So helfen Unternehmen ihren Mitarbeitern

Resilienz - vom Zauberwort zum Arbeitsalltag

Jolita Gurskyte ist Senior Growth & Development Partner bei Vinted, Europas größtem Online-C2C-Marktplatz für Second-Hand-Mode. Die ausgebildete Psychologin und Kriseninterventionsspezialistin leitet die Wellbeing-Strategie des Unternehmens.
Ein Unternehmen kann nur dann überdurchschnittlich performen, wenn die Mitarbeiter sich im seelischen Gleichgewicht befinden und resilient sind.
Seelisch ausgeglichene und resiliente Mitarbeiter tun dem Unternehmen gut
Seelisch ausgeglichene und resiliente Mitarbeiter tun dem Unternehmen gut
Foto: fizkes - shutterstock.com

Resilienz kommt von dem lateinischen Begriff resilire - was auf Deutsch "zurückspringen", "abprallen" bedeutet. Es beschreibt das Moment der Widerstandsfähigkeit oder auch die Bewältigungskapazität des Menschen. Resilienz ist das Pendant der Verwundbarkeit. Im Arbeitskontext zeigt sich seit der Pandemie immer stärker, was die letzten Jahrzehnte tabuisiert wurde: psychischer Erkrankungen, psychische Verwundbarkeit sind allgegenwärtig in der Berufswelt. Die Zauberformel für mentales Wellbeing am Arbeitsplatz lautet Resilienz.

Erst kürzlich belegte der Psychreport der DAK-Gesundheit, dass die Fehltage im Job aufgrund psychischer Erkrankungen seit Corona drastisch gestiegen sind. Soziale Isolation, fehlender persönlicher Kontakt zu Kollegen erschweren es vielen Personen, mit dem Arbeitsstress umzugehen. Berufstätige Menschen laufen permanent Gefahr, aus ihrer "Performance"- in die "Survival"- und schlussendlich in die "Burn-out"-Zone zu rutschen; die Pandemie katalysiert diesen Teufelskreis noch.

Eine weitere repräsentative Umfrage bestätigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der (eigenen) Bewertung der Resilienz der Umfrageteilnehmer und ihrem psychischen Wohlbefinden. Die Auswertungsergebnisse zeigen, dass Personen mit niedriger Resilienz häufiger unter Lustlosigkeit, dem Gefühl des "ausgebrannt"-Seins sowie Erschöpfung und Schlafstörung leiden. Besonders auffällig ist dabei die geringere Fähigkeit zur Stressregulation.

Bei der (psychischen) Verwundbarkeit auf der einen und der Resilienz auf der anderen Seite handelt es sich wohlgemerkt nicht um Persönlichkeitsmerkmale. Resilienz ist nichts Angeborenes und auch keine Charakterfrage - sie muss erlernt werden. Der Haken: Genau dafür gibt es kein Standardrezept.

Wie kann Resilienz entwickelt und gefördert werden?

1. Individuelle Ebene der Resilienz: Routine

Der Schlüssel zur Resilienz ist die Fähigkeit, von der Performance-Zone - wenn man das Gefühl hat, dass man seine persönlichen Ziele schaffen und erreichen kann - in die Renewal-Zone zu wechseln - wenn man ein angenehmes Gefühl hat und Energie tankt.

Wesentlich für die Entwicklung von Resilienz ist die Eigeninitiative, die Aktivität einer Person. Das Stichwort dabei: Routine. Besser gesagt brauchen wir Routinen, die helfen, Stress zu bewältigen, und müssen diese (neu) oder wieder erlernen. Jeder Mensch muss für sich herausfinden, welche Routinen ihm/ihr emotional guttun. Ob Fahrradfahren, Sport am Abend, selbst die an sich ungesunde Kaffee- oder Zigarettenpause - das Wichtigste ist, dass diese Aktivitäten den Personen helfen, Energie zu gewinnen beziehungsweise diese nicht zu verlieren. Aktivitäten müssen Energiequellen sein und positive Gefühle hervorrufen. Sie dürfen auf keinen Fall Energie fressen, da sie sonst schnell zu Stress und Frustration führen.

