Rhetorik im Zeitalter der Informationstechnologie

10.10.1997
KÖNIGSTEIN/TAUNUS: Im Zeitalter der Informationstechnologie scheinen rhetorische Fähigkeiten zunehmend in den Hintergrund zu rücken. Die Kommunikation läuft weltweit über Texte und Bilder ab, wozu also die mühevolle Kunst der Rhetorik erlernen? Es läßt sich jedoch erkennen, daß bei großen Entscheidungen zwischen Geschäftspartnern der persönliche Auftritt des einzelnen immer den Ausschlag geben wird.Noch nie, seit es diese Welt gibt, haben auf ihr so viele Menschen gleichzeitig gelebt. Das Wachstum der Erdbevölkerung ist seit Beginn dieses Jahrhunderts in die Höhe geschnellt. Ein - wenn das überhaupt denkbar ist - noch schnelleres Wachstum erlebt die Informations-technologie: Die Menge der Daten und Informationen, die heute in jeder Sekunde über weitgehend selbständig arbeitende Satelliten, weltweit vernetzte Datenbanken mit eigener (künstlicher) Intelligenz, über elektronische Netzwerke, das altmodische Telefon und - last, but not least - durch die persönlichen Kontakte von immer mehr Menschen in immer mehr Orten in einer immer mobileren Welt ausgetauscht werden, übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Das hat zwei Konsequenzen: Zum einen weltweiten und unendlich schnellen Wettbewerb in allen Ausprägungen, zum anderen die ständige Ansprechbarkeit und Verfügbarkeit des einzelnen, wenn er in diesem globalen Wettbewerb noch eine Rolle spielen will.

KÖNIGSTEIN/TAUNUS: Im Zeitalter der Informationstechnologie scheinen rhetorische Fähigkeiten zunehmend in den Hintergrund zu rücken. Die Kommunikation läuft weltweit über Texte und Bilder ab, wozu also die mühevolle Kunst der Rhetorik erlernen? Es läßt sich jedoch erkennen, daß bei großen Entscheidungen zwischen Geschäftspartnern der persönliche Auftritt des einzelnen immer den Ausschlag geben wird.Noch nie, seit es diese Welt gibt, haben auf ihr so viele Menschen gleichzeitig gelebt. Das Wachstum der Erdbevölkerung ist seit Beginn dieses Jahrhunderts in die Höhe geschnellt. Ein - wenn das überhaupt denkbar ist - noch schnelleres Wachstum erlebt die Informations-technologie: Die Menge der Daten und Informationen, die heute in jeder Sekunde über weitgehend selbständig arbeitende Satelliten, weltweit vernetzte Datenbanken mit eigener (künstlicher) Intelligenz, über elektronische Netzwerke, das altmodische Telefon und - last, but not least - durch die persönlichen Kontakte von immer mehr Menschen in immer mehr Orten in einer immer mobileren Welt ausgetauscht werden, übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Das hat zwei Konsequenzen: Zum einen weltweiten und unendlich schnellen Wettbewerb in allen Ausprägungen, zum anderen die ständige Ansprechbarkeit und Verfügbarkeit des einzelnen, wenn er in diesem globalen Wettbewerb noch eine Rolle spielen will.

Nun werden Sie einwenden, gerade deshalb sei Rhetorik vernachlässigbar. Der vielzitierte Daten-SuperHighway der Information läuft vornehmlich über Texte und Bilder, das eigene Wort am Telefon (sprich: Handy) hat demgegenüber eine untergeordnete Bedeutung.

Video-Konferenzen und Rhetorik

Irrtum: Gerade weil so viele Informationen schon in Form von Texten und Bildern vorliegen, bildet das gesprochene Wort am Telefon Vertrauen, bestätigt oder korrigiert den vorab schon gebildeten Eindruck. Und: Je mehr Video-Konferenzen in Mode kommen, um so wichtiger ist es, Rhetorik als ganzheitlichen Ansatz auch körpersprachlich zu begreifen und zu beherrschen.

