Sage KHK gewinnt den Machtkampf gegen Interact

07.02.2002
Die Vermarktung und Entwicklung der CRM-Produkte "Act" und "Saleslogix" von Interact mit den ERP-Produkten von Sage KHK ist umstritten. Jetzt führten die Unstimmigkeiten zwischen den Tochtergesellschaften der Sage Group darüber zur Entmachtung der deutschen Country-Managerin des CRM-Spezialisten.

Interact gegen Sage KHK. David gegen Goliath. Die ungleichen Kampfgewichte führten bei den beiden deutschen Tochtergesellschaften der Sage Group jedoch zu einem anderem Ende als bei der biblischen Auseinandersetzung. Sybille Ehlers, ehemalige Country-Managerin Central- und Ost-Europa bei Interact, hat das Handtuch geworfen und Peter Dewald, Geschäftsführer bei Sage KHK, den Kampf gewonnen. "Die Chemie zwischen uns stimmte nicht. Herr Dewald war nicht sehr kooperativ", berichtet Ehlers. Peter Dewald teilte mit, dass er mit Interact unmittelbar nichts zu tun habe, da es sich um eine rechtlich eigenständige Tochtergesellschaft der Sage Group handelt: "Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir die Zusammenarbeit optimieren können. Die Vertriebs- oder Produktankündigung geben wir aber zur Cebit bekannt."

Interact Deutschland ist führungslos

Wie dem Unternehmen nahe stehende Kreise berichten, hat Oliver Henrich von Sage KHK im Dezember 2001 und Januar 2002 zusammen mit dem Interact-Marketing-Leiter Asmus Jacobsen die Geschicke des CRM-Herstellers in Deutschland geleitet. Henrich wird Ehlers aber nicht nachfolgen. Er ist seit Februar bei der Sage Group in den USA tätig.

Unklar bleibt, ob Interact in Deutschland überhaupt eine neue Führungsspitze erhält und ob der Standort München bestehen bleibt. Laut Insidern werde es aber künftig bei der Sage Group einen Emea-Verantwortlichen geben, der von Hewlett-Packard kommen soll und für beide Unternehmen sowie für beide Produktlinien zuständig sein wird. Peter Dewald bestätigte das jedoch nicht.

Streitpunkt zwischen den beiden Landesfürsten Dewald und Ehlers waren die künftige Vermarktung und die Entwicklung der CRM-Produkte "Act", für Kleinunternehmen und "Saleslogix" für den Mittelstand. Sage KHK begann mit einer geplanten Schnittstelle zu Act sehr stark auf das Produkt und dessen Vertrieb Einfluss zu nehmen, berichten dem Unternehmen nahe stehende Kreise. "Manche Menschen glauben, dass man jede Software-Box gleich verkaufen kann, nur weil es eine Box ist", erklärt Ehlers und fügt hinzu: "CRM-Produkte lassen sich aber nicht verkaufen wie ein Buchhaltungsprogramm."

Zertifizierung der Business-Partner ist umstritten

Unstimmigkeiten gab es auch über die Zertifizierung der Business-Partner für die CRM-Lösungen. "Man kann nicht alle Sage-KHK-Händler zu Act-Certified-Consultants machen. Dadurch fallen das Niveau und der Preis. CRM braucht Consultants, die Arbeitsabläufe verstehen", betont Ehlers. Außerdem werde ein Gros von Act an Unternehmen verkauft, wo keine Warenwirtschaft angehängt ist. Werden die Lösungen nur noch mit Sage-KHK-Produkten angeboten, bestehe die Gefahr, dass andere Zielgruppen verloren gehen.

Dennoch wäre es aus rein kaufmännischer Sicht vernünftig, die Vertriebswege von Sage KHK für Act zu nutzen. Act und die Unternehmenssoftware "PC-Kaufmann" für KMUs haben beispielsweise die gleichen Vertriebswege und eine ähnliche Preispolitik sowie beim Retail und bei den Distributoren oft dieselben Ansprechpartner. Act kann somit gerade im Großhandel die Produktlinien von Sage KHK für dieses Marktsegment verstärken, denn im Retail kommt es darauf an, mehr als ein Produkt von einem Hersteller im Regal zu haben, um auf sich aufmerksam zu machen. "Wenn die Funktionalität von Act allerdings auf eine Kundenerfassung für ein Warenwirtschaftssystem reduziert würde, wäre das sehr schade", meint Ehlers.

Deutscher Web-Client steht noch in den Sternen

Bei der Entwicklung der beiden CRM-Produktlinien konnte sich die Ex-Country-Managerin ebenfalls nicht mit ihrer Ansicht durchsetzen: Ein Konzept für einen deutschen Web-Client sei bereits seit Mitte vergangenen Jahres fertig, doch von der englischen Muttergesellschaft zurückgestellt worden, wie aus internen Quellen bei Interact verlautet. "CRM bringt die meisten Vorteile, wenn Anwender über das Web oder per Remote zugreifen können", kritisiert Ehlers diese Entscheidung. Dadurch könnten ihrer Ansicht nach Marktanteile verloren gehen. Der Wettbewerber von Interact Superoffice hat für sein gleichnamiges Produkt einen Web-Client zur Cebit angekündigt.

Auch bei der Internationalisierung der beiden CRM-Produktlinien fand die Meinung von Interact Deutschland kein Gehör. "Mein Fokus lag auf mehreren Sprachvarianten", betont Ehlers. Die beiden Konkurrenten der Sage-Tochtergesellschaft Frontrange und Superoffice bieten bereits lokalisierte Lösungen für eine Vielzahl von Länder an.

www.sagekhk.de

www.interact.de

ComputerPartner-Meinung:

Die Odyssee des CRM-Produkts Act nimmt kein Ende. 1999 verkaufte Symantec die Rechte an der Lösung an Saleslogix. Deren CEO Pat Sullivan hatte Act vorher als Mitbegründer von Contact Software International an den Sicherheitsspezialisten verkauft. Im April 2001 kaufte wiederum die Sage Group Saleslogix auf. Der Streit über die Vermarktung und Entwicklung der CRM-Produkte zwischen den Sage-Tochtergesellschaften verunsichert jetzt erneut Kunden und Vertriebspartner. ERP- und CRM-Lö-sungen entfalten ihren gesamten Wirkungsgrad erst, wenn Back-und Front-Office zusammenarbeiten. Wird nur ein kleiner Teil der CRM-Funktionalität beispielsweise von Act integriert, können Kunden sich das Geld sparen und ihre Kontakte weiter in Outlook oder Notes pflegen. (hei)

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