Sage-KHK-Umbau trägt Früchte

22.05.2003
Seit 1. September 2000 leitet Peter Dewald als Geschäftsführer die Geschicke von Sage KHK. Der Hersteller von Unternehmens-Software verbesserte seitdem die Geschäftszahlen, aber nicht das schlechte Image bei seinen Händlern. Im Interview mit ComputerPartner-Reporter Eberhard Heins stellt sich Dewald der Kritik und zeigt auf, wie er künftig bei seinem Channel punkten will.

Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre Deutschland-Chef von Sage KHK, vorher waren Sie dreieinhalb Jahre Geschäftsführer bei Apple. Zu welcher Zeit konnten Sie besser schlafen?

Dewald: Ich schlafe immer gut. Beide Tätigkeiten hatten beziehungsweise haben ihren Erfahrungs-, aber auch Spaßfaktor. Die Inhalte und der Verantwortungsbereich sind allerdings extrem unterschiedlich.

Wodurch unterscheiden sie sich grundlegend?

Dewald: Was sie verbindet, ist der Fachhandels-Vertrieb. Die Aufgaben der meisten amerikanischen Töchter außerhalb der USA beschränken sich aber weit gehend auf eine reine Vertriebsaktivität. Bei Sage KHK verantworten wir als Team in Deutschland die gesamte Wertschöpfung von der Produktidee bis zum letzten Tag einer Kundenbeziehung selbst. Das ist auch der Grund, warum ich diese Verantwortung gesucht und angenommen habe.

Wie haben Sie diese Freiheit genutzt, worauf sind Sie stolz?

Dewald: Wir haben das Produktportfolio strategisch definiert, den Vertriebskanal neu aufgestellt und unsere Organisation neu ausgerichtet.

Die Umstellung des Geschäftssys-tems von der Free- auf Single-Licence fällt nicht in die Zeit meiner Tätigkeit, war aber ein radikaler und notwendiger Schnitt. Die Sage Group erwirtschaftet über 80 Prozent des Umsatzes mit Bestandskunden. Wir legen also großen Wert auf Kundenpflege. Wenn Sie ihre Kunden nicht kennen, wie bei einem Free-Licence-Modell, ist das schwierig. Der größte Teil dieser Umstellung sowie die Grobsanierung waren zum Zeitpunkt meines Eintritts aber weit gehend abgeschlossen. Meine Aufgabe war also nicht, hart zu sanieren, sondern die Firma neu auszurichten.

Wie erfolgreich sind Sie damit?

Dewald: Wir haben in Deutschland noch nicht die Größe wie in anderen Ländern. Mein Ziel ist, ähnliche Zahlen wie beispielweise in Frankreich zu erreichen.

In welcher Größenordnung liegen die?

Dewald: Über 120 Millionen Euro Umsatz.

Wo steht Sage KHK heute?

Dewald: Wir haben annähernd die Umsatzprofitabilität der Gruppe von 25 bis 30 Prozent. Von einer schwarzen Null zu diesem Ergebnis zu kommen erforderte viel Engagement. Im ersten Halbjahr 2003 hat Sage KHK in Deutschland 24 Millionen Euro umgesetzt, das entspricht einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 14 Prozent.

Die Zahlen entwickeln sich gut, die Beziehungen zu den Händlern scheinen nach wie vor problematisch zu sein. Zumindest ist das Image von Sage KHK bei den Händlern schlecht, wie auch unsere letzte Befragung im Rahmen unserer Channel-Champions-Studie zeigte. Woran liegt das?

Dewald: In einer von uns durchgeführten Händlerumfrage hat sich ein Teil der in der Presse genannten Probleme bestätigt. Jetzt wissen wir, wo wir uns verbessern müssen.

Wo setzen Sie die Schwerpunkte?

Dewald: Fachhandelsunterstützung, die Qualität des Handwerkspakets, das Bestandskunden-Marketing und Lead-Management.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Dewald: Zunächst einmal ist eines klar geworden. Wir können nicht mit unendlich vielen Händlern arbeiten. Die Händler, die für uns, aber auch die, für die wir relevant sind, müssen besser betreut werden. Wir haben jetzt noch 600 zertifizierte Vertriebspartner. Diese betreuen heute namentlich zugeordnete Mitarbeiter.

Welche Mängel kritisierten ihre Händler am meisten, und was haben Sie getan, um diese zu beseitigen?