So gibt es die berühmte Geschichte aus der Pionierzeit der Video-Konferenzen, als in so einer Konferenz die einzige - Frau in einer Männerrunde zwar durch Mimik und Haltung des Oberkörpers beherrscht - ihre Standpunkte unterstützte, ihre hübschen Beine unter einem kurzen Rock jedoch das Gegenteil verrieten: Mal wippten sie nervös, ein andermal waren sie übergeschlagen, einmal ließ sie sogar - in äußerster Konzentration - einen ihrer hochhackigen Pumps vom Zeh gleiten. Ihre Kollegen, im Halbkreis um die Kamera geschart, bekamen das nicht mit. Wohl aber die anderen Konferenzteilnehmer, die Empfänger in einer viele hundert Kilometer entfernten Stadt. Sie können sich vorstellen, was passierte: Die einzige Frau in der Männerrunde zog natürlich die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Und besonders ihre hübschen Beine.

Die teure Video-Konferenz, anberaumt um wichtige Entscheidungen zu treffen, scheiterte: Auf die mit großer Entschlossenheit vorgetragenen Argumente der Gruppe mit der Dame mischten sich in die Antworten der Gegenseite immer mehr und immer weniger überhörbar amüsierte Untertöne, ein ernsthafter Dialog war nicht mehr möglich. Erst viel später gestand ein Teilnehmer der Empfängerseite: "Wir haben schließlich nur noch auf die Beine der Dame geguckt." - Sicher: Damenbeine fallen mehr auf als Männerhosen. Aber sicherlich ist auch richtig: Rhetorik ist eine erlernbare und beherrschbare Kunst, die den Könner auch und gerade bei Video-Konferenzen als ganzheitlich überzeugende und vertrauengewinnende Persönlichkeit auszeichnet.

Am Anfang war das Wort

Dieses Sprichwort kennen Sie: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte." Natürlich: Sehen ist evolutionsgeschichtlich der wichtigste Sinn des Menschen, Gefahren zu erkennen und ihnen zu entgehen beziehungsweise sie abzuwehren. Und: Gegenüber nüchternen Texten können Bilder, besonders lebende Bilder im Werbefilm, weit mehr bewegen. Sie richten sich direkt an das Gefühl, suggerieren Wünsche und bleiben haften. Auch unser Gehirn "denkt" in Bildern.

Aber: "Am Anfang war das Wort", heißt es in der Bibel. Man kann auch darüber streiten, ob es nicht besser heißen müßte, am Anfang war die Idee (siehe Goethe, Faust). Sie mögen vielleicht die Bibel nicht als Beleg nehmen, dem Christentum eher kritisch gegenüberstehen und dem Ganzen nicht so recht vertrauen. Das akzeptiere ich. Dabei bitte ich Sie jedoch zu bedenken: Wenn eine Idee entsteht, erscheint sie zwar meist als Bild, sie wird aber zunächst einmal ausgesprochen. Und die Stimme und die Art der Worte verraten dem Hörer sehr viel darüber, ob denn bei dem Ideenfinder die Idee selbst als gut und richtig befunden wird. Der Hörende reagiert sofort auf das gesprochene Wort.

Und noch viel wichtiger: In den ersten neun Monaten unseres Erdendaseins, nämlich im Mutterleib, konnten Sie nichts sehen, wohl aber die Geräusche im Mutterleib und möglicherweise sogar die Stimme der Mutter hören. Das haben Forschungen ergeben. Der Sinn des Sehens entwickelt sich erst nach und nach. Viele Säugetiere können in den ersten Wochen nach ihrer Geburt noch gar nichts sehen. Nichts prägt den Menschen so sehr wie das Hören. Hören dringt tief in unser Unterbewußtsein ein, wohingegen das Sehen zum schnellen Begreifen und Denken in der oberen Sphäre unseres Bewußtseins bleibt. Rhetorik ist die Lehre, Stimme und Worte meisterhaft zu gebrauchen, bis in die Tiefe des Unterbewußtseins vorzudringen, um andere zu beeinflussen und zu überzeugen.

