Risiken der Open-Source-Software

08.04.2004
Open-Source-Software entwickelt sich immer mehr zu einer ernst zu nehmenden Alternative. Doch neben praktischen Problemen birgt die Anwendung der kostenlosen Programme auch juristische Fallen. Rechtsanwalt Thomas Feil erklärt, worauf Anwender und Programmierer achten müssen. Von Thomas Feil

Open-Source-Software (OSS) etabliert sich immer mehr als ernst zunehmende Alternative zu kommerzieller Software. So setzen Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Zeiten knapper Kassen zunehmend auf Linux und Co. Open-Source-Software zeichnet sich im Wesentlichen durch folgende Merkmale aus: freie Weiterverbreitung, Offenlegung der Quellcodes, Änderungsbefugnis und Non Profit - eine kommerzielle Verwertung des Programms ist ausgeschlossen.

Um diese Leitgedanken in rechtliche Formen zu gießen, wird OSS regelmäßig unter der Geltung der so genannten "General Public License" (GPL) vertrieben. Neben den oben genannten Aspekten statuiert die Lizenzvereinbarung umfassende Haftungsausschlüsse zu Gunsten des Entwicklers und bestimmt, dass auch das geänderte bzw. weiterentwickelte Programm nur unter GPL-Bedingungen vertrieben werden darf.

Vorteile und Nachteile des Einsatzes

OSS zeichnet sich durch ein hohes Innovationspotenzial aus. Die freie Verfügbarkeit des Quellcodes gewährleistet, dass eine große Entwicklergemeinde ständig an Verbesserungen bzw. der Fehlerbehebung arbeitet. Endbenutzer können OSS beliebig ändern und ihren Bedürfnissen exakt anpassen. OSS deckt mittlerweile ein breites Spektrum an Anwendungssoftware ab und ist in der Regel plattformunabhängig einsetzbar. Sicherheit und Stabilität von OSS-Systemen haben sich mittlerweile auch schon außerhalb der Entwicklerszene herumgesprochen. Finanzielle Ressourcen werden mit entfallenden Lizenzgebühren geschont. Und auf Grund der oftmals vorhandenen Möglichkeit, OSS extern per DFÜ zu warten, muss die Zahl der In-House-IT-Experten nicht zwangsläufig aufgestockt werden.

Doch der Einsatz birgt auch Probleme. Meist geht es dabei um Schwierigkeiten, die sich beispielsweise beim Import und Export externer Datenformate (zum Beispiel MS-Produkte) oder bei der Installation und Anpassung zeigen. Abgesehen davon birgt die Alternative zusätzlich rechtliche Risiken.

Rechtliche Risiken

Rechtliche Beziehungen bestehen im Rahmen von OSS-Lizenzen üblicherweise zwischen drei Beteiligten. Ein Beteiligter ist der Entwickler der Software, der die Urheberrechte an dem Produkt innehat. Distributoren stellen verschiedene OSS-Produkte zusammen und schaffen einen Mehrwert, indem sie im Idealfall die Kompatibilität der Komponenten sicherstellen und Installationsroutinen sowie Dokumentationen zur Verfügung stellen. Der Endnutzer nutzt und ändert die Software.

Anwendbares Recht

Juristische Probleme bereitet schon die Bestimmung des anwendbaren Rechts.

Da die GPL zwischen dem Endnutzer und dem Entwickler (vertreten durch den Distributor) geschlossen wird, weisen derartige Verträge häufig Auslandsbezug auf. Üblicherweise findet das Recht des Landes Anwendung, in dem der die Leistung erbringende Vertragspartner sitzt (Art. 28 EGBGB). Dies wird üblicherweise der Sitz des Urhebers sein. Die juristische Tücke dieser Regelung steckt wie immer im Detail: Entwickeln verschiedene Personen aus unterschiedlichen Ländern die Software, sodass sie als Miturheber anzusehen sind, entstehen komplexe Gemengelagen der unterschiedlichsten Rechtsordnungen. Teilweise entschärft wird dieses Problem durch Art. 29 II EGBGB, wonach verbraucherschützende Vorschriften, wie das AGB- oder Fernabsatz-Recht, immer Anwendung finden. Dies gilt aber nur, wenn der Endnutzer weder zu beruflichen noch zu gewerblichen Zwecken, sondern nur als Verbraucher tätig wird.