Dewald: Schlechteste Position war das Lead-Management. Das haben wir ab 1. Januar komplett umgestellt auf ein Web-basierendes Verfahren. Wir erwarten allerdings auch, dass die Leads angemessen bearbeitet werden. Danach kam das BestandskundenMarketing. Wir senden jetzt monatlich einen Brief an unsere Kunden, der beispielsweise das Angebot des Monats erhält. Darin weisen wir nicht nur auf unsere Fachhändler hin, sondern nennen dort explizit den Vertriebspartner, an den sich der Kunde wenden soll. Dann haben wir unsere Antwortzeiten im operativen Geschäft verbessert. 86 Prozent aller Anrufe innerhalb der Auftragsbearbeitung werden innerhalb von 60 Sekunden angenommen.

Während Sie die Support- und Kunden-Hotline verbesserten, beklagen manche Partner den mangelhaften Informationsfluss. Beispielsweise sei keine Rückmeldung auf Vorschläge für neue Funktionen erfolgt.

Dewald: Wir arbeiten mit unseren Händlern in Workshops jetzt sehr viel intensiver in der Produktentwicklung zusammen. Das heißt aber nicht, dass wir alles umsetzen. Von 1.000 Funktionsanregungen können wir weniger als 100 realisieren. Es muss aber sichergestellt sein, dass es die richtigen 100 sind.

Projekte vorzufinanzieren ist eine Möglichkeit, den Fachhandel aktiv zu unterstützen. Welche Finanzierungsmodelle bieten Sie ihren Händlern heute oder künftig an?

Dewald: Wir sind keine Bank. Es kann deshalb nicht primär unser Geschäft sein, sich mit Finanzierungsfragen zu beschäftigen. Wir sind aber dabei, Leasing-Angebote zu konkretisieren.

Wie sehen die aus?

Dewald: Wir werden mit einem Leasing-Anbieter zusammenarbeiten. Primär handelt es sich dabei um Leasing, und zwar für das gesamte Projektvolumen. Ein Beispiel wäre ein Fujitsu-Siemens-Server mit der "Office-Line" und zehn Tage Beratung für 28,60 Euro pro Tag mit einer Laufzeit über drei Jahre. Ich habe mit Händlern gesprochen, die erwirtschaften über 20 Prozent des Umsatzes mit Leasing. Das ist fantastisch.

Eine Null-Prozent-Finanzierung für Ihre Händler ist aber nicht vorgesehen?

Dewald: Nein, unser Ansatz ist das Leasing.

Die ergriffenen und die geplanten Maßnahmen verbessern die Umsatzchancen der Sage-KHK-Händler, aber können Sie ihr wirtschaftlich hoch gestecktes Ziel allein durch organisches Wachstum erreichen, oder wird es weitere Zukäufe geben?

Dewald: Ein guter Teil davon wird von weiteren Akquisitionen kommen. Wir kaufen strategisches Marktpotenzial.

Sage KHK hat unter ihrer Führung bereits eine Reihe Unternehmen übernommen, zuletzt den Handwerksspezialisten Primus. Vertriebspartner von Sage KHK sind verunsichert, wie Sie die Firma, die Produkte und die Vertriebskanäle integrieren. Welche dieser Baustellen schmerzt Sie am meisten?

Dewald: Zunächst einmal ist der Handwerksmarkt für uns strategisch wichtig. Durch die Investition in Primus haben wir das Absatzvolumen in diesem Segment verdoppelt, spezifisches Know-how dazubekommen und eine Fokussierung erreicht, wie wir sie bisher nicht hatten.

Wie organisieren Sie künftig den Vertrieb der Handwerksprodukte "Primus 2000" und "Hwpwin"?

Dewald: Es wird einen dedizierten Channel für das Handwerk geben, den wir über eine entsprechende Vertriebsmannschaft betreuen. Das heißt nicht, dass ein Händler nur diesen Markt bedienen darf, er muss aber dafür qualifizierte und fokussierte Mitarbeiter haben.

Können die bisherigen und künftigen Channel-Partner beide Produkte vertreiben und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Dewald: Ja, wenn sie für beide ausgebildet sind.

Händler von Sage KHK und Primus standen sich mit ihrem jeweiligen Handwerkspaket im harten Wettbewerb gegenüber. Kann die jeweils andere Partei heute glaubhaft für die Produkte des Ex-Konkurrenten einstehen?