Oben habe ich es schon angesprochen: Wir leben im Zeitalter der Informationstechnologie. Immer mehr läuft die weltweite Kommunikation über Mailboxen und Btx - darüber wird künftig sogar noch mehr verkauft werden als heute. Warum? Weil man nur dann erfolgreich verkaufen kann, wenn man den Kunden dort abholt, wo er sich gerade befindet. Und das wird zunehmend vor seinem häuslichen Terminal sein, seien es nun der Computer oder das Btx-Modem und/oder Mischformen davon. Also kann man sich die mühevolle Kunst der Rhetorik doch sparen, besonders im Verkauf, wo rhetorische Fähigkeiten viel direkter von Erfolg gekrönt sind als beispielsweise bei Politikern oder Unternehmensführern. Mag sein. Zumindest für diese Art des Verkaufens.

Der persönliche Auftritt entscheidet

Jedoch: Können Sie sich vorstellen, daß wirklich weitreichende und schwerwiegende Entscheidungen zwischen Geschäftspartnern ohne ein persönliches Kennenlernen, einen persönlichen Auftritt der beiden Geschäftspartner beziehungsweise Partner-Gruppen getroffen werden? Können Sie sich vorstellen, als Verkäufer, Manager, Projektleiter, Bewerber um eine neue Stelle oder Aufgabe wirklich ohne persönlichen Auftritt zum Ziel zu gelangen? Wenn es um große Entscheidungen geht, ist es allemal der persönliche Auftritt, der den Ausschlag gibt. Sie als Person sind aufgerufen, Sie verkaufen sich über Ihr Auftreten, Ihre Kleidung, Ihre Mimik und Gestik, über Ihre Stimme, über die Wahl Ihrer Worte und Ihre Argumentation. Sie verkaufen sich mit brillanter Rhetorik.

Dies gilt besonders dann, wenn Entscheidungen nicht mehr zwischen einzelnen, sondern von Gruppen getroffen werden. Da stehen Sie vor einer Gruppe potentieller Kunden oder vor dem Führungsteam eines Unternehmens, vor Mitarbeitern oder Kunden. Je mehr Menschen Sie betrachten und Ihnen zuhören, desto besser müssen Sie diese gewinnen. Je mehr Menschen in einer Gruppe versammelt sind, desto mehr trachten sie danach, sich über alle möglichen Einwände, Nebenbemerkungen und Kritik innerhalb der eigenen Gruppe zu profilieren. Sie müssen damit fertig werden, Sie müssen alle überzeugen, auch und gerade dann, wenn Einwände, Kritik oder abfällige Nebenbemerkungen nur oberflächlich Ihnen und Ihrem Ziel gelten, tatsächlich aber nur dem internen Image und Positionierungsgerangel dienen. Wenn Sie dem rhetorisch nicht gewachsen sind, gehen Sie gnadenlos unter. Auch wenn Sie vorher die perfekteste Informations-Show mit allen nur denkbaren technischen Hilfsmitteln inszeniert haben. Entscheidend ist immer noch - und wird es bleiben - der Mensch, der hinter den Produkten oder vor den zu lösenden Aufgaben steht, dem man vertrauen will, dem man die Beherrschung seiner Aufgabe zutraut.

Nikolaus B. Enkelmann ist Erfolgstrainer im Institut für Persönlichkeitsbildung und Zukunftsgestaltung in Königstein/Taunus. Grundlage dieses Beitrags ist das erste Kapitel aus Nikolaus B. Enkelmanns Buch "Power der Verkaufsrhetorik", das beim Gabler Verlag in Wiesbaden erschienen ist.

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