Salesforce.com mischt den CRM-Markt auf

29.01.2004
Microsoft hat nun seine Lösung für das Management von Kundenbeziehungen in Deutschland auf den Markt gebracht. Doch der CRM-Shootingstar Salesforce.com beweist bereits hier zu Lande, dass sich diese Software erfolgreich im ASP-Betrieb vermarkten lässt. Während die Partner des CRM-Spezialisten schon davon profitieren, zieht die Konkurrenz nach. Von ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins

120.000 Anwender bei 8.500 Kunden weltweit hat der CRM-Hersteller Salesforce.com seit der Unternehmensgründung 1999 von seinem On-Demand-Service über das Internet überzeugen können. Fast 66 Millionen Dollar zahlten diese laut SEC-File (Securities and Exchange Commission) allein in den ersten neun Monaten des Fiskaljahrs 2003 (endete am 31. Oktober) in die Kassen des Unternehmens ein. "Wir betreiben nur eine Plattform für alle Kunden, sind aber mandantenfähig und können Prozesse individuell abbilden", erklärt Ariel F. Luedi, Senior Vice President EMEA bei Salesforce.com die Erfolgsgrundlage des Unternehmens und fügt hinzu: "Unsere Kunden können das System an die Bedürfnisse ihres Unternehmens anpassen und mit ihren Daten testen. Erst dann unterschreiben sie den Jahresvertrag."

Deutscher Markt im Aufbau

Der langjährige Analyst der Metagroup und CRM-Experte Wolfgang Martin bestätigt das Konzept des Newcomers: "Die Software muss nicht implementiert werden, und es müssen nicht unterschiedliche Release-Stände gepflegt werden. So kann sich der Hersteller auf Funktionen und Prozesse konzentrieren."

Doch trotz des Erfolgs von Salesforce.com mit seinem On-Demand-Modell sieht so mancher Branchenkenner die Renaissance des ASP-Geschäfts noch skeptisch. Laut Frank Naujoks, Analyst bei der Hewson Group, ermöglichen ASP-Lösungen zwar geringe Kosten durch die geteilte Infrastruktur, aber bei höheren Ansprüchen an die Funktionalität und Anpassbarkeit der Lösung stießen sie an ihre Grenzen. Branchenspezifische Lösungen oder Multi-Channel-Einbindungen seien nur sehr schwer mit ASP-Systemen zu erreichen. "Diese Nachteile heben die Kostenvorteile auf", betont Naujoks. Am meisten würden kleine Unternehmen von einer ASP-Lösung profitieren, da diese nur wenige Integrationspunkte zu bestehenden Anwendungen haben und eine schnell einsetzbare Lösung suchen - laut Naujoks die Zielgruppe für den CRM-Online-Vermarkter: "Salesforce.com ist insbesondere für CRM-Beginner mit weniger als fünf Anwendern interessant."

Doch auch einige Großunternehmen haben sich bereits von dem ASP-Modell überzeugen lassen. In Deutschland gehört beispielsweise die Deutsche Post Global Net mit 120 Anwendern weltweit dazu, ferner Cisco und Ebay. Hier zu Lande agiert Salesforce.com allerdings noch nicht so erfolgreich wie anderswo in Europa, zum Beispiel in England, wo das Unternehmen 60 Prozent des europäischen Umsatzes erwirtschaftet. Allerdings verkauft der CRM-Spezialist seine Anwendungen auch erst seit 2002 in Deutschland und eröffnete erst im Dezember 2003 eine Niederlassung in München.

100 Kunden konnte der Siebel-Herausforderer aber auch in diesem Markt für sich gewinnen. Die Zielvorgaben von Luedi an seinen Anfang Januar 2004 von Epiphany zu Salesforce.com gewechselten Statthalter Peter Steidl sind dennoch hoch: "Bis Ende 2005 wollen wir das Niveau von England erreicht haben." Dazu sollen auch Vertriebspartner beitragen.

Neue Plattform für Partnergeschäft

Die Grundlage dafür schuf Salesforce.com mit dem so genannten "Winter-Release 4" vom November vorigen Jahres. Auf Basis der jetzt verfügbaren Plattform "S-Force" lassen sich Anwendungen für vertikale Märkte mit deren spezifischen Geschäftsprozessen erstellen. "Die ideale Lösung für Partner", bestätigt der CRM-Experte Martin. Das Entwicklerprogramm ist unter www.sforce.com erhältlich und ermöglicht den Zugang zu IDE-Erweiterungen, Beispiel-Code und Tools. Laut dem Salesforce.com-Manager Luedi können Partner S-Force gratis nutzen. Erst wenn sie die Applikation Kunden zugänglich machen, müssen sie Gebühren an den CRM-Anbieter bezahlen.