Dewald: So extrem im Wettbewerb standen sie auch wieder nicht.

Da habe ich anderes gehört.

Dewald: Wenn ich frage: "Wer ist der Wettbewerb?", höre ich meis-tens: "Es gibt keinen." Wir haben kein markengesteuertes Geschäft. Der Kunde sagt nicht, ich will Primus oder Hwpwin. Er kommt zum Händler und kauft in der Regel das, was dieser für ihn hat. In diesem Segment finden selten umfangreiche Produktvergleiche statt.

Ab und an kommt sicher auch mal ein Händler zum Kunden.

Dewald: Selten, leider zu selten.

In Städten mit einem Primus- und einem Hwpwin-Händler bestimmt öfter.

Dewald: Natürlich standen Primus- und Hwpwin-Händler im Wettbewerb. Aber auch hier gilt die 80:20-Regel. 20 Prozent der Partner, die heute eines der beiden Produkte verkaufen, erwirtschaften relevanten Umsatz. Das sind dann letztendlich 200 bis 250 Partner. Wenn diese auf das Bundesgebiet verteilt sind, sehe ich kein Problem.

Allein Primus gibt auf seiner Website an, 300 Fachhändler unter Vertrag zu haben.

Dewald: Ich kann nicht ausschließen, dass sich die Händlerstruktur konsolidiert. Warum sollten ein kleiner Primus- und ein kleiner Hwpwin-Händler, die in der gleichen Gegend arbeiten, nicht ihr Geschäft zusammenlegen?

In einem Schreiben vom 4. April an Sage-KHK-Fachhändler haben Sie die Version 4.0 von Hwpwin planmäßig für das dritte Quartal und weitere Folgeversionen für das Jahr 2004 angekündigt. Wann kommt eine neue Version von Primus 2000 auf den Markt, und welche neue Funktionen wird sie enthalten?

Dewald: Primus führte bislang in kurzen Zyklen Release-Wechsel durch.

Wird es dabei bleiben?

Dewald: Nein, wahrscheinlich nicht. Das ist eine andere Philosophie, als wir sie vertreten. Ich kann aber heute noch nicht sagen, wann das nächste Primus-Release kommt und wie es aussieht.

Wird es eine SQL-Version für Primus 2000 geben?

Dewald: Ist derzeit nicht geplant.

Wer leitet die Entwicklung der Primus-Produkte.

Dewald: Roland Piske.

Und für Hwpwin?

Dewald: Auch, es handelt sich um eine Geschäftseinheit.

Die Fachhändler der Handwerks-Unit können bei entsprechender Qualifizierung beide Produkte vertreiben. Wie differenzieren Sie die Anwendungen gegenüber dem Kunden?

Dewald: Bei Primus schließen wir gerade die Produktdefinition ab. Auf den ersten Blick sind sich beide sehr ähnlich, bei genauerem Hinsehen gibt es aber Unterschiede. Primus deckt beispielsweise die Anforderungen von Zimmereien sehr gut ab, dafür ist Hwpwin besser im Bereich Heizungen/Sanitär. Schwerpunkt für die jeweilige Positionierung können deshalb Branchen sein oder Anforderungen an den Wissensstand des Händlers.

Heißt das, dass es für eine Branche dann entweder nur das eine oder das andere Produkt geben wird.

Dewald: Das ist ein denkbarer Weg, aber noch nicht entschieden. Die mittel- und langfristige Produktpositionierung läuft noch.

Laut Primus setzen über 11.000 Handwerksbetriebe an mehr als 20.000 Arbeitsplätzen Primus-Software ein. Wie viele Wartungsverträge gibt es.

Dewald: 7.500.

Wie viele anteilig für das neue Windows-basierende Primus 2000 und wie viele für die alte DOS-Version Classic?

Dewald: Ein Drittel, zwei Drittel.

Die Windows-Version ist seit über zwei Jahren am Markt. Warum sind nur so wenig Classic-Anwender umgestiegen?

Dewald: Wie bei jedem neuen Produkt können am Anfang nicht alle Funktionen des alten, über Jahre gewachsenen abgedeckt werden. Zweitens ist es immer auch eine Frage der Kapazität, wie schnell sich die Umstellungen realisieren lassen.

