Schlechte Gebrauchsanleitungen können teuer werden - auch für Händler

14.03.2002
Dass Gebrauchsanleitungen oft schlecht sind, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Gerade Händler und Systemhäuser - die mitunter selbst Handbücher erstellen müssen - sollten das Pfeifkonzert jedoch nicht ignorieren, denn sie werden durch das neue Schuldrechtsmodernisierungsgesetz besonders in die Pflicht genommen.

Eigentlich ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, was eine gute Gebrauchsanleitung ist. Denn zunächst einmal stellt sich die Frage: Gut für wen? Otto Normalverbraucher wünscht sich eine möglichst verständliche Anleitung, mit der er ein Produkt schnell anwenden kann. Der Profi braucht eine möglichst detaillierte und umfangreiche Spezifikation, um das Potenzial eines Produkts auszureizen.

Wer liest, hat schon gekauft

Beim Hersteller und Händler wiederum richtet sich der Blick naturgemäß auf die Kostenseite. Angesichts geringer Margen legt er besonderes Augenmerk auf Rechtssicherheit und kostengüns-tige Produktion. Dies provoziert immer wieder Äußerungen wie "Wenn der Kunde die Anleitung liest, dann hat er ja schon gekauft". Und als Konsequenz wird an Gebrauchsanleitungen massiv gespart, oder man verzichtet ganz auf sie. Das ist jedoch gleich in zweifacher Hinsicht zu kurz gedacht:

1. Gebrauchsanleitungen sind ein wichtiges Element im Post-Sales-Marketing und damit ein wesentlicher Bestandteil des Customer-Relationship-Management. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Gebrauchsanleitungen als Werbebroschüre dienen sollen. Aber dennoch kann gerade die Gebrauchsanleitung dazu beitragen, dass sich der Kunde umworben fühlt, zum Beispiel durch eine anspruchsvolle Gestaltung, die die Qualität des Produkts widerspiegelt, durch einfache Erklärungen, die ihm das Produkt näher bringen, oder durch Feedback-Möglichkeiten, die dem Kunden Gelegenheit geben, Verbesserungsvorschläge zu Produkt und Anleitungen zu machen.

2. Die Gebrauchsanleitung ist ein wesentlicher Produktbestandteil. Deshalb gilt ein Produkt mit hinreichender Qualität ohne Gebrauchsanleitung als nicht vollständig ausgeliefert, was unter anderem Konsequenzen für den Beginn der Gewährleistung hat. Eine unverständliche Anleitung stellt darüber hinaus einen wesentlichen Mangel für ein Produkt dar. Im Ernstfall könnte der Kunde auf Wandlung oder Minderung bestehen; Händler müssen also auch hier mit Kosten rechnen!

Deshalb sollte jede Gebrauchsanleitung zumindest einige Minimalanforderungen erfüllen. Zunächst einmal ist es die Aufgabe der Gebrauchsanleitung, dem Kunden Installation, Gebrauch, Wartung und Demontage eines Produktes fehlerfrei zu ermöglichen. Dabei soll sie dem Kunden vor allem auch den Zugang zu allen Funktionen des Produktes bieten.

Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Tatsächlich finden sich aber nicht selten Anleitungen, die nur Kernfunktionalitäten eines Produkts enthalten. Ein fataler Fehler, denn dadurch sinkt der wahrgenommene Nutzen eines Produkts: Der Kunde wird den Funktionsumfang als geringer einschätzen und damit das Produkt als unnötig teuer beurteilen.

Seitenweise Sicherheitshinweise müssen nicht sein

Eine weitere Minimalanforderung besteht darin, auf Sicherheitsrisiken bei der Arbeit mit einem Produkt hinzuweisen. Damit werden Anleitungen gerne überfrachtet. Doch sollte man sich als Hersteller darüber klar sein, dass in einer Anleitung nur diejenigen Sicherheitsrisiken aufgeführt werden dürfen, die sich konstruktiv nicht beheben lassen. Im Schadensfall reicht es also nicht aus, sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, dass man auf eine Gefahr ja hingewiesen hat. Stattdessen ist nachzuweisen, dass das Sicherheitsrisiko durch eine andere Bauweise nicht auszuschließen war.

