Schnelle 3D-Karten führen zum Computerabsturz

11.04.1999
MÜNCHEN: Grafikkarten werden immer schneller. Zum Weihnachtsgeschäft werden die ersten Hochleistungskarten der neuesten Generation in den Regalen stehen. Doch ob sie funktionieren, ist eine andere Frage.

Moderne Grafikkarten bieten zwar enorm viel Rechenleistung, brauchen aber auch enorm Strom. Nicht ohne Grund besitzen Hochleistungs-Grafikkarten integrierte Lüfter auf den Grafikprozessoren. Nur damit läßt sich die entstehende Verlustwärme der Prozessoren abführen. Denn diese Prozessoren arbeiten heute mit Taktraten um die 180 MHz. Bei solchen hohen Taktfrequenzen steigt die Stromaufnahme der Chips gewaltig an. Und genau da liegt das Problem. Während eine Grafikkarte sich bei 2D-Anwendungen mit relativ wenig Strom begnügt, wird sie bei 3D-Spielen mit schneller aufwendiger Grafik zum Stromfresser.

SPEZIFIKATIONEN DES AGP-PORTS

Als Intel seine Spezifikationen für den AGP-Port festlegte, wurde als maximale Stromaufnahme der Grafikkarte ein Wert von sechs Ampere fixiert. In einer Fußnote gab Intel jedoch an, daß mit einer maximalen Belastung von etwa zwei bis drei Ampere zu rechnen sei. Als der AGP-Steckplatz entwickelt wurde nahm kaum eine Grafikkarte mehr als drei Ampere auf. Moderne schnelle 3D-Karten sind mit drei Ampere jedoch längst nicht mehr zufrieden. Ihr Stromverbrauch liegt zwischen drei und knapp sechs Ampere, wenn sie aufwendige 3D-Grafiken berechnen müssen.

Besitzt man nun einen älteren Rechner, dessen Netzteil die benötigten 3,3 Volt für die Grafikkarte bereitstellt, ist ein Spannungsregler auf dem Motherboard gefragt, und dieser in vielen Fällen überfordert. Denn die Hersteller setzten hier gerne sogenannte Linearregler ein. Solche Regler wandeln die Fünf-Volt-Versorgungsspannung vom Netzteil in die benötigte Betriebsspannung von 3,3 Volt für die AGP-Grafikkarten um. Die überschüssige Energie wird dabei in Wärme umgewandelt. Dazu ein Rechenbeispiel: Der Regler muß 1,7 Volt (5 V minus 3,3 V) bei einem Strom von 6 A in Wärme umsetzen. Das entspricht einer Wärmeleistung von etwa zehn Watt. Da die meisten Linearregler auf dem Board über keinen Kühlkörper verfügen, heizen sich die Chips so stark auf, daß sie ihren Dienst versagen. Die Grafikkarte bekommt dann keinen Strom mehr, und der Rechner stürzt ab. Das passiert aber nur, wenn man ein 3D-Spiel startet. Bei reinen 2D-Anwendungen arbeitet der Rechner völlig normal und stabil.

NICHT JEDES MOTHERBOARD IST TAUGLICH

Am sichersten sind Motherboards mit Schaltregler für den AGP-Port. Nach Aussagen der Hersteller können diese Regler klaglos einen Strom von bis zu acht Ampere liefern. Damit übertreffen sie noch die von Intel geforderte Spezifikation von sechs Ampere.

Motherboards mit einem Linearregler können unter bestimmten Umständen auch die geforderten sechs Ampere liefern. Dann müssen die Regler aber mit einem kleinen Kühlkörper bestückt sein.

WELCHE BOARDS SIND BETROFFEN?

Hauptsächlich Motherboards von Billiganbietern sind sehr knapp kalkuliert. Da der Hersteller mit jedem Pfennig spart, kann man davon ausgehen, daß auch beim Spannungsregler gespart wurde. Solange man diese Boards nicht überfordert, also nur Office-Anwendungen auf ihnen laufen läßt, ist alles in Ordnung. Aber sobald Performance gefordert wird, sind diese Boards nicht zu gebrauchen. Insider der Branche weisen außerdem daraufhin, daß diese Motherboards auch bei den anderen technischen Spezifikationen nicht gerade das Gelbe vom Ei sind. Zum Beispiel ist die Performance bei der Datenübertragung von und zum Hauptspeicher sehr schlecht. Zudem lassen die Übertragungsraten von und zu der Festplatte zu wünschen übrig. Wer sich trotzdem für ein solches Board entscheidet und beispielsweise eine schnelle 3D-Grafikkarte von Guillemot einsetzt, kann bei Problemen den Takt der Karte verlangsamen. Anstelle von 150 MHz läuft der Grafikprozessor dann nur mit 143 MHz. Die Geschwindigkeitseinbuße ist nicht hoch, aber die Stromaufnahme sinkt, und die Karte läuft stabil. Das entsprechende Programm dazu findet man unter der Internet-Adresse www.guillemot.com.

SPEZIALFÄLLE

Manche Grafikkarten laufen auf bestimmten Motherboards einfach nicht. Tauscht man nun das Board gegen ein anderes des gleichen Typs, funktioniert die Karte plötzlich. Das liegt an den Toleranzen beider Komponenten. In diesem Fall liegt eine der beiden Komponenten (Grafikkarte oder Motherboard) knapp außerhalb der Spezifikation. Vor solchen Überraschungen ist man nie gefeit. Bevor man also eine größere Charge Rechner zusammensetzt, sollte man die Komponenten einzeln ordern und anschließend in einem Testsystem auf Herz und Nieren prüfen. Wenn die Grafikkarte und das Motherboard klaglos ein Testdemo im Dauereinsatz überstehen, kann man davon ausgehen, daß diese Kombination funktioniert. (jh)

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