Unterstützung der Investoren für Neuanfang

Riverbed Technology flüchtet sich in Gläubigerschutz

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Riverbed Technology hat in den USA Insolvenzschutz nach Chapter 11 beantragt. Ziel ist eine finanzielle Restrukturierung, um Schulden in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar abzubauen. Auf Anfrage erfuhr ChannelPartner, dass das Geschäft in Europa zunächst wie gewohnt fortgesetzt werden soll.
Kerstin Andersson-Kucharik, Channel Sales Managerin für Deutschland und Österreich bei Riverbed Technology, zeigt sic trotz Chapater-11-Verfahren in den USA für das Geschäft hierzulande optimistisch.
Kerstin Andersson-Kucharik, Channel Sales Managerin für Deutschland und Österreich bei Riverbed Technology, zeigt sic trotz Chapater-11-Verfahren in den USA für das Geschäft hierzulande optimistisch.
Foto: Riverbed Technology

Der SD-WAN- und WAN-Optimierer Riverbed Technology hat begonnen, die im Oktober angekündigte finanzielle Restrukturierung umzusetzen. Sie wird von allen stimmberechtigten Kreditgebern sowie den Private-Equity-Mehrheitseigentümern Thoma Bravo und Ontario Teachers' Pension Plan unterstützt. Die beiden Investoren hatten das Unternehmen 2014 für rund 3,6 Milliarden Dollar übernommen. Einschneidendste Maßnahme dabei ist der nun gestellte Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11. Dieser vielfach mit einem deutschen Insolvenzantrag gleichgesetzte Schritt unterscheidet sich davon jedoch, dass nicht die Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger im Vordergrund steht, sondern die Fortführung des Unternehmens.

Grund für die dennoch einschneidende Maßnahme sind laut Riverbed Schwierigkeiten im Geschäft aufgrund der COVID-19-Pandemie. Die Begründung überrascht, hat doch insbesondere der Markt für SD-WAN von den Notfallmaßnahmen der Unternehmen aufgrund der Pandemie eher profitiert. Zum Beispiel berichten die Marktforscher der Dell Oro Group für das vierte Quartal 2020 von einem Zuwachs dieses Segments um 50 Prozent gegenüber dem Vergleichsquartal im Vorjahr.

Im Gesamtjahr 2020 ist der Markt ihnen zufolge um 32 Prozent gewachsen. Das sei zwar nur halb so viel wie 2019, aber angesichts des gesamtwirtschaftlichen Umfelds "sehr beeindruckend", erklärt Shin Umeda, Vice President der Dell'Oro Group. Die fünf umsatzstärksten Anbieter sind ihm zufolge in dem Bereich übrigens Cisco, VMware, Fortinet, Versa und HPE (dank des im Sommer 2020 übernommenen Spezialisten Silver Peak). Diese fünf umsatzstärkten Anbieter sieht auch Gartner in seiner Betrachtung des Marktes für WAN-Edge-Infrastruktur als führend. Riverbed rangiert hier ziemlich abgeschlagen als einer von zehn Nischenanbieter. IHS nennt als umsatzstärkste Anbieter im Segment SD-WAN 2020 (in der Reihenfolge ) Vmware, Cisco, Fortinet, Aryaka und Silver Peak (HPE).

Riverbed profitierte nicht von der Marktentwicklung

Offenbar hatte aber Riverbed einerseits mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen, so dass es nicht alle Bestellungen erfüllen konnte, andererseits aber auch mit fehlendem Personal. Außerdem kam das Unternehmen wohl selbst nicht besonders gut damit zurecht, dass der Vertrieb nicht zu den Kunden gehen konnte. So erklärt die schlechte wirtschaftliche Performance zumindest CEO Dan Smoot in einer Mitteilung.

Gleichzeitig hat sich Riverbeds zweites und älteres Standbein, der Markt für WAN-Optimierung, deutlich schlechter entwickelt. Riverbed selbst spricht sogar von einem Rückgang, Marktbeobachter sehen das jedoch etwas optimistischer. Ihnen zufolge hatte das Marktsegment 2019 ein Volumen von rund 2,35 Milliarden Dollar. Prognosen gingen damals bis 2027 von einem jährlichen Wachstum von knapp unter 10 Prozent pro Jahr aus. In dem Bereich zählt Riverbed zwar zu den führenden Anbietern, hat aber mit Cisco Systems und HPE (Silver Peak) zwei große Mitbewerber, die bei ihren Kunden mit dem Argument einer Gesamtlösung aus einer Hand punkten können.

Riverbed erklärt selbst, dass "die rückläufige Nachfrage während der Pandemie nach den Produkten und Dienstleistungen von Riverbed" anhaltenden Druck auf die Liquidität ausgeübt habe, wodurch das Unternehmen sich nicht mehr in der Lage gesehen habe, den Forderungen seiner Geld- und Kreditgeber zu bedienen. Mit dem Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 sollen nun Maßnahmen eingeleitet werden, um Schulden abzubauen, die Liquidität zu erhöhen und die finanziellen Grundlagen auf eine neue, solidere Basis zu stellen. So sollen etwa die Schulden in Höhe von zwei Milliarden Dollar durch die finanzielle Umstrukturierung halbiert werden und die Liquidität durch eine Finanzspritze in Höhe von 35 Millionen Dollar kurzfristig wieder hergestellt werden.

Auf Anfrage von ChannelPartner zeigt sich Kerstin Andersson-Kucharik, Channel Sales Managerin für Deutschland und Österreich bei Riverbed Technology, grundsätzlich optimistisch. Im zurückliegende dritten Quartal habe man einen Anstieg der Bestellungen um 37 Prozent verzeichnet. Auch den erneuten Zusammenschluss mit dem bereits 2016 übernommenen APM-Spezialisten (Application Performance Management) Aternity, der zuletzt als unabhängige Abteilung operierte, sieht Andersson-Kucharik positiv, weil sich dadurch das Produktportfolio verbreitere.

Zur Maßnahme mit dem Gläubigerschutz sagt Andersson-Kucharik: "Nachdem dieses Verfahren abgeschlossen ist, wird Riverbed mehr in das Geschäft und in Innovationen für unsere Kunden und Partner investieren können und das Unternehmen für noch größeres Wachstum und langfristigen Erfolg rüsten können." Die Unterstützung aller bisherigen Investoren sei ein Beweis für deren Vertrauen in Riverbed und die Wachstumsaussichten des Unternehmens. Außerdem versichert die Channel-Managerin, dass die Aktivitäten in der EMEA-Region während des Rekapitalisierungsprozesses, der voraussichtlich Mitte Dezember abgeschlossen werden soll, "wie gewohnt" fortgesetzt werden.

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