"Rossini" im Distri-Markt: "Wer hat was mit wem?"

02.07.1997
MÜNCHEN: Während ganz Kino-Deutschland auf der Leinwand verfolgt, welch seltsame Beziehungen sich im Schickeria-Restaurant "Rossini" ergaben, schwappt die Klatsch&Tratsch-Welle auch in andere Gefilde über: "Haben Sie schon gehört...?" - selten wurde diese Frage in unserer Branche so oft gestellt wie in den letzten Tagen. Spricht man einen Distributor auf seine Geschäfte an, heißt es zumeist "Bei mir ist alles im grünen Bereich - aber fragen Sie doch mal bei XYZ nach, da ist mächtig was am Kochen". Also, fragen wir doch mal nach.Ingram kauft Peacock", vertraut mir ein Informant an. "Quatsch, Ingram kauft Macrotron", weiß ein anderer es besser. "Ingram kauft überhaupt niemanden, Ingram will seine Ruhe haben", mault ein Mitarbeiter des Unternehmens genervt am Nebentisch. Wann immer man derzeit auf einer Veranstaltung von oder für Distributoren ist: Jeder hat einen heißen Tip, jeder kennt jemanden, der von einer neuen, top-secret-gehaltenen Übernahmevereinbarung weiß. Wir haben die gängigsten Gerüchte aufgegriffen und offizielle Stellungnahmen der Betroffenen eingeholt.

MÜNCHEN: Während ganz Kino-Deutschland auf der Leinwand verfolgt, welch seltsame Beziehungen sich im Schickeria-Restaurant "Rossini" ergaben, schwappt die Klatsch&Tratsch-Welle auch in andere Gefilde über: "Haben Sie schon gehört...?" - selten wurde diese Frage in unserer Branche so oft gestellt wie in den letzten Tagen. Spricht man einen Distributor auf seine Geschäfte an, heißt es zumeist "Bei mir ist alles im grünen Bereich - aber fragen Sie doch mal bei XYZ nach, da ist mächtig was am Kochen". Also, fragen wir doch mal nach.Ingram kauft Peacock", vertraut mir ein Informant an. "Quatsch, Ingram kauft Macrotron", weiß ein anderer es besser. "Ingram kauft überhaupt niemanden, Ingram will seine Ruhe haben", mault ein Mitarbeiter des Unternehmens genervt am Nebentisch. Wann immer man derzeit auf einer Veranstaltung von oder für Distributoren ist: Jeder hat einen heißen Tip, jeder kennt jemanden, der von einer neuen, top-secret-gehaltenen Übernahmevereinbarung weiß. Wir haben die gängigsten Gerüchte aufgegriffen und offizielle Stellungnahmen der Betroffenen eingeholt.

Gerücht Nummer 1: Ingram Micro kauft jetzt endlich Peacock

Keine Frage - wer sich derzeit im deutschen Distributionsmarkt nach einem Partner umsieht, schielt mehr oder weniger auffällig zu Ingram Micro. Der weltweit größte Distributor (geschätzter Umsatz 1996: zehn Milliarden Dollar), der mit dem hiesigen Markt nicht so recht warm werden kann, weiß das natürlich und macht brav seine Honneurs. Seit Monaten schon, so weiß die Branche, putzt sich daher Peacock heraus, um den strengen Anforderungen des Favoriten gerecht zu werden. Kurzerhand verscherbelte sie diverse europäische Tochterunternehmen, die Ingram mit ihren Verlusten vielleicht verschreckt hätten. Die Verlobung war schon bekanntgegeben - und platzte. Weil Peacocks finanzielle Situation zu unberechenbar war, sagen die einen. Weil der Zeitpunkt nicht stimmte, sagt Peacock.

"Nach Weihnachten wissen wir mehr", hoffte Peacock-Vorstand Hartmut Hellweg noch im Dezember. Aber: Fehlanzeige. "Die Übernahme von Peacock durch Ingram wird bis Ende Januar gelaufen sein", versicherte ein Peacock-Partner im Brustton der Überzeugung - und auch er irrte gründlich. "Vielleicht kaufen wir ja auch überhaupt niemanden," streut Alessandro de Bochdanovits auf Anfrage von ComputerPartner noch Salz in Peacocks offene Wunden. "Wir können es in Deutschland ja auch aus eigener Kraft schaffen", spekuliert der Marketingmanager, der sich als Mitglied der Geschäftsleitung bei Ingram derzeit mit der Adaption des weltweiten Distributoren-Modells der amerikanischen Muttergesellschaft in Deutschland beschäftigt.

