Selbstkritische Töne von Siemens-Netzwerker Ganswindt

10.07.2003
Bisher habe die Telekommunikationsbranche "keinen echten Mehrwert für die Kunden geschaffen", sagte Thomas Ganswindt, Chef der Netzwerksparte von Siemens, anlässlich der Vorstellung des neuen Konzepts "Life Works". Mit dieser Plattform werde ICN jedoch den Nutzen deutlich erhöhen - und sich wieder auf die Gewinnerseite bringen.

Mit deutlicher Selbstkritik hat Thomas Ganswindt, Chef der von Krisen und Managementfehlern gebeutelten Siemens-Netzwerksparte ICN, die Vorstellung von "Life Works" verknüpft. "Bisher ist es der Telekommunikationsbranche nicht gelungen, einen echten Mehrwert für die Kunden zu schaffen", sagte er bei der Präsentation der neuen Kommunikationsplattform, mit der er und seine Sparte hoffen, wieder Aufwind zu bekommen.

Die TK-Technik sei aus Sicht der Benutzer zu kompliziert, um in den Netzen für die geforderte transparente Anwendungsleichtigkeit sorgen zu können. Und Ganswindt sattelte, durchaus auch in Richtung der eigenen Festnetzabteilung, noch eins drauf: "Mit jedem neuen Netz ist das Kommunizieren schwieriger geworden", klagte er. Für Firmen habe das geheißen, dass ihre Netze immer teurer wurden - eine Entwicklung, die nicht zuletzt zur bekannten und anhaltenden In-vestitionsverweigerung der Geschäftskunden geführt habe.

Dem will die nach wie vor defizitäre Netzwerksparte mit dem Konzept "Life Works" begegnen. Diese in den USA bereits in einer Pilotanwendung im Einsatz befindliche Infrastruktur ermögliche Unternehmen, mittels einer In-ternetplattform alle Kommunikationsnetze zusammenzuführen. Konkret bedeute dies, dass Benutzer orts- und geräteunabhängig ihre jeweiligen Kommunikationsmedien - E-Mail, Telefon, Anrufbeantworter und Applikationen - verwenden könnten.

Mit diesem Konzept, in dem die Siemens-Lösungen "Surpass Business Connection" für Netzbetreiber und "Hosted Hipath" für Unternehmen eine zentrale Rolle einnehmen, wil Siemens demnächst auch in Europa auf Kundenfang gehen. Es habe diese Lösung in den vergangenen 18 Monaten entwickelt, obwohl es damit auch die hauseigene Festnetzsparte als Konkurrenten definiert habe. Ganswindt gestand zu, dass eine "Kannibalisierung" durchaus möglich sei. Denn nun könnten Festnetzbetreiber Teile des Mobilfunkgeschäfts gewinnen, und Informatikdienstleister könnten ihrerseits mit Telefonunternehmen konkurrieren. ICN werde die Lösung nach und nach entwickeln und auch in Europa anbieten, sagte der ICN-Chef. Seine Abteilung werde versuchen, mit Life Works ab dem kommenden Geschäftsjahr Umsätze und Gewinne zu erzielen. "Dieses Geschäft wird sicherlich zu den ergebnisstarken Geschäften von ICN gehören", so Ganswindt, der so weit ging zu sagen, Life Works werde einen neuen Markt eröffnen.

Was die von Entlassungen und Defiziten geprägte Siemens-Abteilung angehe, prognostizierte der Manager, schwarze Zahlen im vierten Quartal des Geschäftsjahres (30. September) schreiben zu können. Zu diesem Zeitpunkt werde ICN 35.000 Beschäftigte zählen - statt 55.000 im Geschäftsjahr 2001. Der Manager betonte, Ziel der ICN sei es, "Marktanteile zu gewinnen". Hintergrund dieser Aussage ist die Siemens-Vorgabe für ICN, im nächsten Geschäftsjahr Gewinnmargen von wenigstens acht Prozent erzielen zu müssen.

www.siemens.de

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Die fast reumütige Betrachtungsweise von ICN-Chef Ganswindt weist auf einen kritischen Faktor so gut wie aller Netzwerke hin: Zwar laufen weltweit die Netze mit erträglicher Geschwindigkeit, doch die Not der Business-Anwender, ihre oft verzweifelten Versuche, auf ihre täglichen Anwendungen geräteunabhängig zugreifen zu können, beheben sie nicht.

Ob allerdings Siemens mit Life Works den Stein der Weisen für die Netzkommunikation gefunden hat, ist im Moment nicht festzustellen. Den Beweis muss ICN erst praktisch antreten. Immerhin: Das Sorgenkind des Siemenskonzerns geht in Richtung konvergente Netze. (wl)

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