Oberlandesgericht Hamm

Schuldfrage bei Unfall mit Todesfolge

Bertil Jakobson ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Mitglied des VdVKA - Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V., sowie Vizepräsident des DSV Deutscher Strafverteidiger Verband e. V.

Vorhersehbarkeit des Unfalls?

Allerdings sei noch nicht geklärt, ob der vom Landgericht zugunsten des Angeklagten unterstellte Rotlichtverstoß des Unfallgegners die Vorhersehbarkeit des Unfalls für den Angeklagten ausgeschlossen habe. Ein Mitverschulden des Unfallgegners könne die Vorhersehbarkeit des Unfalls für den Verursacher ausschließen, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten bestehe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ließen sich Rotlichtverstöße nicht pauschal als "nicht gänzlich vernunftwidrig" einstufen.

Ein wesentliches Kriterium für ihre Bewertung sei gerade mit Blick auf ihre Folgen die Frage, wie lange die Ampel im Zeitpunkt des Verstoßes schon Rotlicht gezeigt habe. So werde der sog. qualifizierte Rotlichtverstoß (länger als 1 Sekunde Rot) bereits durch die Bußgeldkatalogverordnung als grobe Pflichtverletzung bewertet. Im Übrigen wiege ein vorsätzlich begangener Rotlichtverstoß deutlich schwerer als ein fahrlässiger Verstoß. Aus Sicht des Senats sei zumindest eine vorsätzliche Begehung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes bei der gebotenen wertenden Betrachtung als gänzlich vernunftwidriges Verhalten anzusehen. Im vorliegenden Fall komme es daher darauf an, ob sich nähere Feststellungen zum Rotlichtverstoß des Unfallbeteiligten treffen ließen. Dies sei vom Landgericht in der erneuten Verhandlung zu klären, wobei verbleibende Zweifel nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen seien.

Es empfiehlt sich, dies alles penibel zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel bei dem VdVKA, dem Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. (OE)

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