Glücklich ist man bei Peacock über die aktuelle Eiertanz-Situation ganz sicher nicht. Die Vorstände Greif und Hellweg, die keinen Hehl daraus machen, ihre Anteile auch verkaufen zu wollen und in der Regel verhältnismäßig offen kommunizieren, wollen über den Stand der Verhandlungen mit Ingram deshalb "zur Zeit keine Stellung beziehen".

Gerücht Nummer 2: Macrotron wird verkauft

Eine sehr begehrte Partie im Distributorenreigen ist die Macrotron AG. Ohne aktuelle Skandale und Skandälchen, ein bißchen konservativ vielleicht, dafür aber mit solidem finanziellen Polster ausgestattet. Kein Wunder daher, daß sich auch Branchengrößen wie Ingram Micro oder TechData für das bayerische Unternehmen interessieren. "Uns geht es gut, in diesem Jahr ziehen wir eine Kapitalerhöhung in Erwägung und auch im nächsten Jahr können wir ein Wachstum aus eigener Kraft finanzieren", faßt Macrotron-Vorstandsvorsitzender Michael Kaack zusammen.

Was allerdings nicht heißt, daß er den Bewerbern einen Korb gibt (schließlich gräbt Ingram ja auch kräftig an Peacock). "Natürlich gibt es Gespräche mit Ingram. Schließlich ist das Unternehmen weltweit auf Platz eins der Distributorenliste. Wenn beide Seiten von einem solchen Geschäft profitieren - warum nicht?"

Auch TechData hat nach Angaben des Informationsdienstes PC-Europa bereits Interesse signalisiert. Die besten Aussichten auf Erfolg bei der Macrotron hat wohl derjenige, der dem Unternehmen eine solide Mitgift im Logistik- und Datenverarbeitungsbereich mitbringt. Namhafte Hersteller hat der Distributor selber im Programm, wenn er weiter wachsen möchte, wird er aber ein größeres Lager und mehr Möglichkeiten im logistischen Bereich benötigen. Zum Wohle der Braut würde Kaack sogar eine Übernahme der Anteilsmehrheit an der Macrotron AG durch Ingram oder TechData mitmachen: "Ich würde sie begleiten, bei allem was ihr und den Mitarbeitern wirklich nützt", versichert er. Seine Zielvorgabe bis zum Jahrtausendwechsel: "Bis zum Jahr 2000 soll Macrotron der ertragreichste Distributor im Markt sein."

Gerücht Nummer 3: CHS kauft MC DOS

Die Übernahme von Frank & Walter durch die CHS ist unter Dach und Fach. Da liegt es auf der Hand, daß allgemein die Annahme kursiert, CHS greife nun auch nach MC DOS, an dem F&W-Geschäftsführer Wolfgang Bartels sowie Carsten Frank Beteiligungen (jeweils 50 Prozent) halten. "Bis zum Sommer 1997", so hofft CHS-President Claudio Osorio, könnte der Deal perfekt sein. Warum die Übernahme von MC DOS sich so lange hinzieht, erklärt Carsten Frank, der neue Executive Vice-President Europe von CHS aus seinem Büro in Hongkong: "Die CHS ist ja nicht nur an dem Unternehmen bei Köln interessiert - die MC DOS hat noch eine Tochter in den Niederlanden, wo die CHS bislang nicht vertreten ist. Diese wiederum gehört aber noch zu 40 Prozent dem dortigen Geschäftsführer." Über den Preis wird nicht öffentlich verhandelt, billig dürfte das für CHS nicht werden: MC DOS schloß das Geschäftsjahr 1996 mit einem Umsatz von 400 Millionen Mark ab, darin enthalten sind rund 100 Millionen Mark Umsatz aus den Niederlanden.