Auch der Distributor kann seinen Unternehmenssitz im Ausland haben. Soweit er eigene Leistungen gegenüber dem Endnutzer erbringt, entstehen selbstständige rechtliche Beziehungen, die sich wiederum nach dem Recht des Herkunftslandes bestimmen. Verlangt der Distributor für seine Leistungen eine Vergütung, so lässt sich der Vertrag mit dem Endnutzer als Softwarekauf klassifizieren. Häufig findet dann die "United Nations Convention on Contract of International Sales of Goods" (CISG) Anwendung, soweit die beiden Vertragsparteien ihren Sitz in einem der Vertragsländer haben. Im Ergebnis lassen sich Probleme nur durch eine juristische Einzelfallberatung vermeiden.

Aus Sicht des Nutzers

Zweiter juristischer Themenkomplex, der sich insbesondere auf den Endnutzer auswirkt, ist die Gewährleistung beziehungsweise Haftung. Die GPL schließen Ansprüche des Endnutzers vor dem Hintergrund aus, dass der Entwickler unentgeltlich tätig wird und auf Entwicklungsleistungen anderer aufbaut. Soweit ausländisches Recht gilt und dieses einen vollständigen Haftungsausschluss zulässt, stehen dem Endnutzer weder Ansprüche auf Schadenersatz noch solche auf Nachlieferung oder Minderung zu.

Findet hingegen nach dem oben Gesagten deutsches Recht Anwendung, so halten die Bestimmungen einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht stand. Die Haftung darf nach den §§ 309 ff. BGB allenfalls für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden. Auch ein kompletter Ausschluss der Gewährleistungsrechte ist nicht zulässig, da die Software in der Regel einer neu hergestellten Sache gleichsteht. Daraus folgt, dass die beschränkenden Bestimmungen der GPL als Ganze unwirksam sind.

An deren Stelle treten die gesetzlichen Regeln: Wegen der Unentgeltlichkeit ist die reine Überlassung von OSS regelmäßig als gemischter Schenkungsvertrag einzuordnen. Der Entwickler haftet damit nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Gewährleistungspflichten treffen ihn nur, wenn er Mängel der Software arglistig verschwiegen hat, was nur schwer zu beweisen sein dürfte. Somit sind auch unter der Geltung deutschen Rechts Ansprüche gegen den Entwickler kaum realisierbar. Andere vertragliche Konstellationen, die in der Praxis anzutreffen sind, können im Einzelfall zu erweiterten Gewährleistungsrechten führen.

Ein wenig anders stellt sich die Situation in Bezug auf den Distributor dar. Soweit er Eigenleistungen, insbesondere im Bereich der Zusammenstellung, der Installationsroutinen oder der Dokumentation, erbringt, verlangt er im Gegenzug regelmäßig eine Vergütung. In der Folge richten sich die Rechte der Beteiligten nach Kaufrecht oder Werkvertragsrecht. Der Endnutzer kann damit die bekannten Gewährleistungsansprüche wie Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder Schadenersatz geltend machen, wenn beispielsweise die ausgewählten Komponenten inkompatibel sind oder Installationsroutinen nicht ordnungsgemäß funktionieren. Für Mängel der Software selbst haftet er jedoch nicht, da insoweit der Schenkungscharakter im Vordergrund steht.

Zur Lösung des Problems bieten sich verschiedene Ansätze an. Zum einen könnte ein externes Unternehmen mit der Auswahl, Beschaffung und Installation der OSS beauftragt werden. Bestimmte Mängel der Software ließen sich dann unter dem Aspekt des Beratungsfehlers abwickeln. Eine andere Möglichkeit eröffnen einige Distributoren selbst: Gegen eine entsprechende Vergütung übernehmen sie die Gewährleistung.

