Schwäbischer IT-Dienstleister liebäugelt mit dem Aufstieg in die Weltliga

20.05.1999

STUTTGART: Die Aktie schlägt sich am Neuen Markt beachtlich, die Wachstumszahlen im Geschäftsjahr 1998 sind vielversprechend. Dennoch hat die Heilbronner TDS Informationstechnologie AG noch ein hartes Stück Arbeit vor sich, will sie den anvisierten Aufstieg in die IT-Service-Weltliga schaffen.An Ambitionen mangelt es TDS-Gründer und -Vorstandschef Günter Steffen nicht. Im Jahr 2001 soll die Umsatzmilliarde übersprungen werden und das Auslandsgeschäft dazu rund die Hälfte beitragen. Doch trotz einer deutlichen Umsatzsteigerung im Geschäftsjahr 1998 um 45,6 Prozent von 164,8 auf 239,9 Millionen Mark hat der Heilbronner IT-Dienstleister und R/3-Outsourcing-Spezialist für den Mittelstand noch einen weiten Weg vor sich, sollen die ehrgeizigen Ziele erreicht werden. Vor allem international ist TDS bislang kaum in Erscheinung getreten. Und so mutet der Auslandsbeitrag 1998 von gerade mal 1,5 Millionen Mark durch die Schweizer TDS Multivision AG denn auch ausgesprochen bescheiden an. Deshalb steht im laufenden Jahr der deutliche Ausbau der internationalen Aktivitäten auf dem Plan.

Über den Zukauf der Bielefelder

S&P, einem SAP-Beratungshaus, das eine Niederlassung in Wien unterhält, im Dezember 1998 haben die Schwaben einen ersten Schritt nach Österreich getan, im Februar gründeten sie in Eigenregie eine Dependance in Großbritannien. In beiden Ländern soll nun durch Akquisitionen richtig Dampf gemacht werden. "Wir brauchen die lokale Verstärkung, sonst geht der Aufbau viel zu langsam", betont Steffen. Diese Erkenntnis hat der TDS-Vormann nicht zuletzt aus den Schweizer Aktivitäten gewonnen. Der Markteintritt ist zwar geschafft, eine rechte Euphorie haben die bislang zwölf Outsourcing-Aufträge aber nicht aufkommen lassen. So liebäugelt man auch hier im laufenden Jahr mit Zukäufen. Selbst der Sprung in die USA ist ins Visier genommen. In allen Ländern, so Steffen, habe man geeignete Übernahmekandidaten bereits im Auge, in einigen Fällen sei man sogar bereits über die Letter-of-Intent-Phase hinaus.

Front-Office-Services stark im kommen

Dem Wandel der Zeit angepaßt werden soll in den kommenden Jahren das Kerngeschäft, um so die sich bietenden Wachstumspotentiale auszuschöpfen. Neben dem R/3-Outsourcing für den Mittelstand, in dem sich TDS selbst führend im deutschen Markt positioniert sieht, widmen sich die Heilbronner zunehmend den Services rund um Front-Office-Lösungen. "Unser Kerngeschäft verändert sich dramatisch - nämlich weg von den Dienstleistungen rein für die Back-Office-Engine und hin zu jenen für Front-Office-Anwendungen", konstatiert Steffen. Und da benötige der Mittelstand genauso Hilfe wie zuvor beim Einsatz und Betrieb von ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning).

Spätestens ab dem Jahr 2000, wenn die Euro- und Y2K-Problematik aus der Welt sei, gehe dort die Post richtig ab, ist der TDS-Chef überzeugt. Die Vorbereitungen dazu laufen auf Hochtouren. Ob in Sachen E-Commerce, Supply-Chain-Management oder Sales Force Automation - die Heilbronner bandeln mit den führenden Produktlieferanten an und bauen auf diese Partnerschaften ihre Services auf. Nicht immer zur Freude von SAP. So paktiert TDS im Bereich Sales-Force-Management beispielsweise mit Siebel, einem Unternehmen, das dem Walldorfer Softwareriesen in diesem Marktsegment nicht wenig Kopfzerbrechen bereitet.

Baan ist vorerst aus dem Rennen

An Änderungen denken die Heilbronner auch mit Hinblick auf ihre Unternehmensstruktur. So ist der Verbleib der 1987 gegründeten CHG Systemhaus GmbH, über die Handel und Dienstleistungen rund um den PC abgewickelt werden, im Gruppenverbund mehr als ungewiß. Obwohl dieser Bereich mit 113 Millionen Mark 1998 am umsatzstärksten war, liebäugelt Steffen aus Wirtschaftlichkeitsaspekten mit dessen Abspaltung. Möglichkeiten gebe es viele, so der TDS-Chef. Unter anderem sei vorstellbar, CHG an die Börse zu bringen.

Abschied genommen haben die Schwaben vorerst von ihren Plänen, sich mit Baan neben der SAP-Plattform ein zusätzliches Standbein zu schaffen. Noch vor einem Jahr war es Steffens erklärte Absicht, entsprechendes Know-how aufzubauen, und er führte dazu auch intensive Gespräche mit Jan Baan. Dann aber geriet SAPs Erzrivale in die Krise, was TDS veranlaßte, diese Schiene erst einmal nicht weiterzu-verfolgen. Somit liegt der Schwerpunkt der Heilbronner nach wie vor in der SAP-Welt. Das aber stört Steffen nicht. "R/3 bleibt nun einmal das marktführende Produkt."

Voller Stolz hingegen blickt die gesamte Belegschaft jeden Morgen auf den Kurs der TDS-Aktie. Ende Juni 1998 am Neuen Markt gestartet hat sich der Titel gut entwickelt. Lag der Emissionskurs noch bei 52 Mark, so pendelt er heute um die 175 Mark herum. "Unser Ziel war es, immer über dem Neuen-Markt-Index zu liegen", betont Steffen. "Und das ist uns bis auf eine Ausnahme gleich zu Beginn der Notierung auch gelungen." (bk)

Der Bulle, Symbol für die Hochphase an der Börse, hat den TDS-Vorständen Günter Steffen, Dietmar Hartinger und Robert Gärtner (von links) bisher Glück gebracht.

Zur Startseite