Schulungscenter der Witte Bürotechnik GmbH

28.01.1999

HAMELN: Ende der 80er, Anfang der 90er waren die goldenen Jahre der IT-Branche vorbei. Statt schöner Handelsspannen kamen Preiskampf, Verdrängungswettbewerb, Filialketten, Direktvertrieb. Sven Kessels von der Witte Bürotechnik GmbH schildert, wie das Unternehmen Schulungen zu einem gewinnbringenden Bereich gemacht hat.Vom Umsatz und Gewinn der Pionierzeit verwöhnte Fachhändler, die mit dem PC-Vertrieb groß geworden sind und ihre Deckungssummen nicht hauptsächlich aus Softwarelösungen bezogen, bekamen vor ungefähr zehn Jahren ein Problem beziehungsweise steckten bereits in der Krise. Das Schlaraffenland Computerworld wurde zu eng für all die Anbieter. Doch die Experten hatten gute Ratschläge schon in der Tasche. Auf allen Tagungen, Seminaren und Messen gab es immer nur eins zu hören: Verkaufen Sie Dienstleistungen. Aus diesen praxisfremden Vorschlägen haben wir ganz schnell eines gelernt: Wir mußten unseren eigenen Weg suchen.

Vor dem Start stand die Marktanalyse

Nach dem Motto "Service heißt nicht kostenlos" haben wir unser Unternehmen umstrukturiert. Ein Lösungsansatz war, daß wir mit Einweisungen der Anwender nach dem Kauf schon immer gute Erträge erzielt haben. Ziel war es, diese Dienstleistung auszubauen und auch Neukunden in diesem Bereich zu gewinnen.

Unsere Marktanalyse (Stadt mit 60.000 Einwohnern, Einzugsgebiet 120.000) ergab, daß unsere Mitbewerber ebenso wie wir nur in Ihrer eigenen Kundschaft aktiv waren. Die ansässige Volkshochschule bot im Computer-Schulungsbereich zwei Programmiersprachen und je einen Kurs für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbank an. Die Preise für die angebotenen Kurse waren sehr niedrig und die Stundenzahl hoch. Des weiteren fanden wir überregionale Schulungszentren, Angebote der Kammern oder von Herstellern zu den verschiedensten Themen, bei denen wir auf einen Tagesdurchschnittspreis von 650 Mark pro Person kamen. Alle Computerkurse waren durchweg gut besucht und meistens ausgebucht.

Ende 1991 haben wir uns nach einigen Recherchen entschlossen, in unserer Region ein Computer-Schulungscenter zu etablieren. Da unsere Räumlichkeiten eine zusätzliche Fläche für einen Schulungsraum nicht hergaben, wurde kurzum ein etwa 70 Quadratmeter großes Büro in der Nachbarschaft mit angemietet und umgebaut.

Räumlichkeiten und Ausstattung sind massgeblich

Drei kleine Büros wurden zu einem Raum umgewandelt, der mit zwölf modernen Arbeitstischen und einem Dozentenarbeitsplatz ausgestattet wurde. Als technische Ausstattung dienten damals 13 topmoderne 486er, die mit dem Dozentenarbeitsplatz unter Novell vernetzt waren. Jeder Arbeitsplatz bekam einen 9-Nadeldrucker (damals Restposten, von denen wir uns aufgrund der Lautstärke wieder sehr schnell trennten) und jede Tischreihe einen Laserdrucker. Parallel dazu entwickelten wir das Schulungsprogramm. Es war uns von vornherein klar, daß wir den Raum mit Tages- und Firmenschulungen nicht von einem Tag auf den anderen auslasten konnten. Dies war allerdings nötig, damit sich die Investitionen rechneten. Also wollten wir Abendschulungen für Privatanwender anbieten. Doch zunächst mußten noch einige Fragen geklärt werden:

1. Welche Schulung ist überhaupt am Markt gefragt ?

Wir entschlossen uns, das komplette Programm anzubieten: Einsteigerkurse, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbanken, Programmiersprachen, Netzwerkkenntnisse, DTP, CAD und mehr. Die Praxis würde zeigen, welche Themen am Markt gefragt sind.

