SAP sagt mittelständischen ERP-Herstellern den Kampf an

21.03.2002
Auf der diesjährigen Cebit schrillten bei den mittelständischen ERP-Anbietern die Alarmglocken. Der Softwareriese SAP steigt mit der Übernahme von Topmanage in den SMB-Markt ein - diesmal mit einem indirekten Vertriebskanal.

SAP hat in einem Husarenstreich Topmanage übernommen. Ziel der Akquise ist, das gleichnamige ERP-Produkt des israelischen Softwareherstellers als Basis für ein neues SMB-Paket (Small and Medium Business) zu verwenden. "Das wird die Szene aufmischen", konstatiert der SAP-Analyst Helmuth Gümbel, Maging Partner bei Strategy Partners International.

Wie heiß die Übernahme gestrickt wurde zeigt, dass die Walldorfer bislang nur wenige Fakten bekannt geben. Fest steht, dass sie das Lösungspaket unter dem Namen "Smart Buiness Solutions" weitest gehend über einen indirekten Vertriebskanal anbieten werden.

Die Ziele stehen dagegen bereits fest: "In drei bis vier Jahren wollen wir in diesem Markt rund 15 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften", erklärt Henning Kagermann, Co-CEO bei SAP. Angaben dazu, welchen Anteil davon sie den Channel-Partnern zugestehen möchten, und wie sie den indirekten Vertrieb vom Direct-Sales abgrenzen werden, wollte der ERP-Marktführer jedoch nicht machen. "Die Zielgruppe für das Produkt beginnt bei Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern", berichtet Hans-Jürgen Uhink, Vice President Small and Medium Business EMEA bei SAP. Zum Pricing verkündet er bislang lediglich, dass es einen Festpreis pro Anwender geben wird. "Es handelt sich dabei um einen für das anvisierte Marktsegment adäquaten Betrag", betont Uhink. Näheres wollen die Walldorfer in den nächsten zwei Wochen veröffentlichen.

ERP-Hersteller haben Respekt, aber keine Angst

Mittelständischen ERP-Anbietern wie Navision oder Sage KHK dürfte Sorge bereiten, dass die Walldorfer das SMB-Paket indirekt vertreiben wollen. Denn neben Microsoft Great Plains gibt es nun einen weiteren großen Player, der in ihrem Channel wildern wird. Noch bleibt Sage KHK Geschäftsführer Peter Dewald jedoch gelassen: "Wir haben ein etabliertes Produkt und einen etablierten Vertriebskanal. SAP wird für eine lokalisierte Version viel Arbeit, Zeit und Geld investieren müssen."

Doch die Walldorfer nutzten bereits die Cebit zur Partner-Akquise: Interessierte Fachhändler konnten bereits einen ersten Proto- typen begutachten. SAP will aber auch die bestehenden Channels von Hardwareherstellern sowie Value-Added-Distributoren (VAD) ansprechen. "IBM oder Compaq und Magirus kommen dafür infrage", erklärte Uhink und stellte klar: "Wir wollen keine Softwarepakete beim Retail in das Regal stellen."

Bei Big Blue kommen sich die Walldorfer mit Navision ins Gehege. Der dänische Softwarehersteller hatte im Februar angekündigt, seine ERP-Suite für den Mittelstand, "Attain" für die I-Series, ehemals AS/400, verfügbar zu machen. Deutschland-Geschäftsführer Lars Damsgaard Andersen nutzte deshalb ebenfalls die Cebit, um auszuloten, welche IBM-Business-Partner für den Vertrieb der Lösung infrage kommen. Der Navision-Manager ist sich bewusst, welchen Gegenspieler er jetzt bekommen hat: "Ich habe Respekt vor SAP. Deren Eintritt in den SMB-Markt erhöht den Druck."

Der dürfte auch für die Microsoft Division Great Plains ansteigen: "SAP stellt sich bewusst gegen die Redmonder", berichtet der SAP-Analyst Helmuth Gümbel. Vor allem in Deutschland haben die Walldorfer ein Heimspiel, während Great Plains hier zu Lande noch kein Bein auf den Boden gebracht hat. Das weiß auch Thilo Roetger, Geschäftsführer Deutschland bei Microsoft Great Plains. "SAP ist ein ernst zu nehmender Gegner."

Topmanage bleibt in der Familie

Während der Softwarehersteller Topmanage für viele Branchenkenner noch eine unbekannte Größe ist, hat SAP bereits enge familiäre Kontakte zu dem israelischen Anbieter geknüpft: Das Unternehmen entspringt dem Agassi-Clan. Der CEO von SAP Portal Shai Agassi ist ein Spross des Topmanage-Chefs. Der Toptier-Gründer Shai Agassi kam nach der Übernahme seines Unternehmens durch SAP im März 2001 zu den Walldorfern. Die "Drag-and-Relate"-Technik des EAI- und Portalspezialisten setzt aber auch der Softwerker Topmanage ein, der sich bereits 1996 von der Toptier abspaltete. Mit Drag-and-Relate können Anwender Informationen aus verschiedenen Datenquellen auf ihrem Desktop zusam- menführen.

Das SMB-Paket von SAP unterstützt den "SQL-Datenbank-Server" von Microsoft und das Betriebssystem der Redmonder. Als Basiselemente enthält die ERPSuite außerdem Anwendungen für Buchhaltung und Bankwesen, Finanz- und Customer-Relationship-Management, Ein- und Verkauf, Logistik- und Produktionsketten sowie Berichtswesen und Analyse. SAP wird das SMB-Paket laut Uhink weiterhin in Tel Aviv entwickeln.

Der Migrationspfad zu der Enterprise-Suite "Mysap.com" gilt als weiteres Alleinstellungsmerkmal der Walldorfer: "Unsere Fachhändler haben so die Möglichkeit, mit ihren Kunden zu wachsen", betont Uhink. Der vermeintliche Vorteil birgt für den Softwareriesen jedoch auch eine Gefahr. Längst noch nicht alle Anwender von "SAP R/2" oder "R/3" sind auf Mysap.com migriert. Anstelle eines Upgrades könnten vor allem kleinere Unternehmen sich jetzt zu einem wesentlich günstigeren Downgrade entschließen.

"Topmanage" wurde bislang in Ländern wie Israel, Polen, Singapur und Panama in den Sprachen Englisch, Spanisch und Hebräisch angeboten. Eine deutsche Version gibt es nicht. "Wir werden aber noch in diesem Jahr ein lokalisiertes Release auf den Markt bringen", verspricht Uhink.

www.sap.de

ComputerPartner Meinung

Für SAP spricht der starke Markenname, die große Entwicklungsmannschaft, der mögliche Migrationspfad und die finanzielle Potenz des Konzerns, um ein neues Produkt in den Markt zu bringen. Dagegen steht, dass den Walldorfern das Know-how für die anvisierte Zielgruppe fehlt. Diesen Nachteil kann der Softwareriese in einen Vorteil verwandeln, vorausgesetzt seine Erklärung zum indirekten Vertriebskanal ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. (hei)

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