"Volume Licensing 6.0"

"Schlichte Erpressung": IT-Entscheider lehnen neues Microsoft-Lizenzprogramm ab

09.07.2002
In einer Umfrage unserer Schwesterzeitschrift CIO erklärten 59 Prozent der Entscheider, dass sie sich nicht den Bedingungen des ab 1. August dieses Jahres gültigen Mietmodells "Volume Licensing 6.0" fügen werden.

236 IT-Entscheider antworteten unserer Schwesterzeitschrift CIO zum Thema: „Was halten Sie von der neuen Lizenzpolitik von Microsoft?" Nicht jede Antwort der IT-Verantwortlichen fiel so eindeutig aus wie die von Andreas Resch, Geschäftsführer des europaweit tätigen Logistikunternehmens Fiege: „Das Fass ist übergelaufen." Doch beachtliche 59 Prozent der Entscheider erklärten, dass sie sich nicht den Bedingungen des ab 1. August dieses Jahres gültigen Mietmodells Volume Licensing 6.0 fügen werden.

42 Prozent der befragten Unternehmen mit einem IT-Budget zwischen einer und zehn Millionen Euro gaben an, sie hätten auf keinen Fall vor, bei Microsoft-Anwendungen auf das neue Lizenzmodell umzusteigen. Exakt 42 Prozent lehnten den Umstieg auf das Mietmodell bei Betriebssystemen ab, 36 Prozent bei Server-Software.

Die zentralen Punkte des neuen Mietprogramms lauten: Die Software wird gemietet statt gekauft; es erfolgt ein automatischer Wechsel auf die aktuellen Versionen; die Kosten werden nach Kundentreue gestaffelt. Wer nicht einsieht, warum er gemäß den Microsoft-Wünschen lizenzieren soll, wird mit höheren Preisen bedacht.

„Software Assurance“ nennt Microsoft das weltweit geltende Abrechnungsmodell. Jeder Lizenznehmer habe zu jedem Zeitpunkt seines Mietvertrages Klarheit darüber, was ihn die Software koste, werben die Redmonder. Mit diesem Modell glauben sie zudem die Zukunft der Softwaredistribution inklusive „Dotnet“ und Webservices im Griff zu haben: Mieten statt kaufen.

Dass laut CIO ein Kunde gesagt habe, bei dieser Lizenzpolitik handle es sich um "schlichte Erpressung", mag man bei Microsoft Deutschland als verbale, ressentimentgeladene Entgleisung abtun. Jedoch dürfte es der Unterschleißheimer Zentrale nicht leicht fallen, das von der Mehrheit der Entscheider vermutete Motiv für das neue Lizenzprogramm einfach abzutun: Insgesamt 86 Prozent der Befragten waren davon überzeugt, die Teilnahme am neuen Lizenzierungsmodell werde die Softwarekosten auf Dauer noch weiter nach oben treiben.

„Tatsächlich geht es doch nicht um die Kunden, sondern darum, dass Microsoft den Umsatz besser planen kann", formulierte Thomas Portuné, CIO von BIC Graphic in Liederbach - eine durchaus repräsentative Sichtweise der 236 Befragten. Allein fehlende Alternativen würden viele Unternehmen dazu veranlassen, Microsoft-Programme auch zu den neuen Bedingungen zu beziehen. „Wir haben einen Wechsel zu Linux geprüft", erklärte zum Beispiel Dieter Pfaff, Geschäftsführer der RAG Informatik, der IT-Tochter des Bergbau-Konzerns RAG. Der Wechsel wäre etwas teurer als die erhöhten Lizenzgebühren. Pfaffs Vermutung: Microsoft habe das vorher „sehr genau durchgerechnet".

Dem pflichtet Jon Mein, Research Director bei Gartner, lakonisch bei: „Microsoft ist nicht blöd." Die Redmonder mussten, so der Analyst, diesen Schritt machen, um langfristig ihre Umsätze zu sichern. Doch weder Motivsuche noch Kritik der Kunden, zumal der Großkunden, scheint man bei Microsoft wirklich wahrzunehmen. Sonst hätte Wolfgang Ebermann, Vertriebsleiter Mittelstand und Mitglied der Geschäftsführung in München, Ende Mai auf die Frage, ob Kunden das Modell akzeptieren nicht frohgemut antworten können: „Bis jetzt haben 50 Prozent der Großkunden die Migration zum neuen Lizenzprogramm realisiert. Wir gehen davon aus, dass sich die Teilnehmerzahl noch erhöht."

Er begründet diese, zumindest erstaunlich anmutende Lizenzquote damit, dass Microsoft seine Kunden ernst genommen habe: „Die Kunden haben uns mitgeteilt, dass sie nicht nur Flexibilität und Auswahlmöglichkeiten, sondern auch einen geringen Verwaltungsaufwand und einfache Prozesse wünschen.“ (wl)

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