Servermarkt zwischen Unix und NT, direkt und indirekt

17.12.1998
MÜNCHEN: Server, Zentralrechner in Computernetzen, gibt es wie Sand am Meer. Beratung und Individualkonfiguration, Domänen des IT-Handels, sind deshalb angesagt. Doch der schnellebige Servermarkt sorgt dafür, daß sichere Geschäftsfelder wegbrechen, etwa durch "Build-to-order"-Online-Konzepte oder Direktverkauf. Beruhigend aber ist: Immer mehr Daten sorgen für das Wachstum des Servermarktes.Realistisch ist es, die IT-Landschaften deutscher Unternehmen als "Gemischtwarenläden" zu bezeichnen. Wen auch immer man fragt, er kommt unweigerlich darauf. "Ein Blick in die Zukunft zeigt, daß lastgesteuerte Server kommen werden", erklärt Joseph Reger, Director Enterprise-Computing-Marketing bei der neuformierten Siemens-Computer-Systems-Abteilung in München. Was aber die IT-Gegenwart anbelangt, verweist er auf "heterogene, gemischte" Server-Landschaften. "Auf der grünen Wiese kann niemand anfangen", stimmt Michael Schröder, Leiter Produkt-Management bei Sun Microsystems in Grasbrunn, zu.

MÜNCHEN: Server, Zentralrechner in Computernetzen, gibt es wie Sand am Meer. Beratung und Individualkonfiguration, Domänen des IT-Handels, sind deshalb angesagt. Doch der schnellebige Servermarkt sorgt dafür, daß sichere Geschäftsfelder wegbrechen, etwa durch "Build-to-order"-Online-Konzepte oder Direktverkauf. Beruhigend aber ist: Immer mehr Daten sorgen für das Wachstum des Servermarktes.Realistisch ist es, die IT-Landschaften deutscher Unternehmen als "Gemischtwarenläden" zu bezeichnen. Wen auch immer man fragt, er kommt unweigerlich darauf. "Ein Blick in die Zukunft zeigt, daß lastgesteuerte Server kommen werden", erklärt Joseph Reger, Director Enterprise-Computing-Marketing bei der neuformierten Siemens-Computer-Systems-Abteilung in München. Was aber die IT-Gegenwart anbelangt, verweist er auf "heterogene, gemischte" Server-Landschaften. "Auf der grünen Wiese kann niemand anfangen", stimmt Michael Schröder, Leiter Produkt-Management bei Sun Microsystems in Grasbrunn, zu.

So wertet Reger die Siemens-Entscheidung, die drei hausintern gepflegten Serverplattformen auf eine gemeinsame Hardware - Intels Merced-Chip - zu stellen, als Befreiungsschlag. "Reduktion der DV-Komplexität" hat er als Investitionspriorität bei Unternehmen mit üppiger Serverbestückung ausgemacht (siehe Kasten "Serverkonsolidierung" auf Seite 54).

Wenigstens zwei Jahre greift Reger jedoch vor, wenn er sagt: "Intel-Server können 80 bis 90 Prozent des Serverbedarfs abdecken." Noch basteln die Intel-Entwickler an dem 64-Bit-Chip, der die Grenzen zwischen Risc- und Intel-Architekturen einebnen soll, und so mancher überlegt laut, ob dessen Architektur bei Erscheinen im Jahr 2000 oder 2001 nicht bereits veraltet sein wird.

Im Moment kommen auf jeden Unix- fünf NT-Server", macht Andreas Zilch, Director Research bei der Münchner Meta-Group, als Tendenz aus. Aber wenn es um die für Unternehmen so wichtige "Einteilung ihrer Server in Applikationsklassen geht", also beispielsweise auf der Intelseite File-, Print- und Officeservices, "die Applikationslogik auf Server zurückverlegt werden soll", also etwa Datenbanken oder Ressourcenverteilung in gemischten Umgebungen, stellt der Analyst eine Rückkehr zu Risc-Servern fest. Diese Entscheidung wird getroffen, um weit verbreitete, lahmende 2tier-Client/Server-Umgebungen durch skalierbare, hochverfügbare und sichere 3tier-Architekturen zu ersetzen.

"Wie sieht die NT-Strategie in zwei Jahren aus?"

Dafür kommt NT derzeit kaum in Frage. Auch wenn Microsoft sich durch eine Vielzahl von Serveranwendungen und Schnittstellen in diesen Bereich, genannt "Enterprise Computing", hochschrauben will. Zilch bezweifelt überhaupt - im Gegensatz zu so vielen Herstellerbekenntnissen in Sachen Merced -, ob die Kombination Intel-Microsoft in zwei Jahren eine sichere Option gewährleistet. "Viele Projekte sind schon gescheitert, und wer kann schon sagen, wie die NT-Strategie in zwei Jahren aussieht?" fragt er (siehe Grafik "Server-Betriebssysteme").

