Schwächen, nicht Stärken delegieren!

17.06.2004
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Herrn Helmut Hopfner

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München, 14.06.2004

Schwächen, nicht Stärken delegieren!

Sehr geehrter Herr Hopfner,

als eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Managers gilt gemeinhin, dass er delegieren kann. Mir scheint allerdings, dass diese Fähigkeit für die betriebliche Praxis maßlos überschätzt wird. Nehmen wir folgendes Beispiel aus meinem Bekanntenkreis: Ein alter Freund von mir sagte einmal in einem Vorstellungsgespräch, als er nach seinen Stärken gefragt wurde: "Besonders gut kann ich delegieren." Doch anstatt ihn mit Kusshand zu nehmen, schickte ihm das Unternehmen seine Unterlagen mit Bedauern und den besten Wünschen für seine berufliche Zukunft zurück. Eigentlich unverständlich, oder? Wo doch die Fähigkeit des Delegierens angeblich so wichtig ist!

Immer wieder ist auch das Schlagwort zu hören und zu lesen: "Führen durch delegieren!" Auch in den Produkten Ihres Hauses, sehr geehrter Herr Hopfner. In dem Haufe-Akademie-Newsletter stand Anfang dieses Monats das Kapitel "Motivation durch Delegation". Motivation ist ja auch furchtbar wichtig, und hier sind sofort zwei Schlüsselbegriffe des unternehmerischen Erfolgs auf raffinierte Weise miteinander verknüpft worden. "Motivation durch Delegation" bedeutet allerdings nicht, wie man vorschnell meinen könnte, dass sich die Führungskraft durch das Delegieren selbst motiviert - zum Beispiel auf den Golfplatz zu gehen -, sondern natürlich den oder die Mitarbeiter.

Richtig Delegieren ist eine Kunst, aber Gott sei Dank im Prinzip erlernbar. Dafür gibt es ja dann entsprechende Newsletter, Ratgeberbücher und Seminare. Hinter manchem Satz, der zu diesem Thema gesagt und geschrieben wird, muss man aber ein Fragezeichen setzen. So heißt es in Ihrem Newsletter zum Beispiel als Handlungsanweisung für die Führungskraft: "Delegieren Sie solche Aufgaben, die Sie selbst machen könnten, um Ihre Mitarbeiter gezielt zu entwickeln."

Halte ich für keine gute Idee. Denn dieser Satz empfiehlt der Führungskraft, ihre Stärken zu delegieren. Dies ist aber ein Fehler. Ist es nicht viel gescheiter, wenn die Führungskraft nicht das, was sie gut kann, sondern das, was sie nicht so gut kann, einen anderen machen lässt? Also gerade nicht die Stärken, sondern die Schwächen delegiert? Idealerweise delegiert sie diese Aufgaben natürlich an jemanden, der genau auf diesem Gebiet eine Stärke hat oder zumindest das Talent, hier eine Stärke zu entwickeln.

Leider ist es in der Tat so, dass viele Führungskräfte in der betrieblichen Praxis Aufgaben an Mitarbeiter delegieren, in denen die Führungskraft selbst sehr gut ist. Das hat etwas mit Kontrolle zu tun. Für das Gesamtergebnis und damit für das Unternehmen ist diese Praxis aber kontraproduktiv.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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