2. Kollektive Ebene der Resilienz: Reaktion, Rollen, Beziehungen und Reflexionen

Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, wie uns umgebenden Strukturen auf uns wirken. Unsere Umgebung unterstützt oder behindert, dass wir neue, individuelle, gesundheitsfördernden Haltungen entwickeln. Die individuelle Resilienz steht immer auch in einer Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Bedingungen.

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Denn das Phänomen der Resilienz ist ein zutiefst gesellschaftliches. Resilienz kann als ein komplexer intra- und interpersonaler wie auch intra- und inter-organisatorischer Interaktionsprozess verstanden werden. Eben in diesen Prozessen werden Reaktionen, Rollen, Beziehungen und Reflexionen gebildet. Fähigkeiten der Kommunikation und der Empathie, die erlernt und gefördert werden müssen, sind entscheidend dafür, dass wir resilient werden.

3. Alle für einen - einer für alle? Veränderung statt Stillstand

Um die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und der Gesellschaft zu fördern, erscheint eine ganzheitliche Resilienz-Förderung als probates Mittel. Ansetzen kann man dabei in der Organisationskultur der eigenen Unternehmen - präziser gesagt, der Resilienz-Kultur des Unternehmens. Unternehmen sind schließlich die wesentliche Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft.

Unternehmen stehen auf der einen Seite damit vor der Herausforderung dem Stress, den Angstzuständen, sowie dem Burnout, Depressionen ihrer Angestellten entgegenzuwirken und auf der anderen Seite sich den stetig wechselnden gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen: Agil zu bleiben. Resilienz ist eine Ressource, die für Unternehmen in Zukunft immer wichtiger werden wird. Die Geschwindigkeit des Wandels, der globalen Verflechtungen nehmen zu.

Resilienz im Unternehmen ist ein Gesamtkonzept. Jeder Einzelne, aber auch die Gemeinschaft, das Unternehmen als Ganzes müssen sich stetig reflektieren, verändern und nachhaltig handeln oder anpassen. Angestrebt wird ein funktionierender Anpassungs- und Krisenbewältigungsprozess sowohl auf der Ebene der einzelnen Mitarbeitenden als auch bei der Zusammenarbeit unter den Mitarbeitenden und den Führungskräften.

Die Förderung der Resilienz im Unternehmen ist Voraussetzung für den Erhalt der wichtigsten Ressourcen des Unternehmens auch in (post-)pandemischen Zeiten: der Innovationskraft, Anpassungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter.

4. Wohlfühl-Trainings

Freiwillige Optionen für Angestellte schaffen ein neues Arbeitsklima: Moderne Unternehmen bieten Seminare für alle Mitarbeiter an. Dadurch erhalten sie die Gelegenheit, mehr über ihre Resilienz herauszufinden. Was für verschiedene Energien - körperliche, geistige, emotionale und spirituelle - gibt es? Wie sieht eine gesunde Entwicklung aus? Wie verhindert man also das Abrutschen in die Survival- und schlussendlich in die Burnout-Zone? Außerdem können Unternehmen unterstützende Apps implementieren. Mit digitalen Anwendungen wie "Mindletics" können Angestellte ein Emotionstagebuch schreiben und so ihre Stimmungen und Gefühle tracken. Sie können bei Bedarf auch Video-Therapiestunden mit verifiziertem Fachpersonal führen.

Doch nicht nur die Nutzer dieser App profitieren von diesen Anwendungen, auch das Unternehmen bekommt wichtige Insights. Die anonymisierten Daten, bestehend aus getrackten Stimmungen und Energielevels an verschiedenen Tagen der Woche, helfen die Arbeitsweise und Strategien entsprechend den Bedürfnissen der Angestellten anzupassen. Zugleich besteht dadurch die Möglichkeit die Organisationskultur des Unternehmens nachhaltig durch kollektive Eindrücke zu prägen und zu verändern.

Wichtig ist, dass alle Maßnahmen, die Unternehmen auf dem Weg zu einer funktionierenden Wohlfühlstrategie einführen, auf freiwilliger Basis erfolgen. Wertschätzung, Support, Verständnis und ein gutes Gefühl während der Arbeit sind die Basics für eine inklusive Arbeitsatmosphäre. Der Grundstein für diese neue inklusive Arbeitswelt wurde gelegt. Die Resilienz wird sich für Menschen und Unternehmen gleichermaßen auszahlen.

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