Zusätzlich besteht noch die Gefahr, dass der Erwerber Nachforderungen der Urheber von OSS ausgesetzt wird. § 32a Absatz 2 UrhG gibt dem Urheber im Wege der Vertragspassung einen unverzichtbaren Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegen jeden, der die Software gewinnbringend einsetzt. Diesem steht nicht entgegen, dass der Entwickler gemäß Paragraph 32 Absatz 3 Satz 3 UrhG unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht einräumen kann. Denn soweit er im Angestelltenverhältnis tätig ist und entlohnt wird, fehlt es regelmäßig an der Unentgeltlichkeit. Ob dieser Widerspruch zum OSS-Konzept durch rechtliche Konstruktionen aufzulösen ist, bedarf der zukünftigen Klärung durch die Rechtsprechung.

Aus Sicht des Entwicklers

Aber auch der Entwickler sieht sich aufgrund der OSS-Konzeption mit Risiken konfrontiert. Wie bereits angedeutet, darf der Nutzer die OSS nur unter der Prämisse verändern, dass er seinerseits das Arbeitsergebnis unter die Geltung der GPL stellt. Ihm ist daher die wirtschaftliche Verwertung seiner Weiterentwicklung verwehrt. Gleichzeitig besteht die Pflicht, sein Arbeitsergebnis zugänglich zu machen und den Quellcode zur Verfügung zu stellen. Bei Zuwiderhandlungen überschreitet er seine Nutzungsrechte und sieht sich Schadenersatz- und Unterlassungsansprüchen des Urhebers ausgesetzt. Brisanz erlangt dieser Mechanismus, wenn man bedenkt, wie schnell auch ein Endnutzer in die Rolle eines Entwicklers gedrängt werden kann. Denn die GPL soll für alle Arbeitsergebnisse Geltung erlangen, solange sie nur "a work based on the program" darstellen. Nach der insoweit sehr weiten Definition in der GPL reicht es schon aus, dass das Programm oder ein Teil davon in veränderter oder unveränderter Form im Arbeitsergebnis enthalten ist. Zwar wird damit das Dokument, das mit einer OSS-Textverarbeitung erstellt wurde, noch nicht zu einem auf dem Programm basierenden Werk, da es keine Züge des Ausgangswerkes übernimmt. Schwieriger wird die Einordnung aber schon dann, wenn das erstellte Dokument auch auf anderen Systemen autark laufen soll. Zu diesem Zweck muss es mit ausführbaren Elementen verknüpft werden, die von der Erstellungssoftware herrühren und einen Teil derselben darstellen.

Eine unter die GPL fallende Bearbeitung liegt jedenfalls dann vor, wenn die Software durch Änderungen des Quellcodes an die eigenen Erfordernisse angepasst oder aber Elemente aus OSS-Programmbibliotheken für die eigene Software übernommen wird. Unter Geltung der strengen GPL-Vorschriften bestünde damit die Pflicht, diese Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich zu machen. Dies läuft den vitalen Interessen eines Unternehmens zumindest dann zuwider, wenn in die Bearbeitung der Software etwa geheimes Know-how eingeflossen ist. Im Ergebnis sollte die Umarbeitung der Software also nur dann erfolgen, wenn ein Konflikt mit Geheimhaltungsinteressen ausgeschlossen ist.

Zusammenfassung

Im Ergebnis birgt die Verwendung von OSS gerade im gewerblichen Bereich ein hohes Konfliktpotenzial. Wie jede neue Entwicklung lässt sich auch OSS nicht ohne weiteres in bekannte juristische Schemen pressen. Um rechtliche Unwägbarkeiten möglichst zu minimieren, sollte der Einsatz von OSS in jedem Einzelfall einer juristischen Risikoanalyse unterzogen werden.

Steckbrief

Thomas Feil

Thomas Feil arbeitet seit 1994 als Jurist und ist derzeit in Hannover als Anwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei von Hartmann & Partner tätig. Zu seinen weiteren Schwerpunkten gehören EDV-, Internet- und Wettbewerbsrecht.

Kontakt: www.recht-freundlich.de

Zur Startseite