Diese direkte NT- und indirekte Intel-Kritik mag Compaq-Manager Hermann Wedlich so nicht stehen lassen. Zwar "wächst NT nicht mehr so rapide wie bisher", so der Manager, doch der wachsende Bedarf an PC- und NT-Servern für die Infrastruktur vieler Unternehmen ist für ihn eine nicht wegzudiskutierende Tatsache. "Der Servertrend ist eindeutig: Er geht zu standardisierten Systemen." Womit laut vorherrschendem Sprachgebrauch NT gemeint ist.

Allein im Bereich der Hochverfügbarkeit, in dem Parameter wie beispielsweise "permanente Ausfallsicherheit, dynamische Speicher- und CPU-Verwaltung, Non-stop-Zugriff auf Daten und hohe Transaktionen" ausschlaggebend sind und garantiert werden, beispielsweise mittels redundanter Auslegung von CPUs, Raid-Architekturen der Datenhaltung, verteiltes Speichermanagement über mehrere Server oder die lastorientierte Koppelung mehrerer Server zu einem Verbund, setzt auch er auf Risc-Server.

Man muß dazu sagen, daß ihm die Diskussion um Intel- contra Risc-Server keinen wirklichen Spaß macht. Nicht nur, weil Compaq durch den Erwerb von Digital und Tandem bekanntlich die ganze Server-Palette anbieten kann. Sondern auch, weil in seinen Augen dadurch eine derzeit wesentliche Tendenz im Servermarkt verschüttet wird. "Der Kunde verliert angesichts der Servervielzahl den Überblick. Deshalb will er von uns ein System", hat Wedlich registriert. Hardware-Manager Park Soyngir von Samsung Europa bestätigt ihn indirekt, wenn er sagt: "Wir beherrschen das Serverdesign. Unser Marketing ist jetzt entscheidend." Der koreanische 130-Milliarden-Mark-Umsatzkoloß Samsung ist zwar in Asien eine Macht, in Europa mit zirka zwei bis drei Prozent Marktanteilen aber ein Niemand. Wer jetzt auf einigermaßen klare, weil herstellerorientierte Verhältnisse im Servermarkt hofft, irrt.

"Im NT-Umfeld spielt die Herstellerwahl keine Rolle. Welchen Value Add kann ich bieten, ist kaum entscheidbar", widerspricht Schröder. "Nur im professionelleren Unix-Umfeld entscheiden Fragen wie Hochverfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Anwendungen über die Herstellerwahl. Stimmt dazu das Geschäftsmodell, also gehe ich über Partner, oder konkurriere ich mit ihnen, sind die wesentlichen Differenzierrungspunkte bei der Herstellerwahl klar benannt."

Technischer Support und Kundenausrichtung

In zwei elementaren Punkten bestätigt die Umfrage von ComputerPartner bei Systemhäusern, VARs und PC-Händlern den Sun-Manager (siehe Grafik). Erstens steht technischer Support im Pre- und After-sales-Bereich an erster Stelle bei der Herstellerwahl. Stimmt zudem das Preis-Leistungs-Verhältnis, und sind die Server auch verfügbar, werden Geschäfte gemacht. "Entscheidend sind die Servicelevel, die ein Hersteller zusammen mit seinem Partner bieten kann", betont Rüdiger Muth, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Computacenter in Bad Homburg.

Die Erfahrung allerdings, daß Servicequalität, vor allem im Pre-sales-Bereich, bei NT-Kunden oft abschlägig beschieden wird, machen viele Händler. "Wenn es um Beratung im Vorfeld geht, müssen wir die Beratungsleistungen im Angebot verstecken", klagt ein norddeutscher NT-Händler. Ihm ist es lieber, wenn seine Kunden schon NT-Server haben, denn "dann wissen sie, welcher Supportaufwand auf sie zukommt".

"Die Kundschaft geht in Richtung NT", stellt Ralph Bösener fest, Leiter Projektvertrieb bei dem Bremer Systemhaus und Sun-Spezialisten Ips GmbH. Als hauptsächliche Klientel nennt er mittelständische Betriebe und "kleinere Großunternehmen" mit bis zu 300 Arbeitsplätzen. "Der Mittelstand hat meist keine eigene DV-Abteilung. So nimmt er, was ihm bekannt erscheint, also NT. Auch wenn es damit Ärger ohne Ende geben kann. Der passiert auch bei anderen, also wird er als normal erlebt", faßt er zusammen. Seine Strategie lautet: "Wenn der Kunde offen ist, dann sollte er besser Unix wählen."

In diesem Kundensegment sind Beratung bei Installation, Wartung, Hard- und Software-Updates selbstverständlich. "Unsere Kunden verlangen von dem System und den Applikationen, daß sie sicher laufen. Der Server soll seine Arbeit tun. Dafür sind sie bereit zu zahlen", erklärt der Projektleiter.

