Rollentausch in der Notebook-Szene

10.05.2002

Nach wie vor wird im Notebook-Markt zwischen "Good Guys" und "Bad Guys" unterschieden. Die bösen Jungs waren B-Brands, die Desktop-Prozessoren in ihren Systemen verbauten und mit ständigem Lüftereinsatz sowie mit kurzen Akkulaufzeiten nie gesehene Preismarken erreichten. Die Guten waren A-Brands, deren Notebooks durch mobile Prozessoren angetrieben wurden, mit langer Stand-by-Zeit überzeugten, aber aufgrund des hohen Prozessor-Preises wesentlich teurer waren.

Hollywoodreif ist der Rollentausch, den der aktuelle Media-Markt-Flyer am besten vermittelt. Auf der Titelseite findet sich ein Toshiba Notebook mit Intel Pentium 4 Prozessor (ohne "M"). Die Rückseite besetzt ein ebenso angetriebenes Fujitsu-Siemens-Produkt und quasi eingerahmt von den neuen "Bad Guys" steht in der Mitte ein Gericom-Notebook mit "Mobile" Intel Pentium 4 Prozessor.

Dabei hat sich die Desktop-Problematik beim Pentium 4 gegenüber seinem Vorgänger, der weniger als die Hälfte an Leistung verbrauchte, noch verschärft. Diese drastische Unterscheidung seit seiner Einführung ist von Intel durchaus gewollt, denn man will den P4 M (Mobile) einerseits fördern und gleichzeitig verhindern, dass günstigere (Desktop-) Prozessoren in Notebooks verbaut werden. Niemand konnte ahnen, dass die Rechnung nicht aufgeht und sich Notebook-Entwickler auf die Frage stürzen, wie 65-Watt-Prozessoren in einem mobilen Sys-tem verbaut werden können. Die Antwort darauf sind ein gewaltiges Kühlsystem und Modelle, die wesentlich dicker und schwerer sind als die PIII-Modelle. Der oben genannte Toshiba bringt also fast vier Kilo auf die Waage und ist über fünf Zentimeter hoch - nahezu das Doppelte des Gericom-Notebooks.

Wenn in der Vergangenheit B-Brands als "Bad Guys" angesehen wurden, sind die A-Brands heute "Super Bad Guys". Die Erklärung liegt auf der Hand: Zu viele Kunden hatten sich im vergangenen Jahr für die Bösen entschieden. Das führte zu einem entscheidenden Verlust von Marktanteilen der A-Brands. Und da der Consumer auch weiterhin mehr auf "GHz" schaut als auf Akkulaufzeit, Hitzeentwicklung und Design, wird dieser Weg weiter erfolgreich sein. Zumal der Retailer bei solch kritischen Produkt-Features lieber eine A-Marke führt als eine B-Marke. Sollte sich das eine oder andere Notebook also zum Toaster und damit zum RMA-Fall entwickeln, kann er sich eines A-Services von einem Tophersteller sicher sein.

Bei dieser Entwicklung kommen auf die B-Brands harte Zeiten zu. Es sei denn, der Consumer ändert seine Ansprüche und kauft schöne Modelle gegen Aufpreis, die auch für den mobilen Einsatz tauglich sind. Trotz geringerer Verkaufzahlen kann Herr Oberlehner von Gericom vielleicht doch besser schlafen. Schließlich ist er jetzt ein "Good Guy".

Matthias F. Schulte, Markement Consultant, tätig als Sales- & Marketing-Manager bei der Baycom GmbH.

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