RFID: Der Schnüffelchip begeistert den Handel

25.03.2004
41 Prozent der europäischen Retailer planen noch in diesem Jahr die Einführung von RFID. Von dem "Schnüffelchip", der Datenschützern die Schweißperlen auf die Stirn treibt, versprechen sie sich eine höhere Effektivität in der Logistik. Von ComputerPartner-Redakteurin Marzena Fiok

Der Anbieter von Drucklösungen Printronix (www.printronix.com) hat eine europaweite Studie zum Thema RFID (Radio Frequency Identification) vorgestellt, bei der 125 führende Retailer in Europa befragt wurden. Ergebnis: 41 Prozent aller europäischen Händler streben noch in diesem Jahr die Einführung von RFID an. Sie versprechen sich davon auf Dauer vor allem eine höhere Effektivität für die Lieferkette der Logistik. Datenschützer sehen in dieser Entwicklung allerdings den Anfang vom Ende: Zur Verbindung mit Kundenkarten sei es dann nur noch ein kleiner Schritt; das Resultat sei ein berechenbarer "gläserner Kunde", so die Experten (siehe Kasten). Für die Wirtschaft wäre das allerdings ein Milliardengeschäft.

Die Studie, die vom Marktforschungsinstitut Vanson Bourne durchgeführt wurde, konzentrierte sich auf die führenden Händler in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. 34 Prozent von ihnen glauben, dass RFID die ideale Technologie ist, um den Warenweg verfolgen und die Zahl der Produkte, die auf dem Lieferweg verloren gehen, massiv reduzieren zu können.

Zwei Drittel der europäischen Zulieferer haben aktuell noch keine RFID-Technologie eingeführt, 41 Prozent wollen es noch in diesem Jahr tun. 25 Prozent aller Befragten geben an, dass bereits mehr als die Hälfte aller Kisten und Paletten, die von ihren Zulieferern kommen, mit RFID-Etiketten versehen sind. Für 2006 gehen 39 Prozent davon aus, dass über die Hälfte ihrer Zulieferer RFID-Etiketten verwenden werden.

Offene Fragen bezüglich EU-Standards

Der Umfrage zufolge besteht bei den Befragten allerdings noch großer Informationsbedarf bezüglich der Anforderungen und der zukünftigen europäischen Standards. 37 Prozent der europäischen Händler sehen dies als signifikantes Hindernis für eine Einführung von RFID. Die Situation wird sich aber voraussichtlich schon im Juni 2004 klären, denn zu diesem Zeitpunkt wird OFCOM, die Regulierungsbehörde der europäischen Kommunikationsindustrie, neue europäische Frequenzen für Tags und Prüfgeräte festlegen.

Des Weiteren hindern die hohen Kosten der RFID-Tags und Prüfgeräte noch 34 Prozent der Befragten an einer Investition. 58 Prozent der Händler in Großbritannien nennen die Kostenschwelle noch als größten Hindernisfaktor. Und obwohl sehr viele Hardwarehersteller RFID-Produkte vertreiben, zeigt die Studie, dass 31 Prozent der europäischen Händler unsicher sind, an welchen Lieferanten sie sich bezüglich einer RFID-verträglichen Technologie wenden sollen.

Datenschutz im Logistikbereich

Im Gegensatz zum Einzelhandel, bei dem es starke Vorbehalte gegen den Einsatz von RFID-Etiketten aus Datenschutzgründen gibt, hat die Umfrage im Supply-Chain-Bereich in diesem Punkt keine wirklichen Bedenken ergeben. Die Mehrheit der europäischen Händler sieht darin keinen Hinderungsgrund.

"Wir sind überzeugt, dass es eine massive Nachfrage im B2B-Geschäft geben wird, sowohl in der Industrie als auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung", prognostiziert Brad Davis, Director Product Marketing bei Printronix.

Der Hersteller und Auftraggeber der Studie hat im September 2003 in den USA den ersten Drucker für RFID-Etiketten auf den Markt gebracht und inzwischen auch ein neues "RFID-Partner-Programm" gestartet. Auf der Cebit war RFID - neben dem "digitalen Heim" - das wichtigste Trendthema für 2004.

Meinung der Redakteurin

Für die Wirtschaft und den Handel ist die neue Technologie ein Segen, der alte Barcode hat in wenigen Jahren komplett ausgedient. Allerdings sollte man vor lauter Begeisterung die Gefahren nicht komplett übersehen: Denn die RFID-Chips lassen sich überall verstecken, in der Kleidung und an Orten, an denen man lieber unerkannt bleibt. Die Überwachungsmöglichkeiten haben eine neue Klasse erreicht und damit auch ihr Gefahrenpotenzial.

Was steckt hinter RFID?

Den Begriff RFID sollte man sich einprägen. Denn "Radio Frequency Identifikation" (Identifizierung mittels Radiowellen) ist ein ziemlich heißes Eisen. In naher Zukunft wird viel darüber diskutiert, gestritten und natürlich zu lesen sein. Warum das so ist? Nun, RFID ist eine Technologie, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. RDIF kommt in Form von winzigen Halbleitern daher, die Informationen an einen Sender schicken. Eine Stromversorgung brauchen die Chips nicht. Sie sind so klein, dass sie problemlos überall und unsichtbar untergebracht werden können: in Kleidung, in Preisetiketten, in Lebensmitteln, Notebooks - eigentlich alles kann mit RFID-Chips versehen werden. Auf Knopfdruck kann ein Händler also beispielsweise sehen, welche Produkte er auf Lager hat. Branchengrößen wie Intel, Microsoft, Oracle, SAP, Siemens oder Sun glauben an RFID und sehen in einer vollständig vernetzten Wirtschaft die Zukunft - ein Multimilliardenmarkt lockt. Eine Vielzahl von Lösungen liegt bei den Herstellern schon in der Schublade; einige sind bereits marktreif.

RFID ist jedoch Segen und Fluch zugleich. Mithilfe der Radiowanzen kann jedes Produkt verfolgt und letztlich Personen zugeordnet werden. Und darin steckt nach Meinung von Datenschützern eine Menge Brisanz. So kann, rein theoretisch, ein Funkwagen durch die Straßen rollen und scannen, in welchem Haushalt welche Produkte zu finden sind. Vor einigen Wochen erst wurde der Metro-Konzern dabei ertappt, dass er in seinem "Future-Store" Kundenkarten ausgab, in denen solche Minisender versteckt waren. CM

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