Nach der Pflicht kommt die Kür

Nach der Pflicht - den Minimalanforderungen - darf man aber auch die Kür nicht vergessen. Denn Gebrauchsanleitungen bringen dem Hersteller in ganz unterschiedlichen Bereichen einen beachtlichen Mehrwert. Von der Funktion im Rahmen eines CRM-Konzepts war schon oben die Rede. Mit Gebrauchsanleitungen verfügt der Hersteller über ein zielgruppengenaues Kommunikationsinstrument ohne große Streuverluste.

Zugegebenermaßen werden viele Gebrauchsanleitungen nicht gelesen. Das liegt jedoch nicht zuletzt daran, dass Anleitungen selten die gleiche Sorgfalt erfahren wie sie andere Marketinginstrumente genießen. Wo dies gelingt, bietet die Gebrauchsanleitung ein hervorragendes Mittel zur Stärkung der Kundenbeziehung, aber auch zur Senkung der Hotline-Kosten.

Doch auch bei der Entwicklung und Konfektionierung von Produkten spielt die Technische Dokumentation eine wichtige Rolle. Beteiligt man die Anleitungsautoren von Anfang an bei der Entwicklung, können Fehler in der Usability vermieden oder Sicherheitslücken frühzeitig erkannt werden. Dadurch sinken die Gesamtkosten in der Entwicklung, die Zeitplanung wird besser eingehalten.

An der Optimierung seiner Gebrauchsanleitungen zu arbeiten ist also kein Akt der reinen Nächstenliebe. Es liegt durchaus im Interesse des Herstellers und Händlers, dieser ungeliebten Textsorte mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Wie organisieren?

Oft ist man jedoch schlicht überfordert, wenn es darum geht, den Dokumentationsprozess im eigenen Haus zu optimieren. Das beginnt schon bei der Frage, wer die Anleitung erstellt. Prädestiniert erscheinen hier zunächst die Produktentwickler, kennen sie doch das Gerät bis hin zum letzten Chip und zur kleinsten Feststellschraube. Doch Produktkenntnis allein reicht bei weitem nicht, um eine gelungene Gebrauchsanleitung zu erstellen. Zu genaue Produktkenntnis kann sogar hinderlich sein. Denn dadurch konzentriert man sich zu sehr auf den Aufbau des Produkts und verliert die Benutzungssituation völlig aus den Augen.

Stattdessen sollte man diese Arbeit einem Profi überlassen. Denn Technische Dokumentation beinhaltet eine Fülle von Tätigkeiten, die über das eigentliche Schreiben weit hinausgehen. So ist der Redakteur zum Beispiel zuständig für die Einhaltung einer Vielzahl von Normen und Gesetzen, er kümmert sich um die Revision und Archivierung von Gebrauchsanleitungen, wählt Publikationsformate, organisiert den Druckprozess oder die Online-/CD-Publikation, erstellt technische Zeichnungen, kommuniziert mit den Übersetzern und so weiter.

Klar: Wenn man nur gelegentlich Gebrauchsanleitungen erstellen muss, lohnt es sich meist nicht, einen eigenen technischen Redakteur zu beschäftigen. Am besten wendet man sich in dieser Situation an einen qualifizierten Dienstleister. Er entlastet die Projektbeteiligten nicht nur in Sachen Textarbeit, sondern hilft auch bei Aufgaben, für die man als Hersteller oder Händler erst Know-how aufbauen muss, wie etwa die Druck- oder Übersetzungsabwicklung.