Werden Sie die alten Wartungsverträge für die DOS-Version verlängern?

Dewald: Das werden wir uns in Ruhe überlegen. Eine Neu- oder Weiterentwicklung des DOS-Produktes kann es aber nicht geben.

Bleiben alle Primus-Niederlassungen und Vertriebszentren bestehen?

Dewald: Wir werden manchen Standort auflösen.

Welche?

Dewald: Würzburg ist bereits geschlossen, weitere Auflösungen werden folgen.

Der weit verbreitete Kontaktmanager "ACT" der Sage CRM Solutions GmbH hat Sage KHK mit dem "Kundenmanager" bereits tief in seine kaufmännische Software integriert. Wird es, und wenn ja, wann, eine entsprechende Lösung für Sales Logix, der CRM-Software für den gehobenen Mittelstand von Interact, geben?

Dewald: Kurzfristig ist das nicht geplant. Das Produkt eignet sich nicht für den größten Teil unseres Vertriebskanals.

Warum nicht?

Dewald: Die CRM-Anwendungen sind zwar in Deutsch übersetzt, aber Installation und Support sind noch sehr englischlastig. Zweitens ist Sales Logix ein sehr komplexes Produkt.

Für das Marktsegment von 10 bis 500 Mitarbeitern bietet Sage KHK mit der Classic- und Office-Line seit langem zwei Produktlinien an. Warum macht das Sinn, und wie lange wird das noch so bleiben?

Dewald: Natürlich gibt es Überlappungen, die wird es auch immer geben. Die Office-Line adressiert den IT-orientierten Kunden mit höheren und spezifischen Anforderungen an die Lösung, aber auch an die Ausbildung des Händlers. Die Classic-Line ist das Einstiegsprodukt für Vertriebspartner. Die Office-Line wächst stärker im Neugeschäft, aber auch die Classic-Line legte im ersten Halbjahr um sieben Prozent zu.

Das Lohn-Modul für die Office-Line ist bereits heute nicht mehr zu kaufen. Sage KHK hat es durch die Personalwirtschaft seiner Tochtergesellschaft S+P ersetzt. Wie viele der Kunden, die das Lohn-Modul für die Office-Line einsetzen, haben bereits migriert?

Dewald: Ein Drittel.

Wie lange leistet Sage KHK noch Support für das Office-Line-Modul?

Dewald: Es ist absehbar, dass wir irgendwann den Support und die Softwarepflege einstellen werden. Die existierenden Verträge laufen bis Ende 2004. Die erfüllen wir. Das heißt, gesetzliche Anforderungen führen wir durch, aber wir erweitern das Modul nicht mehr funktional.

Haben Sie die Software-Pflegeverträge gekündigt?

Dewald: Nein.

Die Verträge verlängern sich automatisch, wenn keiner der Vertragsparteien kündigt.

Dewald: Deswegen sagte ich, sie laufen bis Ende 2004. Was wir in der Zwischenzeit machen, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Wenn Sie fristgerecht kündigen wollen, müssten Sie das aber Ende 2003 tun.

Dewald: Ich weiß.

Werden Sie kündigen?

Dewald: Das habe ich noch nicht entschieden. Aber eines ist klar: Wir setzen auf die Lohn- und Personalwirtschafts-Software von S+P.

Microsoft hat im Geschäft mit Unternehmens-Software einen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern. Sie stellen die IT-Basistechnologie her, die zum großen Teil im SMB-Markt eingesetzt wird. Sage KHK ist ein großer Microsoft-Partner. Im letzten ComputerPartner-Interview teilten Sie mit, dass die Gates-Company laut eigenen Angaben diesen Wissensvorsprung nicht einseitig ausnutzt. Hat sich das bestätigt?

Dewald: Bisher habe ich in Deutschland keine Anzeichen gesehen. Festzustellen ist aber, dass Microsoft in der Zwischenzeit die Vertriebsstruktur geändert hat. Damit ergeben sich eher Möglichkeiten.

Beispielsweise aus Anwendungen, Betriebssystemen und Datenbank-Server bestehende Bundles anzubieten?

Dewald: Die Möglichkeit wäre ja denkbar, aber wettbewerbsrechtlich sicherlich nicht zulässig.

Wie würden Sie reagieren, wenn es doch so käme.

Dewald: Ich gehe erst dann über die Brücke, wenn ich dort angekommen bin.

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