Schuld sind die Anderen

16.05.2002
Verbesserter Jugendschutz nur scheinheiliges Alibi?

Die Ballerspiele sind schuld, sagen die einen, Horrorfilme die anderen. Zu brutal sei das Vorabendprogramm, zu gewalttätig die Serien. Eine Verschärfung der Auflagen, wie es die hoffnungslos überforderte Politik quer durch alle Farben nun beschließen will, ist weder eine Lösung noch ein Mittel, um Vorfälle wie die in Erfurt zu verhindern. Hier versagt die Gesellschaft. Wird der Zugang zu leichten Drogen wie Alkohol und Zigaretten verwehrt, werden sie nur noch begehrlicher. Die Kriminalisierung fantastischer oder Action geprägter Computerspiele fördert den illegalen Handel und die Nachfrage nach Rohlingen und Brennern. Wo heute drallgeformte Cyber-Heldinnen mit Pumpgun und Uzi gegen zwei- bis achtbeiniges Ungeziefer in die Schlacht geschickt werden, standen früher Old Shatterhand oder Lederstrumpf für prä- und postpubertäre Fantasien. Es stimmt, dass die Zahl der an Fesselung erstickten Kinder an virtuellen Marterpfählen sank. Auch die Augenverletzungen durch nachbarliche Pfeil- und Bogenangriffe gingen zurück. Aber nicht, weil jemand May oder Cooper auf den Index setzte, sondern weil der Western-Boom mit der Glorifizierung der ersten inneramerikanischen ethnischen Säuberung von der noch brutaleren Realität eingeholt wurde. Nach dem Scheitern der Friedensbewegung und der Reaktivierung der kalten Krieger in West, Europa und Ost, waren es die No-Future-Punks, die den Weg für die jetzige Generation rücksichtsloser Karrieristen ebnete. Töte oder Stirb! Kontraste eben, Wohlstand auf der einen und Zukunftsangst auf der anderen Seite eines jugendlichen Lebens. Wer kein Abi macht oder machen darf, kann den Porsche vergessen, die Loft und alles andere, was auf Hochglanz oder flimmernd als Normalzustand präsentiert wird. Welche Wahl hat ein junger Mensch, der täglich erlebt, wie in Wirklichkeit vermeintliches Recht mit Waffengewalt in China, Israel, Palästina, Afghanistan, Spanien oder Irland erzwungen wird. Weder war es ein Amoklauf noch das Ausleben psychotischer Zwänge, hier ist ein Mensch durchgedreht, weil ihm seine Zukunft genommen wurde. So wie täglich einer durchdreht, aus Eifersucht, Gier, Hass oder wie hier aus Angst. Die krisengeschüttelte Medienlandschaft macht daraus ein Monster, steigert Auflage und Quoten, zieht Parallelen zu den Daily News aus dem Land, wo Pumpguns anscheinend in die Schultüte gehören. Sicherlich gibt es auch die Aggression aus TV und Spielekonsum. Vor allem auf der Autobahn oder wenn Kinder zu laut im Hof spielen. Reizüberflutung nennen es die einen, Degenerierung nenne ich es.

Mein Fazit: Wird die Gesellschaft von den Medien geprägt oder reflektieren die Medien unsere Gesellschaft? Jedenfalls sind Spiele bestimmt nicht am Drama dieser Tage schuld.

Bis demnächst, Euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist ein Fachhändler aus Rheinland-Pfalz.

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