Sächsischer Distributor hat ehrgeizige Ziele

09.10.1998

TAUCHA: Die Börsengurus raufen sich angesichts des russischen Finanzcrashs verzweifelt die Haare. Doch Hans-Dieter Lindemeyer, Chef der sächsischen Lintec Computer AG, läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Seit neuestem ist sein Unternehmen am Neuen Markt in Frankfurt gelistet.Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter gewählt sein können. Die Krise in Asien ist noch nicht überwunden, da sorgen die Turbulenzen in Rußland für neuen Aufruhr und verwandeln die internationalen Börsenplätze in ein Tollhaus. Die Aktienkurse fahren Achterbahn, unter Brokern und Anlegern breitet sich immer mehr Panikstimmung aus, und selbst High-Tech-Riesen wie Microsoft, IBM, Dell oder Oracle mußten zuletzt tatenlos mit ansehen, wie ihre Unternehmen kräftig an Wert einbüßten.

Lintec-Chef Hans-Dieter Lindemeyer ließ sich sein Börsendebüt dennoch nicht vermiesen. "Der Börsengang ist für die Entwicklung der Lintec-Gruppe ein herausragender Meilenstein", gab er anläßlich der Emissionspressekonferenz in Frankfurt, die die Bookbuilding-Phase einläutete, zu Protokoll. Und er schob nach: "Ein Aufschub hätte mehr Nachteile als Vorteile gebracht." Zu groß war zuletzt die Erwartungshaltung unter Mitarbeitern und Geschäftspartnern, nachdem der ostdeutsche Distributor mit PC-Eigenmarke den langangekündigten Sprung auf das Börsenparkett aufgrund von steuerrechtlichen Problemen immer wieder hatte hinauszögern müssen. Und Lindemeyers Optimismus war nicht verfehlt. Schon am ersten Tag der Bookbuilding-Phase war die Aktie mehrfach überzeichnet.

Bangemaachen gilt nicht

Lindemeyer aber scheint sich ohnehin nicht so schnell bange machen zu lassen. Denn auch der Startschuß seiner Unternehmertätigkeit fiel in wirre Zeiten - als der heute 44jährige am

1. März 1990 als One-Man-Show seine "Software- und Hardware Dieter Lindemeyer" in Taucha nahe Leipzig gründete, war die Wende in vollem Gange. "Unsere ersten Computer wurden im Kinderzimmer montiert und die High-Tech-Komponenten auf selbstgebauten Holzregalen gelagert", erinnert sich der Lintec-Chef. Was noch schlimmer wog: "Wir hatten kein Kapital und kein Know-how im Einkauf, in der Technik und in der Finanzierung. Nach zwei Monaten hatte ich 50.000 DDR-Mark Schulden, und meine ersten Mitarbeiter erhielten drei Monate lang keinen Lohn."

Heute kann sich der willensstarke Unternehmer über die Anfangsphase zurecht amüsieren. Der ostdeutsche IT-Großhändler und PC-Eigenbauer beschäftigt mittlerweile rund 300 Mitarbeiter, verfügt im Bundesgebiet über sechs, weitgehend im Ostteil angesiedelte Niederlassungen sowie sechs osteuropäische Dependancen und hat ein Vertriebsnetz von 4.200 Fachhändlern. An Umsatz hat Lindemeyer für das laufende Fiskaljahr rund 150 (Vorjahr: 119) Millionen Mark ins Visier genommen, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit soll sich auf rund 2,5 (Vorjahr: 1,46) Millionen Mark belaufen.

Bundesweite Ausdehnung geplant

Ein Ende der Expansion ist vorerst nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die mehr als 30 Millionen Mark, die der Börsengang Lintec in die Kassen spülen dürfte, wollen die Sachsen zum Ausbau ihrer Präsenz vor allem in Westdeutschland nutzen. Für die nächsten drei Jahre sind Niederlassungen in Frankfurt/Main und Berlin (1999), Stuttgart (2000) sowie in München und Düsseldorf (2001) geplant.

Weiter ausdehnen will sich der Disti aber auch in Osteuropa. Zuzüglich zu den bestehenden Vertretungen in Liberec, Sankt Petersburg, Minsk, Kaunas, Brest und Gomel - allesamt Joint-ventures mit Mehrheitsbeteiligungen - sind Niederlassungen in Kiew (noch in diesem Jahr), Vitebsk, Grodno, Mogilo, Warschau (1999), Bratislava und Moskau (2000) sowie Budapest, Bukarest und Sofia (2001) angedacht.

Daß sich die starke osteuropäische Ausrichtung angesichts der wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen in Rußland negativ auf Lintecs Geschäfte auswirken könnte, glaubt Dirk Heynig, Leiter strategische Planung, nicht. "Wenn es zum Crash in Rußland kommen sollte, wonach es zwar nicht aussieht, aber was sich auch nicht ausschließen läßt, und uns als Folge daraus das Geschäft wegbrechen würde, könnten wir das verschmerzen. Denn wir sind auch noch im Baltikum und in Tschechien gut vertreten." Insgesamt steuerten die osteuropäischen Aktivitäten 1997 knapp 18 Prozent zum Umsatz bei.

Neben Osteuropa wollen sich die Sachsen künftig vor allem dem arabischen Raum widmen. Bis zum Jahr 2000, so hofft Heynig, wird man dort das eine oder andere Joint-venture aufgebaut haben. In Zurückhaltung übt sich der Disti hingegen in Westeuropa und in den USA. "Zwar sind dort die Risiken geringer als beispielsweise in Rußland, dafür sind aber auch die Chancen nicht so groß. Denn diese Märkte sind aufgeteilt und besetzt", erklärt Heynig. "Und man benötigt auch etwas Geld für den Markteintritt." Deshalb sei dort erst mittelfristig an entsprechende Engagements gedacht.

Das Thema Geschäftsfelderweiterung hat sich Lintec ebenfalls auf die Fahne geschrieben. Vor drei Jahren machte der Disti einen ersten Schritt hin zum Lösungsanbieter, indem man über die eigens dafür gegründete Lintec-Projekt Ltd. in Minsk Individualsoftware für Industrie, Banken und Behörden in Weißrußland entwickelte. "Nun sind unsere dort beschäftigten Programmierer so fit, daß wir das bestehende Angebot internationalisieren können", betont Heynig. Derzeit tüfteln die Sachsen in Gesprächen mit deutschen Softwareanbietern Kooperationsmöglichkeiten bei entsprechenden Projekten aus. Selbst vor Unternehmenszukäufen schreckt Lintec nicht zurück. Dabei liebäugeln die Sachsen sowohl mit deutschen als auch ausländischen Firmen. Derzeit steht man laut Heynig mit drei deutschen Unternehmen in Übernahmeverhandlungen - das eine bewege sich im Softwarebereich, das zweite im Distributorenumfeld, und das Spezialgebiet des dritten Kandidaten seien PCs. "Mindestens eine Akquisition", so Heynig, "wird in den nächsten Monaten über die Bühne gehen." (bk)

Lintec-Chef Hans-Dieter Lindemeyer: Sprung aufs Börsenparkett ist geschafft.

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