Trotzdem stellt er auch bei NT-Kunden fest: "Verdient wird über Beratung bei der Installation und Wartung." Allerdings glauben seiner Meinung nach zu viele Kunden, daß NT-Server so einfach wären, daß sie keine Probleme machen dürften. Und wenn doch: "Dann rufen sie bis zu dreimal täglich an", stellt ein bayerischer Händler fest. "Für ein kleines Systemhaus mit ein, zwei Supportleuten ist das problematisch", stellt er illusionslos fest.

Verfügbarkeit und Geschäftsmodell

Die Umfrage von ComputerPartner ergab zum zweiten: Verfügbarkeit der Systeme, zumal im PC-Serverumfeld, ist das ausschlaggebende Kriterium für die Wahl des Herstellers. "Bei PC-Servern will kein Kunde warten. Er fragt: 'Haben Sie einen Server?' und nicht 'Haben sie Server von dem Hersteller X oder Y?'" beobachtet ein Münchener Händler. Für ihn sind die Marketingtöpfe der Hersteller falsch aufgehängt: "Wichtig ist, welche Unterstützung bekommen wir - bei technischen Fragen und bei der Frage, was kostet die DV-Installation." Seine Beobachtung deckt sich mit dem Wert, den die Umfrage bei dem Punkt "Marketingunterstützung" ergab: "Weniger wichtig".

"Fast immer ist für Kunden die Anwendung entscheidend. Wenn er auf permanente Verfügbarkeit verzichten kann, kommt NT genauso gut in Frage", wirft Ralph Denzer, Compaq-Manager für PC-Server, ein.

"Standard-Komponenten, das Management der Hardware und Service durch Partner sind entscheidend. Kleinere und mittlere Unternehmen interessieren sich nicht für ihre DV. Sie wollen Investitionssicherheit und überschaubare Kosten", hält er grundsätzlich fest.

Das NT-Händlergeschäft sieht er dann garantiert, wenn "man den Kundenbedarf analysiert und einen schlüssigen Fahrplan für die nächsten drei bis vier Jahre vorlegen kann".

Was aber nicht heißt: "Upgrades oder Umkonfiguration. Das kommt bei Entry-Servern so gut wie nie vor", weiß er. "Auf die Maschine selber legt der Mittelstand nicht unbedingt wert", faßt er zusammen.

Wichtiger erscheint ihm, welche Anwendungen unter welchem Betriebssystem der Kunde haben will. "Kann der Hersteller außerdem ein Paket anbieten, das unterschiedliche Anwendungen in einer Umgebung integriert, ist er im Geschäft", so Denzer.

Ebenso sieht das Siemens-Marketier Bernd Puschendorf: "Der Serverkauf wird in den meisten Fällen nicht über Hardware, sondern über Software entschieden. Das Thema ist Integration und Kostenreduktion."

Und da bei diesem Punkt kaum jemand widerspricht, kommt es offensichtlich nur darauf an, mit welchem Geschäftsmodell der Händler leben kann. Direkt oder indirekt, eine Mischung von beiden, garniert mit "Build-to-order"-Bestellungen via Web oder Online-Stores - angesichts dieser bunten Reihe gilt es für Händler, sich die Vertriebsmodelle genau anzusehen. Denn gewiß ist, alle Hersteller denken über jedes Modell nach.

Fazit und Ausblick

Seitdem die Daten in Unternehmen für neue Geschäftsfelder wie Internetpräsenz, browserbasierte Intranets oder das mehrfache Durchkämmen nach geschäftsrelevanten Informationen aufbereitet werden, stehen Server im Blickpunkt der Unternehmens-DV. Nicht weil man sie mehr als früher schätzt, sondern weil sie darüber entscheiden, ob die Infrastruktur für diese neuen Zwecke taugt.

So erobern Unix-Server in Unternehmen die Datenzentralen. Über sie läuft das Datenmanagement, und ihre ständig zunehmende Rechenleistung, auch im Verbund (Cluster), wird genutzt, um datenintensive Anwendungen schnellstmöglich den diversen Clients zuzuschaufeln. Siemens-Manager Reger ist sich sicher, daß Unix-Rechner in ein paar Jahren auch in der Lage sein werden, dynamische Domains zu verwalten. Was die vielfach geforderte Entkoppelung von Server und Betriebssystem endlich realisieren würde.

Intel-Server aber werden nach übereinstimmender Analystenmeinung das Volumengeschäft beherrschen. Auch ihre Rechenleistung steigt ständig, so daß sie auch als Abteilungsserver eingesetzt werden können. Für Entwicklungen, Applikationen und das Datenmanagement überschaubarer Clients sowieso. Doch der Zwang zur Plattformwahl besteht noch immer, auch wenn sich Marktauguren seit zwei Jahren mit gegenteiligen Aussagen beschäftigen. (wl)

"80 bis 90 Prozent des Bedarfs werden Intel-Server abdecken", wirbt Siemens-Manager Reger.

Ressourcenmanagement, die Hochverfügbarkeit und die Bedienung vieler

Clients sind die Domäne von Unix-Servern.

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