Fallen in einem Unternehmen immer wieder Dokumentationsauf-gaben an, ist es empfehlenswert, sich einen Styleguide (online oder print) zu erstellen. Ein solcher Styleguide dient zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter, als Qualitätsstandard und hilft, externe Auftragnehmer bei Projekten zu koordinieren. Ein Styleguide sollte deshalb mindestens folgende Inhalte aufweisen:

- Corporate Identity (zum Beispiel Logos, zulässige Farbkombinationen, Schriftarten, Gestaltungsmuster)

- typische Formulierungsmus-ter, die eine hohe sprachliche Qualität gewährleisten

- Terminologieliste (für Geräteteile, Software-Oberflächenelemente und Tätigkeiten), eventuell mehrsprachig für die Übersetzungskoordination

- Textbausteine

- Checkliste zur Qualitätssicherung der Dokumentation

Auch für den Aufbau eines Styleguides lohnt es sich, auf die Erfahrung eines Dienstleisters zurückzugreifen, da hier diverse Fallstricke lauern. Zum Beispiel betrifft schon allein die Entscheidung für das Medium, in dem der Styleguide zur Verfügung stehen soll, eine Fülle von Randbedingungen, die auf den ersten Blick nicht leicht zu überschauen sind.

"Das kann ja kein Mensch verstehen!" Den häufigsten Vorwurf, der Gebrauchsanleitungen gemacht wird, scheint man auf den ersten Blick leicht vermeiden zu können. Weil wir uns auch im Alltag im Allgemeinen problemlos verständigen können, denken wir gerne, dass es trivial ist, einen leicht verständlichen Text zu schreiben. Ist man jedoch in der Verlegenheit, eine Anleitung verfassen zu müssen, stellt man schnell fest, dass das nicht ganz so einfach ist.

Was muss man nun beachten, um eine verständliche Gebrauchsanleitungen zu schreiben? Zunächst einmal muss man sich darüber klar werden, dass es keine absolute Verständlichkeit gibt. Ein Text, der für einen Chipdesigner verständlich ist, wird einem Vertriebsprofi wahrscheinlich Probleme bereiten. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt. Grundlegend ist deshalb zunächst die Frage, für wen eine Anleitung verständlich sein soll. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: Oft liest man, dass Fachbegriffe einen Text schwer verständlich und umständlich machen. Schreibt man aber für Fachleute, so tragen gerade Spezialbegriffe dazu bei, dass der Text leicht verständlich für die Zielgruppe wird.

Gebrauchsanleitungen haben üblicherweise nicht nur eine, sondern mehrere Zielgruppen. Meist orientiert man sich dann an der größten Teilgruppe. Tatsächlich sollte man sich jedoch entweder an die Zielgruppe mit dem geringsten Vorwissen - im allgemeinen Laien ohne Vorkenntnisse - wenden oder durch eine geschickte Textgestaltung mehrere Zielgruppen abdecken.

Grundsätzliches beachten

Was gilt es nun zu beachten, um Anfängern ohne Vorkenntnisse den Zugang zu einer Gebrauchsanleitung möglichst einfach zu machen?

Grundsätzlich muss man von der Anwendungssituation ausgehen, in der sich der Benutzer befindet. Fast jeder Entwickler ist der Meinung, dass Anwender hauptsächlich an dem Gerät interessiert sind. Tatsächlich sind die meisten Anwender jedoch an nichts weniger interessiert als an dem Gerät selbst. Sie wollen möglichst schnell Zugang zu dem Nutzen bekommen, den ihnen dieses Gerät bietet. Das erfordert eine komplett andere Sicht bei der Erstellung einer Gebrauchsanleitung: Nicht der Geräteaufbau oder die Softwareoberfläche stehen im Vordergrund, sondern die Aufgaben, die sich damit erledigen lassen. Das zeigt sich oft schon in den Überschriften einer Anleitung: "Die Edit-Funktion" hilft dem Leser nicht weiter, wenn ihm die Frage auf den Nägeln brennt, wie er das geöffnete Dokument bearbeiten kann. "So bearbeiten Sie Ihr Dokument" führt ihn dagegen ohne Umschweife zum gewünschten Effekt.

Ebenso grundsätzlich sollte man sich angewöhnen, beim Schreiben klar die Funktion der Texteinheiten im Blick zu haben und in der gesamten Anleitung konsistent zu verwenden. Denn wenn zum Beispiel Handlungsschritte im selben Dokument sowohl als nummerierte Liste als auch als Folge von Spiegelstrichen dargestellt sind, ist die Verwirrung beim Benutzer schon abzusehen.

