Schnelles Unternehmenswachstum durch Franchising

22.05.1998

MüNCHEN: Fast jedes Unternehmen beschäftigt sich mit Expansionsplänen. Immer bedeutender werden Marktpräsenz, -durchdringung, Abgrenzung zum Wettbewerb, Unternehmensgröße und die daraus resultierende Schlagkraft einer Firma oder Organisation. Wer expandieren möchte, muß jedoch Risiken eingehen. Es geht aber auch anders. Das Zauberwort heißt "Franchising", ein System, wodurch sich auf besondere Weise Unternehmenswachstum generieren läßt. Im folgenden Artikel stellt Stefan Rohr* dar, wie solche Systeme funktionieren und wie sie entwickelt werden.

Investitionen in die Zukunft haben einen entscheidenden Nachteil: So notwendig sie für die Geschäftsexistenz auch immer sind, müssen sie jedoch auch immer im voraus finanziert und - durch Tatkraft - in Wirtschaftserfolg umgesetzt werden.

Und genau daran scheitern so manche guten Ansätze für die geschäftliche Erweiterung. Eine neue Verkaufsniederlassung etwa muß zunächst unter hohen Risiken mit vorhandenen oder geliehenen Geldmitteln aufgebaut werden. Mieten, Einrichtungen, Waren und Personal bilden dabei die entscheidenden Größen. Zudem ist erhebliche Verantwortungsinitiative zu erbringen, die schlichtweg als "Managementleistung" bezeichnet werden kann.

Ist der erste Schritt innerhalb eines Expansionsplans getan, ist damit ein breiterer und wirksamer Marktauftritt noch lange nicht erreicht. Dazu fehlen vielleicht weitere zehn Niederlassungen in Metropolen, um der möglicherweise übergewichtigen Konkurrenz auch nur annähernd Paroli bieten zu können.

Risikoarme, effiziente und rasche Expansion: Franchising

Solche Probleme sind allerdings nicht neu. In unzähligen Branchen oder Geschäftsfeldern wird schon lange darüber nachgedacht, welche Möglichkeiten es gibt, die Expansion verträglicher, risikoärmer, gleichzeitig effizienter sowie in möglichst kurzer Zeit zu realisieren. So ist das "Franchising" entstanden, was nichts anderes ist als ein System mit gebundenem Vertrieb durch selbständige Unternehmer unter einem gemeinsamen Marktauftritt.

So bindet zum Beispiel ein Hersteller (Franchise-Geber) eine ganze Reihe von Händlern (Franchise-Nehmer), die - und das ist von grundlegender Bedeutung - als kaufmännisch selbständige Unternehmer/Unternehmen unter eigenem Kapitaleinsatz die Produkte des Herstellers in der Regel unter seinem oder einem gemeinsamen Namen (Marke) anbieten und vertreiben. Dabei werden Rechte und Pflichten sowie die systematischen Grundlagen des jeweiligen Franchising in einem entsprechenden Vertrag geregelt.

Daß dieses nicht nur funktionieren, sondern auch konzernähnliche Strukturen annehmen kann, beweisen so bekannte Unternehmen wie "MacDonalds", "Benneton", "Coca Cola" oder "OBI". Franchising ist längst salonfähig geworden und hat den einstigen Charakter der "spinnerten Idee aus Amerika" verloren. Ganze Branchen leben bestens mit diesem System (zum Beispiel in der Getränkebranche, im Versicherungswesen, im Automobilhandel, im Mineralölsektor oder in vielschichtigen Dienstleistungsangeboten).

Franchise-Geber benötigen zunächst einen eingeführten Markennamen

Einer der bundesweit größten Immobilienmakler gestaltet derzeit seine Expansion ausschließlich über das Franchising. Das mit gutem Grund und auf einer äußerst soliden Basis. Um Franchise-Geber (also Systembetreiber) werden zu können, ist in erster Linie zunächst wichtig, einen mehr oder weniger eingeführten Marktnamen zu haben.

Das kann sich durchaus auf eine kleinere Region, ein einzelnes Produkt oder ein bestimmtes Nischenangebot beschränken. Auch McDonalds bestand am Anfang lediglich aus einem besonders beliebten Produkt, das ausschließlich in einem einzigen Schnellrestaurant in Amerika zu haben war. Ein kluger Kopf kaufte dem Koch das Rezept ab, ließ es patentieren, gab ihm einen Namen und verkaufte es an andere Fast-Food-Läden mit dem Hinweis, daß die Menschen es wahnsinnig lieben würden.