2. Wer hält die Schulungen ?

Auch nachdem sich ein paar Mutige aus unseren Reihen gemeldet hatten, klaffte in den branchenspezifischen Bereichen immer noch eine große Lücke. Wir hatten zum Beispiel damals keine Berührungspunkte zu CAD (heute sind wir seit Jahren autorisierter Autodesk-Händler). Also gingen wir per Zeitungsannonce auf Dozentensuche. Und schon ergab sich eine neue Problematik.

3. Wie beurteile ich, ob ein Dozent gut ist oder nicht ?

Aufgrund der Annonce bekamen wir 40 relativ qualifizierte Bewerbungen von Personen, die alle schon einmal unterrichtet hatten. Unser Schluß daraus: Dozenten gibt es wie Sand am Meer. Nach persönlichen Gesprächen kamen acht Dozenten in die engere Auswahl, vor allem für Themen, die wir hausintern nicht abdecken konnten. Ob ein Dozent wirklich gut war oder nicht, würde wiederum die Praxis zeigen.

4. Wie bekomme ich meine Schulungen voll ?

Hier setzten wir auf traditionelle Marketingmaßnahmen: Mailings, Pressearbeit, Plakate, Zeitungswerbung, Flyer und eine groß angelegte Auslage der Schulungsprogramme unter anderem in unseren Ladengeschäften.

5. Nach welchem Konzept wird geschult ?

Wir wollten uns von unseren Mitbewerbern differenzieren: Die Kurse sollten mit maximal zwölf Teilnehmern besetzt sein. Jedem Teilnehmer sollte ein PC zur Verfügung stehen. Nach maximal vier Wochen (Abendkurse) muß der Anwender in der Lage sein, effektiv mit der Software zu arbeiten, statt wochenlang "die Schulbank zu drücken".

6. Zu welchem Preis biete ich Schulungen an ?

Die Selbstkostenpreise der Volkshochschule waren für uns nicht haltbar, das war klar. Deshalb entschlossen wir uns zur Hochpreispolitik - Mut zur Leistung. Ein Beispiel: Einen Kurs für Standardsoftware dauerte vier Abende und kostete zwischen 300 und 400 Mark. Damit lagen wir preislich zwischen den Angeboten der VHS und den Seminaren der überregionalen Schulen.

Einsatz und Ausdauer haben sich gelohnt

Wir brauchten etwa zwei Jahre Anlaufzeit, um unser Schulungscenter auszulasten. Der Imagegewinn, den wir durch unsere Aktivitäten bekamen, war gewaltig. Nachdem das Center angelaufen war, stand unsere Kompetenz in den angebotenen Softwarebereichen bei unserer Kundschaft außer Frage. Die Schulungsteilnehmer, gerade im Einsteigerbereich, stellten sich als interessanter zusätzlicher Absatzmarkt heraus. Außerdem tauschten wir die externen Dozenten durch kompetente interne Kräfte aus. Nachdem wir bei unseren Mitarbeitern eine attraktive Provisionsregelung für die Rolle des Dozenten eingeführt hatten, gab es in eigenen Reihen schon Streitigkeiten, wer welchen Kurs halten durfte. Da wir dies dem "Besten" zusprachen, war der positive Nebeneffekt, daß sich auf einmal alle Mitarbeiter fleißig weiterbildeten.

Die Mund-zu-Mund-Propaganda und die Bewerbung in der lokalen Tageszeitung stellten sich als beste Marketingmaßnahmen heraus. Auch unser anfänglicher, jährlicher Aufrüstungswahnsinn legte sich und wurde durch gute Dozenten bald überflüssig. Wozu braucht man Highspeed-Rechner für Textverarbeitung ?

Der "gute Ruf" der Abendschulungen bescherte uns nach rund zwei Jahren endlich die Nachfrage der Firmenkunden. Wenn wir heute einen Vertrag zum Aufbau eines Firmennetzes abschließen, gehört eine Schulung aller Anwender in unseren Räumlichkeiten zum Standard. Unsere Mitbewerber haben nachgezogen und bieten auch Schulungen an. Wir mußten allerdings nur im Preis etwas nachgeben, um dies aufzufangen.

Unser Schulungscenter erbringt mittlerweile sechsstellige Umsätze, die wir nicht missen möchten. Allerdings: Man muß gerade im Schulungsbereich Qualität anbieten. Wer nicht das Ziel oder die Mannschaft dazu hat, lokal der beste Anbieter zu sein, sollte es lieber sein lassen.

* Sven Kessels ist Geschäftsführer der Firma Witte Bürotechnik GmbH in Hameln.

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