Layout ist keine Geschmacksfrage

Analog gilt das auch für das Layout. Denn Layout ist keine Geschmacksfrage; es hat die Funktion, den optimalen Zugang zum Text zu ermöglichen, unterschiedliche Bereiche für unterschiedliche Benutzergruppen zu markieren und Funktionseinheiten des Textes zu unterscheiden. In der Praxis haben sich großzügige Layouts mit Marginalspalte bewährt. Hier finden dann Tipps, Warnungen und Zwischenüberschriften Platz, ohne den Text unnötig zu belasten. Im Idealfall kann so die Anleitung zum Beispiel einen Schnelleinstieg für den erfahrenen Benutzer bieten und eine ausführliche Fassung für Neuanwender.

Gebrauchsanleitungen sind häufig unnötig umständlich formuliert. Dabei können schon einige kleine Regeln, wie man sie in jedem Stilhandbuch finden kann, eine deutliche Verbesserung bewirken. Grundsätzlich sollte man sich sprachlich möglichst kurz und einfach halten. Bei Gebrauchsanleitungen gilt es nicht, einen Poetenpreis zu gewinnen oder eine wissenschaftliche Abhandlung zu verfassen. Einfache Sätze ohne viele Nebensätze, aktive Formulierungen und ein motivierender Verbalstil würden deshalb viele Gebrauchsanleitungen schon um einiges verbessern. Natürlich sollte man auch auf Fachbegriffe weitgehend verzichten. Lassen sich Fachwörter nicht vermeiden, so kann man mit einem sinnvoll aufgebauten Glossar dem fachunkundigen Leser den Einstieg in die Terminologie erleichtern.

Wichtig ist auch die Organisation des Textes. Ab acht Seiten Text sollte ein Inhaltsverzeichnis auf keinen Fall fehlen; ab 16 Seiten Text ist auch ein Index sinnvoll. Neben dem Index empfiehlt sich ein Glossar, wenn viele erklärungsbedürftige Termini verwendet werden. Für erfahrene Benutzer ist eine Kurzanleitung hilfreich, die die wichtigsten Besonderheiten des Produkts zusammenfasst und dem Benutzer einen schnellen Einstieg bietet.

Der Inhalt jeder Gebrauchsanleitung ist natürlich verschieden. Dennoch lassen sich auch hier einige Empfehlungen treffen. So wird zum Beispiel allzu oft vergessen, dass die meisten Menschen über Beispiele lernen. Gebrauchsanleitungen gewinnen in hohem Maße an Verständlichkeit, wenn Handlungsabfolgen und Verwendungssituationen durch Beispiele veranschaulicht werden. Ähnliches gilt auch für Vergleiche, die zum Beispiel dem Anwender das Verständnis von Funktionsprinzipien erleichtern.

Wichtig für das Verständnis sind auch Feedback-Signale. Oft findet man Gebrauchsanleitungen, die dem Benutzer zwar sagen, was er tun muss, jedoch nicht, woran er erkennt, ob die Handlung erfolgreich war. Für den Benutzer ist es aber wichtig, auch bei Zwischenschritten eine Bestätigung zu erhalten, dass er noch auf dem richtigen Weg ist. Das gilt insbesondere bei unsicheren Anwendern, hilft aber in vielen Fällen auch den Profis.

Handbuchleser sollten belohnt werden

Ein letzter Punkt soll bei der Auswahl des Inhalts noch genannt werden. Immer wieder findet man Gebrauchsanleitungen, in denen keine Kontaktadressen für Support-Leistungen genannt sind. Auch wird oft vergessen, dem Anwender die Informationen zu geben, die zur Beantwortung von Support-Anfragen notwendig sind. Kein Wunder, wenn hier die Frus-tration für Kunden und Support-Mitarbeiter schon programmiert ist.

www.doctima.de

Der Autor Markus Nickl ist Geschäftsführer der Doctima GmbH in Erlangen.

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