Insgesamt so heißt es im Markt, hat sich CHS mit den Übernahmen (Merisel hatte dem Unternehmen seine Distributionsaktivitäten in Europa und Südamerika verkauft) ein Faß ohne Boden aufgehalst: Bis die Integration der einzelnen Bereiche endgültig über die Bühne gegangen sei, geht mindestens noch ein Jahr ins Land, vermuten auch Mitarbeiter des Unternehmens.

Gerücht Nummer 4: C2000 hat Merisel überholt

Bis Herbst letzten Jahres war die Welt für Merisel zumindest dem äußeren Schein nach noch in Ordnung. Ingram Micro führte zwar unangefochten die weltweite Rangfolge der Distributoren an, Merisel hatte allerdings einen festen Stammsitz auf Platz 2. Damit ist es nun vorbei. Nach Angaben von Computer 2000 (Jahresumsatz 1995/96 zum 30.9.: 6,6 Milliarden Mark) gehört dieser Rang nun dem deutschen Distributionsriesen selber. Doch damit nicht genug: Durch den Verkauf der Europa- und Südamerika-Distribution an CHS mußte Merisel einige Umsatzeinbußen hinnehmen. Jetzt meldet das US-Distributionsunternehmen Synnex Informations Technologies Inc. den Kauf der ComputerLand-Kette von Merisel. Damit rutscht Merisel Expertenrechnungen zufolge sogar auf den vierten Platz - hinter TechData (Umsatz: etwa 4,4 Milliarden Dollar) zurück: Der Jahresumsatz von Merisel ist Schätzungen zufolge nämlich auf 3,5 Milliarden Dollar (rund 5,7 Milliarden Mark) geschrumpft.

Gerücht Nummer 5: Otto Versand will Actebis a) loswerden oder b) aufkaufen

Von einer saftigen Ehekrise will der Markt bei der Verbindung Actebis und Otto Versand wissen. Otto sei mit Actebis unzufrieden und versuche derzeit, seine Anteile wieder loszuschlagen, unken die einen. Andere wiederum prahlen mit vermeintlich "bombenfesten Informationen", daß Actebis innerhalb allerkürzester Zeit von Otto mehrheitlich übernommen würde. Doch: "Wir sind mit der bestehenden Partnerschaft mit dem Distributionsunternehmen Actebis zufrieden", versichert Detlef von Livonius, der Unternehmenssprecher von Otto Versand in Hamburg. Damit schiebt er den wilden Gerüchten erstmal einen Riegel vor.

"Für 1997 sind keine Veränderungen geplant, eine Übernahme der Anteilsmehrheit zu einem späteren Zeitpunkt möchte ich aber nicht ausschließen," läßt von Livonius die zukünftige Entwicklung offen.

Das Eheglück (Otto ist mit 45 Prozent an Actebis beteiligt) scheint demnach ungetrübt. Ulrich G. Puhrsch, Geschäftsführer des Soester Distributors, will die traute Zweisamkeit der Verbindung denn auch nicht gestört sehen und hält sich daher mit Informationen eher bedeckt. "An der Gesellschaftersituation hat sich nichts geändert", versichert er kurz und bündig gegenüber ComputerPartner.

Auch sonst gibt sich Puhrsch eher zugeknöpft. Eigentlich unverständlich. Denn zumindest beim Gesamtumsatz von rund 3,1 Milliarden Mark in 1996 hat sein Unternehmen eine Punktlandung hingelegt. Ziel war die Überschreitung der drei-Milliarden-Grenze. Dagegen ist die Ertragslage noch unbefriedigend. "Actebis ist der größte nicht-börsennotierte Distributor in der Welt. Da es keine Verpflichtung gibt, die Erträge zu veröffentlichen, werden wir das auch nicht tun. Die Ertragslage hat sich gebessert, ist aber noch nicht auf dem angestrebten Niveau", ist der einzige Kommentar, der dem Actebis-Vormann zu entreißen ist.

1996 hat Actebis nach eigenen Angaben 250.000 Rechner verkauft. Wieviele davon in Deutschland über die Ladentheke gingen und wie hoch der Anteil der Targas daran war - das fällt ebenfalls unter das selbstauferlegte Schweigegelübde des Actebis- Geschäftsführers. (du)

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