitslosenquote erheblich unter der Deutschlands liegt. In den USA waren es per Jahresende 5,7 Prozent, in Deutschland 10,5 Prozent, also rund das Doppelte. In den USA wechselt jemand schneller die Firma, und die Verweildauern sind kürzer als in Deutschland. In den USA gilt jemand, der in vielen Firmen gearbeitet hat, als erfahrene Person, in Deutschland hingegen als Jobhopper, der es nirgendwo lange aushält. In den USA finden Personen über 50 deshalb auch meistens noch einen Job, in Deutschland ist dies äußerst schwierig.

Deshalb der Appell an alle Unternehmer, Vorstände, Geschäftsführer und Personalmanager: Stellen Sie auch Personen über 40/45/50 ein. Denken Sie an folgende Vorteile:

- Sie kaufen Erfahrung ein.

- Sie holen sich motivierte Menschen in die Firma.

- Sie schaffen durch diese Mitarbeiter ein besseres Arbeitsklima.

- Diese Mitarbeiter sind statistisch weniger krank als jüngere.

- Sie kaufen Mitarbeiter ein, die weniger Fehler machen, weil sie sie schon einmal gemacht und daraus gelernt haben.

- Sie bekommen Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Erfahrung in schwierigen Zeiten belastbarer sind.

- Auch diese Mitarbeiter arbeiten, gespiegelt an der möglichen neuen Lebensarbeitszeit, noch 17 bis 27 Jahre. Das ist doch nicht zu kurzfristig gedacht, oder ?

STECKBRIEF

*Peter Paul Krug,

Jahrgang 1954, hat Betriebswirtschaft studiert und ist als Unternehmensberater in München tätig. Von seinen früheren Tätigkeiten bringt er umfangreiche Führungserfahrung vom Vertriebsleiter bis zum Vorstandsvorsitzenden mit. Er hat in seiner Laufbahn Unternehmen mit unterschiedlicher Mitarbeiteranzahl (von 85 bis über 11.000) geleitet.

Peter Krug berät Unternehmer in Fragen der Geschäftsstrategie bei Restrukturierungen und Sanierungen, beim Aufbau neuer Geschäftsfelder, bei Mergers & Acquisitions, Kapitalbeschaffung und der Erstellung von Businness-Plänen. Krug bietet auch Schulungen und Vorträge zum Thema Mitarbeiterführung an.

Kontakt: peterkrug@p-k-u.de

Telefon: 089 94500253

Internet: www.p-k-u.de

Eine Chance für die "jungen Alten"

Aktuell beschäftigen mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen keine Mitarbeiter über 50 Jahre mehr, dies geht aus einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervor.

Weitere Ergebnisse: Nur ein Drittel aller Männer zwischen 60 und 65 ist hier zu lande noch erwerbstätig, bei den Frauen sind es nur noch 20 Prozent. Allerdings sehen die Experten einen Trendwechsel kommen - wenn auch keinen freiwilligen: Ab 2007 wird den Schätzungen zufolge das Angebot an Auszubildenden und ab 2010 das Angebot an Arbeitskräften allgemein deutlich sinken. "Die Zeiten, in denen ausscheidende Ältere nahezu mühelos durch Junge ersetzt werden konnten, sind bald vorbei", prognostiziert Arbeitsökonom Hartmut Buck. Seine Erkenntnisse hat er im "Zukunftsreport demografischer Wandel" zusammengefasst. mf

Links www

Weiterführende Infos

www.arbeit50plus.de

Die Initiative wurde vom Unternehmensberater Hugo Frey ins Leben gerufen und will vor allem ältere Mitarbeiter mit potenziellen Arbeitgebern zusammenbringen.

www.arbeitsamt.de

Arbeitgeber, die ältere Mitarbeiter suchen, können hier kostenlos eine Stellenanzeige aufgeben und sich außerdem über mögliche Zuschüsse vom Staat für "50plus"-Mitarbeiter informieren.

www.projekt50plus.de

Stellenbörse für Mitarbeiter um/ab 50 Jahre, mit zusätzlichen Informationen über Karriereplanung, Bewerbung und Newsletter.

www.uni-magdeburg.de,

www.uni-bielefeld.de

Das sind zwei der zahlreichen Universitäten, die inzwischen spezielle Unterstützung und Informationen für Studierwillige ab 50 anbieten. MF

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