Franchise-Nehmer sind selbständige Unternehmer

Der Franchise-Nehmer ist ein selbständiger Unternehmer, der deshalb in das System einsteigt, weil er sich verspricht, durch den Markennamen, das Image, die günstigen Einkaufsbedingungen, zentrale Leistungen und Werbemaßnahmen und einen einheitlichen Verbund im Vorteil zu sein. Um bei dem Beispiel "MacDonald" zu bleiben - es ist sicherlich nicht schwer, ähnliche und sogar schmackhaftere "Burger" zu produzieren. Niemand wird jedoch ernsthaft annehmen, daß ohne den "Mac" ebensolche Kundenzahlen und Gewinnmargen zu erzielen wären.

Ein Franchise-System ist demnach ein gegenseitiges Geben und Nehmen von Vorteilen: Bei den vom Franchise-Geber ermöglichten Vorteilen ist der Franchise-Nehmer dazu bereit, eigenes Kapital einzusetzen und damit zu riskieren; das Risiko ist so sicher bei weitem geringer als bei der Umsetzung der Selbständigkeit ohne einen starken Partner. Zudem bringt der Franchise-Geber häufig eine Fülle von Grundlagen in die Partnerschaft mit ein - zum Beispiel Marketing- und Vertriebskonzepte, Schulungen, Designstandards, Sortimente, Pricings, Kalkulationsvorschläge, Werbematerialien, überregionale Image- und Produktbewerbung, Gebietsschutz, Messebeteiligung sowie Unterstützung bei der Etablierung, die es dem Franchise-Nehmer besonders leicht machen, seine geschäftlichen Ziele umzusetzen.

Das macht der Franchise-Geber natürlich nicht selbstlos. Einerseits braucht er solche Grundlagen meist nur einmal zu entwickeln oder zentral zu organisieren. Andererseits wird das finanzielle Unternehmerrisiko gänzlich vom Franchise-Nehmer getragen, der sich zudem an systemgegebene Vorgaben und Verpflichtungen zu halten hat (zum Beispiel Warenbezug oder Preisbindungen).

In der Regel ist der Einstieg als Franchise-Nehmer, je nach Bedeutung des Systems, mit Einstiegsgebühren, Garantieleistungen und Umsatzabgaben verbunden. So müssen die künftigen System-Partner häufig zunächst eine nicht unerhebliche Einkaufssumme auf den Tisch legen sowie Schulungen und Wareneinsatz finanzieren. Daß schon hierin diverse Risiken liegen, muß wohl nicht näher erläutert werden.

Drang zur Selbständigkeit führt zu Franchising-Boom in Europa

Dennoch funktionieren die Franchise-Formationen in aller Regel vortrefflich, und zwar für beide Seiten.

Franchising erlebt deshalb auch einen Boom in Deutschland und Europa. In erster Linie kann dieser durch die allgemeine Sättigung im Angebotsmarkt und den arbeitsmarktbedingten Drang zur Selbständigkeit begründet werden. Wo viel Wettbewerb die Existenzgründung oder das Wachstum erschwert, vielleicht sogar aussichtslos erscheinen läßt, sind Franchising-Konzepte eine gute Möglichkeit, sich im Markt erfolgreich zu etablieren. Unternehmer, die an einer schnellen Expansion und Markterweiterung interessiert sind, haben so also gute Chancen - und das in fast allen Wirtschaftsbereichen.

Potentielle Franchise-Nehmer im Dienstleistungssektor

So ist auch ein schwieriger Dienstleistungssektor, zum Beispiel die DV-Dienstleistung, durchaus "franchise-fähig". Denn es gibt sicherlich genug Unternehmen, die zur Zeit zwar noch relativ "klein" sind, jedoch über viel Know-how, Produkte oder Verfahren, Referenzen und Kundenkontakte verfügen, zudem Marktkenntnisse aufweisen und Erfahrungen in Sachen Vertrieb gesammelt haben. Viele DV-Experten, die sich die Selbständigkeit wünschen, sind dabei potentielle Franchise-Nehmer, die risikominimierend den Anschluß an eine bereits bestehende Organisation suchen, dennoch ihr eigener Unternehmer sein wollen.

Auf diese Weise ist es auch einem kleinen Unternehmen möglich, in schnellen Schritten mehrere überregionale oder gar internationale "Niederlassungen" zu schaffen. Denn die finanziellen Mittel müssen durch die Franchise-Partner und nicht mehr durch das Unternehmen selbst aufgebracht werden; der Franchise-Geber kann sich auf die Unternehmensentwicklung und die systeminterne Funktionalität konzentrieren.

Franchise-Geber kann sich auf Firmenentwicklung konzentrieren

Mittlerweile gibt es insbesondere in der DV-Dienstleistung und der Softwareherstellung diverse Unternehmen, die sich mit dieser Form der Expansion beschäftigen und sich gegen den Wettbewerb durchsetzen wollen. Ein wirtschaftlich bestechender Gedanke, der zudem neue Kräfte weckt, Arbeitsplätze schafft und mit dem sich neue Märkte erobern lassen.

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/Speyer/Hannover/Bremen/ München/Zug (CH)

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