SAP droht Wildwuchs im Channel

24.10.2002
Der Kopf des Vertriebskanals für das SAP-Mittelstandspaket Business One hat noch kein Gesicht, mit 15 Sales-und- Service-Partnern aber schon einen Rumpf. Dessen Beine, die so genannten Points of Presence, könnten aber ihre eigenen Wege gehen, falls die Fußfesseln der Walldorfer sich als zu schwach erweisen.

Die Deutschen im Allgemeinen und die Badener im Besonderen gelten als gemütliche Menschen. Kein Wunder also, dass sich der im badischen Walldorf ansässige Weltkonzern SAP Zeit nimmt für die wichtigen Dinge im Leben. Und was ist wichtiger als eine langfristig angelegte Bindung - sprich Geschäftsbeziehung.

Nach rund acht Monaten hat der Marktführer bei Unternehmenssoftware mit Großkunden nun 15 Sales-und-Service-Partner (SSP) für sein Mittelstandsprodukt "Business One" unter Vertrag. "Wir wollen nicht alle Plätze vergeben, um dann festzustellen, dass wir geeignete Kandidaten übersehen haben", erklärt Hans-Jürgen Uhink, Senior Vice President Global Field SMB bei SAP, die Vorgehensweise. SAP habe sich deshalb dazu entschlossen, die rund 4.000 Systemhäuser in Deutschland nach Vertriebspotenzial für Business One zu scannen. "Bislang haben wir nur Partner zertifiziert, die mit dem Wunsch, die Mittelstandssoftware zu vertreiben, an uns herangetreten sind", begründet der SAP-Manager die eingeschlagene Richtung.

POPs poppen hoch

Während SAP also noch seine Channel-Kandidaten prüft und sich auch noch nicht entschieden hat, ob überhaupt und, wenn ja, welchen SSP sie mit dem Status eines Sales- beziehungsweise Service-Centers adeln, bauen diese SSPs schon fleißig ihren eigenen Vertriebskanal auf. Das Tempo, das sie dabei vorlegen, steht im umgekehrten Verhältnis zu dem der Walldorfer.

Die im Mai dieses Jahres von den zwei ehemaligen SAP-Beratern Werner Brüch-Müller und Michael Weyl gegründete Be-Smart Business Solutions AG beispielsweise wurde erst im August zum SSP ernannt. Aber schon heute hat das in Montabaur ansässige Unternehmen nach eigenen Angaben sechs Points of Presence (POPs), so genannte Be-Smart-Centren, unter Vertrag. Und dabei soll es nicht bleiben: "Bis Ende 2003 wollen wir 30 bis 50 in Deutschland aufbauen", betont Be-Smart-Vorstand Brüch-Müller.

Ein rasantes Wachstum, das für den Softwarehersteller SAP nicht ohne Risiken ist. Denn nicht nur Be-Smart, sondern auch andere SSPs, wie die württembergische Teufel Software, wollen flächendeckend POPs für den Vertrieb von Business One aufbauen. Die ganze Bedächtigkeit der Walldorfer bei der Auswahl ihrer Channel-Partner könnte so zunichte gemacht werden. Doch SAP vertraut auf das, was es Schwarz auf Weiß hat: "POPs dürfen keine Endkundenverträge schließen", stellt der SAP-Manager Uhink klar und fügt hinzu: "Der SSP ist zuständig für den Software-Deal, die Pflege und den Support."

SSPs könnten zwar tausende von POPs in ihrem Channel aufnehmen, seien aber vertraglich dazu verpflichtet, den Qualitätsstandard von SAP aufrecht zu halten. "Be-Smart muss die Qualität sicherstellen. Sie stehen in der Verantwortung", betont Uhink. SAP könne die Garantie bis zum SSP übernehmen, weil der das Partner-Logo trägt. "Wer einen Vertrag mit einem POP schließt, befindet sich aber außerhalb des Qualitätsbereichs von SAP", stellt Uhink klar.

Be-Smart-Center absolvieren Probezeit

Die Qualitätskriterien der Walldorfer sind bekanntlich nicht niedrig. Da wird es für SSPs nicht ganz einfach, diese zu erfüllen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass beispielsweise die Be-Smart AG selbst nur drei Mitarbeiter beschäftigt. Und mehr als zehn Mitarbeiter sollen es laut Brüch-Müller auch nicht werden. Der Be-Smart-Gründer sieht die Problematik und schränkt das Wachstum seines Vertriebskanals ein: "Um Wildwuchs zu vermeiden, autorisieren wir eben zunächst nur die 30 bis 50 Be-Smart-Händler." Zudem gründen die als Be-Smart-Centren bezeichneten Points of Presence zunächst eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Bewährt sich die Partnerschaft, soll es nach einer Probezeit von neun bis zwölf Monaten zu einer Kapitalverflechtung der AG mit dem jeweiligen Partner kommen. Diese Vorgehensweise wählt Be-Smart nicht ohne Grund: "Wir haben die Option, bei Nicht-erfüllung der Pflichten den SSP-Vertrag aufzulösen", macht Uhink deutlich.

Ernst nimmt Be-Smart in jedem Fall die SAP-Richtlinie der EinProdukt-Strategie. Konkurrenzprodukte von Herstellern wie beispielsweise Sage KHK und Microsoft Business Solutions will der SSP aus Montabaur nicht in seinem Channel haben. "SAP fährt keine Zwei-Produkt-Strategie und wir auch nicht", betont Brüch-Müller. In maximal sechs Monaten müssen sich deshalb neue Be-Smart-Centren von ihrem alten Hersteller getrennt haben.

www.be-smart.biz; www.sap.de

ComputerPartner Meinung:

SAP geht mit seinem Channel-Modell ein hohes Risiko ein. Die Walldorfer können sich zwar vertraglich bei ihren Sales-und-Service-Partnern (SSP) rückversichern, doch wenn das Kind in den Brunnen fällt, bleibt auch der Softwarehersteller nicht unbeschadet - Vertrag hin oder her. Doch wenn alle SSPs ähnlich hohe Erwartungen an ihre Points of Presence haben wie Be-Smart, dürfte sich der Wildwuchs im Channel in Grenzen halten. Denn mit 20.000 Euro Jahresgebühr und einem monatlichen Mindest-umsatz von 16 Anwenderlizenzen schiebt der SSP seinen Be-Smart-Centren einen großen Riegel vor die Tür zum Geschäft mit Business One. (hei)

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