Schwach gestartet

12.08.2004
Schon der Start der eigenen CRM-Suite ist Microsoft in Deutschland gründlich misslungen. Das Paket kam erst mit einmonatiger Verspätung Anfang 2004 auf den Markt. Doch bisher haben sich hier zu Lande lediglich 40 Kunden für die Kundenbeziehungssoftware aus Redmond erwärmen können. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

"Der Verkauf läuft schleppend." Kurz und prägnant umschreibt ein Microsoft-Partner den derzeitigen Absatz der Kundenbeziehungssoftware aus Redmond. Der CRM-Spezialist, der namentlich nicht erwähnt werden möchte, bemängelt vor allem die fehlende Funktionstiefe in MS CRM: "Auf den ersten Blick sieht alles sehr gut aus, die Oberfläche ist angenehm und anwenderfreundlich gestaltet. Doch sobald es etwas komplizierter wird, wenn zum Beispiel nicht mehr jedes Produkt mit einer einzigen Artikelnummer bezeichnet wird, scheitert MS CRM."

Damit eigne sich diese Software sehr gut für Handelshäuser, die Commodity-Produkte vertreiben, so der CRM-Experte. Hersteller von individualisierten Produkten, etwa im Automobilbereich, könnten hingegen mit der Kundenbeziehungssoftware aus Redmond herzlich wenig anfangen.

CRM-Markt bleibt heiß umkämpft

Doch den mittelständischen Firmen bieten sich mit Salesforce.com oder CAS Software gute Alternativen. So entlockt Microsofts bis Ende 2004 verlängertes Starterpaket für das Sales-Modul allein dem CRM-Experten nur ein müdes Lächeln: "Wenn ich mir noch all die notwendigen weiteren Bausteine dazukaufen muss, lande ich ganz schnell im Bereich einer Siebel-Midmarket-Edition."

In den USA ist die Stimmung bei den Channel-Partnern um keinen Deut besser. Dort wartet man sehnsüchtig auf die dann besser ausgestattete Version 2.0 von Microsoft CRM. Doch diese soll erst im nächsten Jahr herauskommen. "Wenn das wirklich noch so lange dauert, dann hätte sich Microsoft lieber etwas mehr Zeit mit dem Start der 1.0-Version gelassen", urteilt etwa Ben Holtz, CEO von Green Beacon Solutions LLC. Der Microsoft-Partner von der US-Ostküste hat zwar bereits einige Kunden mit der CRM-Lösung beglückt, und diese zeigen sich damit auch zufrieden, doch, so Holtz weiter: "Wir bringen die Software nicht so schnell unter das Volk, wie wir uns das gewünscht haben. Dazu weist die Lösung zu vielen funktionelle Lücken auf."

Dies geben sogar enge Microsoft-Partner zu, wie etwas die Chicagoer Sonoma Partner LLC: "Die Software ist noch nicht perfekt, aber die Verbesserungen werden kommen." Dies glaubt auch das Marktforschungsunternehmen Gartner, demzufolge Microsoft CRM ein sehr viel versprechendes Produkt ist. Es weist aber noch zu viele Defizite auf, und die bisher noch relativ unerfahrenen CRM-Partner können es nicht so stark in den Mittelstand tragen, wie der Hersteller es gern hätte. Erschwerend kommt hinzu, dass mit MS CRM 1.2 viele Kundenanforderungen nicht erfüllt werden können. Dies soll erst mit der Version 2.0 besser werden. Dann erwartet Gartner Microsoft unter den Top Fünf der CRM-Hersteller.

Partner und Kunden warten auf die Version 2.0

Marktforscher der Yankee Group zeigen sich nicht ganz so zuversichtlich: "Im Mittelstand wird es zu einem verschärften Wettbewerb kommen. Salesforce.com wird immer größere Kunden angehen, SAP und Siebel rutschen mit ihren abgespeckten CRM-Versionen in immer tiefere Regionen", so die Yankee-Analystin Sheryl Kingston.

Hinzu kommen noch Wettbewerber wie Peoplesoft und Oracle im oberen Segment sowie Front Ranges "Goldmine" und Sages "SalesLogix" von unten. "Diese Unternehmen sind im Channel äußerst gut unterwegs, und wenn Microsoft sich nicht bald etwas einfallen lässt, werden sich die CRM-Vertriebspartner frustriert von dem Konzern abwenden", analysiert Kingston weiter.

Nicht ganz so negativ beurteilt die momentane Lage Silvia Peschkes, Vertriebsleiterin MS CRM bei dem Microsoft-Partner Orbis: "Mit der 2.0-Version wird es definitiv besser." Zwar hat sich auch der CRM-Spezialist aus Saarbrücken bessere Abverkaufszahlen erhofft, aber man zeigt sich bereits für das dritte Quartal 2004 optimistisch: "Spätestens 2005 wird die Nachfrage anziehen", so Peschkes.

Immerhin erhält Orbis als Entwicklungspartner von Microsoft noch Ende 2004 die ersten Versionen von MS CRM 2.0, und davon verspricht sich das Systemhaus einen kleinen Wettbewerbsvorteil: "Was in der aktuellen 1.2-Version noch nicht so richtig funktioniert, etwa die Erweiterung von Objektmodellen, wird danach möglich sein", zeigt sich die Orbis-Vertriebsleiterin optimistisch.

Denn bis dato läuft der Abverkauf der Kundenbeziehungssoftware schleppend: "Das ist eben typisch deutsch. Viele Kunden warten erst einmal ab, ob wir ihnen nicht noch ein paar große Referenzinstallationen vorweisen können", so Peschkes.

Meinung des Redakteurs

Alle Welt wartet auf die 2.0-Version von Microsoft CRM. Der Vorläufer weist nach übereinstimmenden Berichten noch zu viele Lücken auf. Wohl nicht zuletzt deshalb hat Microsoft die Laufzeit des vergünstigten Starterpakets bis Ende 2004 verlängert.

Zur Startseite