Schweizer Ruhepol an der Waterkant

10.05.2000

Große Planungen - bescheidene Resultate. Damit macht Acer immer wieder auf sich aufmerksam. Beispiele dafür gibt es genug. Da wäre die geplatzte Übernahme der Augsburger PC-Produktionsstätten der ehemaligen Siemens Nixdorf im Herbst 1998 zu nennen. Bereits Wochen vor dem eigentlichen Vertragsabschluss gab Konzernchef Stan Shih bereitwillig Interviews und wies mit bedeutungsschwangeren Worten darauf hin, dass sich Acer dank der sich nunmehr ergebenden Synergie-Effekte in Deutschland bald in der ersten Liga spielen sehe. Doch bekanntlich platzte der Deal so überraschend, wie er bekannt wurde. Ob es wirklich daran lag, dass die Asienkrise kurzerhand Shis Geldbörse durchlöchert hatte - so die offizielle Version - oder andere Faktoren das Vorhaben scheitern ließen, mag dahingestellt bleiben. Während sich die SNI-Partner nicht böse darüber zeigten, waren die Acer-Vertriebspartner genervt. Denn mit der ersehnten Build-to-Order-Offensive war’s erst mal Essig, Lieferquerelen gehörten weiterhin zum Tagesgeschäft eines Acer-Händlers. Doch die Taiwaner versuchten, die Wiederverkäufer bei der Stange zu halten, und griffen die Idee des damaligen Acer-Deutschland-Statthalters Klaus Muuß auf, der von der Vision beflügelt war, eigene Produktionsstätten in Ahrensburg aus dem Boden zu stampfen. Die anfänglichen Erfolge machten den Händlern Mut, Acer konnte in Deutschland 1999 ein Wachstum von stolzen 30 Prozentpunkten vorweisen. Doch schon bald brach wiederum alles wie ein Kartenhaus zusammen. Die obers-te Acer-Heeresführung gab dem zwischenzeitlich zum Europa-Chef emporgehobenen Muuß die Order, sukzessive die Verlagerung der gesamten Produktion in die benachbarten Nieder- lande in Angriff zu nehmen. Die Konsequenzen blieben nicht aus: Muuß war mit dieser Art von Unternehmenspolitik nicht länger einverstanden und räumte im Mai 2000 seinen Stuhl. Mit ihm gingen der glücklose Deutschland-Chef Hans-Peter Andresen von Bord, und bis Juni 120 weitere Mitarbeiter, die im Ahrensberger Werk nicht länger gebraucht wurden. Acer Deutschland war gelähmt. Daran, dass auch die Acer-Partner die so genannte Reorganisation deutlich zu spüren bekamen, besteht kein Zweifel. Mittlerweile hat Europa-Marketing-Direktor Walter Deppeler das Zepter bei Acer Deutschland übernommen, anfänglich als Country-Manager, seit 1. Oktober als offizieller Geschäftsführer. Was der überaus sympathische und bescheiden wirkende Schweizer bisher auf die Schiene gesetzt hat, kann sich sehen lassen. Der mehrstufige Vertrieb wird ausgebaut, Computer 2000 konnte als neuer Distributor gewonnen werden. Das könnte eine wahrnehmbare Entspannung bei der Lieferfähigkeit von Standard-PCs und Notebooks versprechen. Auch das ins Leben gerufene Acer-Point-Programm scheint viel versprechend. Laut Deppeler konnten sich bisher 70 zusätzliche Partner dafür begeistern (siehe Interview auf Seite 22). Zudem wird Acer in Kürze auch in Deutschland mit seinen E-Business-Aktivitäten starten - ausschließlich mit Einbindung der Vertriebspartner, wie der neue Acer-Frontmann verspricht. Der besonnen wirkende Manager, dem das Partnergeschäft merklich am Herzen liegt, versucht, Ruhe, Konstanz und Verlässlichkeit zu vermitteln. Das ist nach den turbulenten Zeiten auch bitter notwendig. Die Acer-Händler können nur darauf hoffen, dass Deppelers Deutschland-Engagement nicht unter seiner zusätzlichen Verantwortung für das europaweite Marketing zu leiden hat. Christian Meyer cmeyer@computerpartner.de

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