Am ASP-Umsatz von Salesforce.com sind Partner nur mit einer Vermittlungsgebühr für Leads beteiligt, deren Höhe von ihrem Commitment und ihrer Ausbildung abhängt. "Unsere Partner sind vor allem am Servicegeschäft interessiert", erklärt Luedi.

Damit sie das auch erfolgreich tun können, engagierte der Online-Vermarkter Dave Back, der als Vice President of Sales Engineering and Partners für den Ausbau des Vertriebsnetzwerks von Salesforce.com zuständig ist. Nicht zuletzt deshalb schmerzt den einstigen Börsenliebling und CRM-Marktführer Siebel Systems der Erfolg des Newcomers besonders.

Wanderten einst Heerscharen hochrangiger Manager von SAP oder Oracle zu Siebel ab, verliert das Unternehmen derzeit viele Mitarbeiter an seinen neuen Konkurrenten. Back wechselte wie Steve Garnett, General Manager EMEA bei Salsesforce.com, von Siebel zu dem neuen Shootingstar im CRM-Geschäft.

Doch der Altmeister gibt sich nicht geschlagen. Zusammen mit IBM startete Siebel den Softwaredienst "CRM on Demand". Gegen eine monatliche Grundgebühr von 70 Dollar pro Anwender erhalten Kunden CRM-Lösungen über das Internet. Dazu gehören Kampagnen- und Lead-Management, eine Wissensdatenbank für Serviceanfragen, Forecast-Erstellung sowie Opportunity- und Sales-Cycle-Management. "Das Modell ist das richtige", bewertet der Analyst Martin die Bemühungen von Siebel, verlorenen Boden gutzumachen.

Laut dem CRM-Experten hat der Altmeister dabei gute Karten. Vor allem beim Prozess-Know-how habe Siebel die Nase vorn. Als Unique Selling Point hebt Stefan Sonntag, Executive Director Marketing and Alliances bei Siebel Systems Deutschland, Real Time Analytics auf Basis eines Data Warehouse heraus: "250 vorgefertigte Analysen sind bereits enthalten." In diesem Bereich weist Salesforce.com noch Schwächen auf, beispielsweise bei Analysefunktionen für die Vertriebssteuerung oder für das Kampagnen-Management. "Da müssen sie mehr machen", fordert Martin.

Microsoft fordert alle heraus

Doch nicht nur Salesforce.com bedroht die etablierten Anbieter wie Siebel, Frontrange, Superoffice oder Sage CRM Solutions. Der Softwareriese Microsoft sei, so Analyst Martin, die einzige Alternative zum ASP-Modell im mittelständischen CRM-Geschäft für 50 bis 100 Anwender: "Wer auf Microsoft-Infrastruktur und Dotnet setzt, liegt damit richtig." Die Vorteile der Redmonder gegenüber der Konkurrenz sieht Martin in der vollständigen Integration in Microsoft-Office und dort vor allem in Outlook sowie der bekannten Benutzeroberfläche, die Anwendern den Einstieg erleichtert.

Doch Salesforce.com holt auch hier auf. In der vergangenen Woche präsentierte das Unternehmen in San Francisco seine neue "Office-Edition", die mittels XML- und Web-Services-Technologie enger mit dem Office-Paket aus Redmond verzahnt ist. Sie enthält Funktionen, mit denen Benutzer Daten aus Salesforce.com-Systemen direkt in Anwendungen wie Excel, Word oder Outlook importieren können, um Verkaufsangebote oder Charts zu erstellen.

Meinung des Redakteurs

Nach vielen missglückten Anläufen anderer Softwarehersteller hat Salesforce.com aus dem ASP-Modell ein erfolgreiches Geschäft gemacht. Dass die Konkurrenz im CRM-Markt jetzt auf diesen Zug aufspringt, unterstreicht dies. Doch wie alle frühen und späten Nachfolger müssen sie den Vorsprung des Pioniers erst wettmachen. Das gilt auch für Microsoft, dessen Partner Unidienst mit "MS-CRM" Salesforce.com in Deutschland das Leben schwer machen will.

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